Flugzeugbauer Boeing sollen die Flügel gestutzt werden
„Das Verbrechen von Boeing ist das tödlichste Unternehmensverbrechen in der Geschichte der USA“, schreibt der US-Anwalt und frühere Bezirksrichter Paul G. Cassell. „Es wäre fast moralisch verwerflich, wenn die Strafjustiz nicht in der Lage wäre, die enormen menschlichen Kosten der Boeing-Verbrechen zu erfassen.“ Nachsatz: „Vor diesem Hintergrund wäre jede weitere Milde durch Zugeständnisse völlig unangemessen.“
Cassell ist Professor an der University of Utah in Salt Lake City und Experte in Sachen Opferrechte. Er vertritt 15 Familien, die bei zwei Boeing-737-Max-Flugzeugabstürzen Angehörige verloren haben. Insgesamt sind 346 Passagiere bei diesen Abstürzen 2018 und 2019 über der Javasee und in Äthiopien gestorben. Beide Abstürze standen im Zusammenhang mit fehlerhaften Flugsteuerungssystemen. Cassell hat in einem 32 Seiten umfassenden Schreiben, das dem KURIER vorliegt, das US-Justizministeriums aufgefordert, die Führungskräfte von Boeing strafrechtlich zu verfolgen und die höchstmögliche Geldbuße in Höhe von 24,78 Milliarden Dollar zu verhängen.
Boeing hat gelogen
„Boeing hat gelogen, Menschen sind gestorben“, so Cassell. Die Familien der Opfer setzen sich außerdem für eine strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Unternehmensmitarbeiter von Boeing zum Zeitpunkt der beiden Abstürze ein.
„Die Familien der Opfer empfehlen jedoch weiterhin, dass ein Teil dieser Geldbuße ausgesetzt werden sollte, unter der Bedingung, dass das fragliche Geld für angemessene Sicherheits- und damit verbundene Maßnahmen verwendet wird“, heißt es in dem Schreiben. Zugleich soll die US-Justiz bei Boeing einen unabhängigen Überwacher einsetzen und mögliche weitere Straftaten verfolgen.
Irreführung der Flugsicherheitsbehörden
Das Justizministerium erwägt laut BBC, ein Strafverfahren aus dem Jahr 2021 wegen des Vorwurfs des Betrugs wieder aufleben zu lassen, das mit einem Vergleich beendet wurde.
Damals hat Boeing die Irreführung der Flugsicherheitsbehörden eingeräumt. Das Justizministerium hat nun bis zum 7. Juli Zeit, über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu entscheiden.
Diese Woche hat Boeing-Boss Dave Calhoun vor dem Kongress Fehler eingeräumt. „Ich möchte mich im Namen aller unserer Boeing-Mitarbeiter auf der ganzen Welt entschuldigen. Und so tut es mir noch einmal leid“, sagte Calhoun.
Überwältigende Beweise
„Als ehemaliger Bundesanwalt und Generalstaatsanwalt denke ich, dass die Beweise, die diese Strafverfolgung rechtfertigen, nahezu überwältigend sind“, sagte der vorsitzende Senator Richard Blumenthal. Indes musste Calhoun auch zugeben, dass Boeing Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower ergriffen habe. Senator Blumenthal sagte, dass sich mehr als ein Dutzend Hinweisgeber an den Kongress gewendet haben: „Einige Whistleblower, die sich beim Unterausschuss gemeldet haben, möchten anonym bleiben, andere sind bereit, ihre Geschichten zum ersten Mal öffentlich zu machen.“
Laut CNN sollen sich weitere Whistleblower aus der Luftfahrtindustrie gemeldet haben, die direktes Wissen über die Abläufe und Richtlinien bei Boeing sowie Informationen über weitere Sicherheitsrisiken haben.