Dieselskandal: So erhalten betroffene Autobesitzer Schadenersatz
Seit mehreren Jahren wird vor österreichischen Gerichten der Abgasskandal um Diesel-Fahrzeuge abgehandelt. Nun können betroffene Autobesitzer auf Schadenersatz hoffen.
Was versteht man unter dem Dieselskandal?
Am 18. September 2015 wurde öffentlich bekannt, dass VW in elf Millionen Diesel-Fahrzeugen der Motorenreihe EA189 eine mutmaßlich illegale Abschalteinrichtung einsetzt, damit die Abgasnormen auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im Normalbetrieb wird die Abgasreinigung weitgehend abgeschaltet. Auch die Fahrzeuge mit dem Nachfolge-Motor EA288 seien betroffen. Später kam noch der Skandal um das so genannte Thermofenster dazu.
Ist ein Thermofenster eine illegale Abgas- Abschalteinrichtung?
Das Thermofenster stellt eine im Auto verbaute Software dar, welche die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen ausschaltet. Die Autobauer behaupten, so den Motor vor etwaigen Schäden zu schützen. Zum Beispiel gibt es Fahrzeuge, die unter 15 Grad Celsius und über 33 Grad ohne Abgasreinigung und somit im Schmutzmodus fahren. Das ist in Mitteleuropa dann ungefähr neun Monate im Jahr. Das ist laut OGH rechtswidrig. „Der OGH hat aber auf dieses EuGH-Urteil gewartet, jetzt ist der Weg freigemacht, dass der OGH klärende Urteile fällen kann“, sagt Thomas Hirmke, Chefjurist des Vereins für Konsumenteninformation (VKI).
Ist jedes Thermofenster unzulässig?
„Es sind nicht alle Thermofenster automatisch rechtswidrig“, sagt Anwalt Michael Poduschka. „Ein Thermofenster unter minus 5 Grad Celsius und über plus 40 Grad wird nicht rechtswidrig sein, weil das heißt, im größten Teil des Jahres funktioniert die Abgasreinigung des Autos.
Welche Hersteller haben Thermofenster eingebaut?
Neben VW, Audi, Porsche, Skoda und Seat sind laut Anwalt Poduschka auch Hersteller wie Mercedes, Fiat, Opel, Renault, Hyundai und Nissan betroffen. Das EuGH-Urteil betrifft Mercedes, ist aber Grundlage gegen alle Hersteller, die unzulässige Thermofenster verbaut haben.
Was bedeutet das neue Thermofenster-Urteil?
„Das Urteil eröffnet völlig neue Perspektiven“, sagt Poduschka. Denn die Hersteller haben sich bisher auf den Standpunkt gestellt, sie haben nicht gewusst, dass sie ein Thermofenster nicht einbauen dürfen. Somit hätten sie nicht vorsätzlich gehandelt. Doch der EuGH sagt, dass schon Fahrlässigkeit ausreicht. „Man wird wohl als Hersteller wissen, wenn eine Abgasreinigung weniger als die Hälfte des Jahres funktioniert, dass man das nicht machen darf“, sagt Poduschka. Und Hirmke fügt hinzu: „Es hätte den Herstellern lange klar sein müssen, dass das nicht sein kann, dass ein Thermofenster so verbaut wird. Das werte ich als Fahrlässigkeit.“
Wurde die Thermofenster-Problematik durch Software-Updates behoben?
Es gibt sehr viele verschiedene Software-Updates, manche Hersteller haben das Problem dadurch behoben, andere wiederum nicht. „Viele wissen gar nicht, dass sie ein Update erhalten haben, weil dieses wurde im Zuge eines Fahrzeug-Services aufgespielt. Bei VW-Modellen mit den Motoren EA189 wurde das Thermofenster belassen“, weiß Poduschka.
Wie viele Fahrzeuge sind in Österreich von illegalen Thermofenstern betroffen?
„Bei VW haben wir schon mehr als 300.000 betroffene Fahrzeuge, insgesamt wird es um mehrere Hunderttausend Fahrzeuge gehen“, sagt Hirmke.
Mit welchem Schaden- ersatz kann ein Käufer eines Fahrzeuges mit illegalem Thermofenster rechnen?
Die Sachverständigen schätzen den Schaden in der Regel auf zehn bis 20 Prozent des Neuwagenpreises. Der Käufer hat in diesem Ausmaß zu viel für das Auto bezahlt.
Wie hoch ist der Schadenersatz, wenn man das betroffene Fahrzeug schon jahrelang gefahren ist?
Wenn man das Fahrzeug an den Hersteller zurückgeben will, muss man sich ein so genanntes Nutzungsentgelt anrechnen lassen. Die Höhe des Rückabwicklungspreises müssen die nationalen Gerichte entscheiden. Der EuGH legt sich nicht genau fest. Nur so viel: Die Entschädigung muss „angemessen“ sein.
Kommt es durch das EuGH-Urteil zu einer neuen Klagewelle?
Es ist eine große Anzahl von Fahrzeugen der verschiedenen Hersteller nun zusätzlich betroffen. „Ich rechne mit einer Klagewelle gegen Hersteller, die bisher noch nicht so stark im Fokus standen“, sagt Anwalt Poduschka.
Kann ich mich jetzt einer Massenklage noch anschließen?
Laut VKI-Jurist Hirmke haben Autobesitzer nunmehr drei Jahre Zeit, Klagen gegen die Hersteller einzubringen.
Was sagt Mercedes zum EuGH-Urteil?
„Mercedes-Fahrzeuge können nach entsprechenden Software-Updates dauerhaft weiter uneingeschränkt genutzt werden“, so Mercedes. Wie nationale Gerichte nun entscheiden, bleibe aber abzuwarten.