Energiewende "mit einem Fuß auf der Bremse"?
Von Martin Meyrath
Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) soll den Ökostromausbau im Zuge des europäischen Green Deal ermöglichen. Die österreichische Strombranche hofft, dass es bald in Kraft tritt, erklärt Verbund-Chef Michael Strugl, der auch Präsident der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft ist.
Im EAG wird unter anderem das Förderregime für die verschiedenen erneuerbaren Energieträger festgelegt. Um ihre Investitionen planen und umsetzen zu können, müssen die Unternehmen in der Energiebranche wissen, welche Investitionen sich für sie rechnen. Das Gesetz hat den Ministerrat passiert, da es aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, ist die Zustimmung im Nationalrat nicht automatisch gegeben.
Einen Beschluss vor dem Sommer hält Strugl "bei gutem Willen" für "durchaus realistisch", er hofft allerdings noch auf einige Änderungen im Zuge des parlamentarischen Prozesses.
So sieht der Entwurf zusätzliche ökologische Kriterien bei der Wasserkraft vor. Dass diese auch bei Revitalisierungen gelten, bei denen also bestehende Anlagen effizienter gemacht werden, kann Strugl "überhaupt nicht verstehen".
Auch an den geplanten Abschlägen der Förderbeträge bei Freiflächen-Fotovoltaik übt der Branchenvertreter Kritik. Die Nutzung von Freiflächen werde notwendig sein, um das Ausbauziel von elf Terawattstunden (TWh) aus Sonnenenergie zu erreichen, so Strugl. Hier stehe „die Politik mit einem Fuß auf dem Gaspedal, mit dem anderen auf der Bremse“.
Bei der Regelung für die Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften (EEG) sieht der Branchenvertreter mehrere Probleme. Zwar sei es ein "richtiger Ansatz, die Betroffenen zu beteiligen", bei der Integration ins bestehende Stromnetz gebe es aber Komplikationen. Strugl fordert deswegen Übergangsfristen. Bei kleineren Anlagen könnten diese drei bis sechs Monate, bei größeren bis zu zwei Jahre dauern.
Geht es nach Strugl, sollten EEG außerdem keine eigenen Stromnetze betreiben dürfen, denn "Netze sind kritische Infrastruktur". Hier dürfe es keinen Wettbewerb auf Kosten der Sicherheit geben. Außerdem würde der Aufbau von Parallelstrukturen insgesamt teurer kommen.
Drittens wären die im aktuellen Entwurf niedrig veranschlagten Netzzutrittspauschalen für EEG zwar erfeulich für die Betreiber, aber die Kosten würden effektiv auf die Allgemeinheit der Stromkunden abgewälzt. Das könne politisch gewünscht sein, aber „man muss dann auch dazu stehen“, so Strugl.
Fehlende Regelungen
Bei der Frage ob die kommerzielle Nutzung von grünem Wasserstoff (d.h. gewonnen mit Ökostrom) bis 2030 realistisch ist, "gehen die Expertenmeinungen auseinander", so Strugl. Vor 2030 werde es aber voraussichtlich nicht gelingen. In einer frühen Phase müsse es deswegen Förderungen geben, damit sich eine Wasserstoffwirtschaft entwickeln kann. Zur Markttauglichkeit hofft Strugl auf Skaleneffekte. Das EAG beinhaltet einige Punkte zum Thema Wasserstoff, eine kohärente Strategie ist aber noch ausständig.
Beim Energieeffizienzgesetz (EnEffG) ist Österreich in Verzug, denn eine entsprechende EU-Richtlinie von 2018 sollte bereits umgesetzt sein. Demnach muss Österreich beim Energieverbrauch bis 2030 jährlich 0,8 Prozent einsparen. Die größten Potenziale sieht Strugl in den Bereichen Mobilität sowie Heizen und Gebäude. Derzeit beträgt der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrsbereich knapp zehn Prozent, bei Wärme sind es 30 Prozent.
Drei große Trends
Bei der Energiewende insgesamt sieht Strugl drei große Trends. Neben der Dekarbonisierung der Stromerzeugung, soll es zu einer Dezentralisierung der Versorgung kommen. Es wird in Zukunft also mehr, kleinere Einheiten geben. Drittens werde die Abkehr von fossilen Kraftstoffen durch die Digitalisierung, also den Einsatz neuer Technologien, ermöglicht.
Da die wirtschaftliche Leistbarkeit und die Versorgungssicherheit dabei durchgehend gegeben sein müssen, beschreibt Strugl die Reformierung als „eine Operation am offenen Herzen“.