Wirtschaft

Handelskrieg: Trump gegen den Rest der Welt

Ist der US-Präsident überhaupt an einer Lösung des Handelsstreits interessiert? Oder sind die Strafzölle für Donald Trump, der sich gern als „Tariff Man“, als Freund der Zölle, bezeichnet, zum Selbstzweck geworden? Das ist der sorgenvolle Eindruck, der sich unter Wirtschaftsvertretern breitmacht.

Zu Beginn der Amtszeit Anfang 2017 war die Wahrnehmung anders. Das Arsenal an Handelshürden sei kein Signal, dass die USA sich abschotten wollten, versicherten Berater. Im Gegenteil: Die drastischen Mittel sollten helfen, weltweit freien und fairen Handel zu erzwingen.

Vereint gegen China

Einigen der Ziele konnten die Europäer viel abgewinnen. Etwa, dass China mehr für fairen Wettbewerb tun müsse. Dass die Asiaten nicht länger Waren und Bauarbeiter rund um den Globus schicken könnten und zugleich den eigenen Markt für ausländische Firmen abschotten. Dass China nicht mehr Know-how und Patente von westlichen Firmen absaugen und seinen Staatsfirmen mit hohen Subventionen unlautere Vorteile verschaffen könne.

Wenn die Revolverhelden-Taktik der Amerikaner da mehr Erfolg versprechen sollte als das gute Zureden der Europäer, dem die Chinesen selten Taten folgen ließen: Warum nicht?

Mittlerweile reiben sich viele verwundert die Augen. Denn es blieb nicht bei der Androhung. Trump hat die US-Zolltarife auf ein Niveau gehoben, dass man seit den 1980er-Jahren nicht kannte.

Von der Waschmaschine bis zum Flugzeug

Schwierig, da den Überblick zu bewahren: Die USA heben Strafzölle auf Waschmaschinen, Solarpaneele, auf Alu und Stahl (auch aus der EU) und auf viele chinesische Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar ein. Dazu kommen bei der Welthandelsorganisation angekündigte Zölle auf EU-Waren wegen des Boeing-Airbus-Streits.

Das Problem: Die US-Regierung legt beim Drohen und Verfassen von Zoll-Listen weit mehr Verve an den Tag als in der oft mühseligen Paragrafenklauberei von Handelsdeals. Deshalb ist seit dem Handschlag von EU-Kommissionschef Juncker mit Trump im Juli 2018 in Washington so gut wie nichts weitergegangen.

Die jüngste US-Wendung ist ebenfalls ein vergiftetes Zugeständnis, eine kaum verhüllte Erpressung: Trump will demnächst ankündigen, dass die von der EU und Japan gefürchteten Zölle auf Autos und Autoteile 180 Tage ausgesetzt werden. Das verhalf den Börsenkursen am Mittwochabend spontan zu einem Kurssprung.

Pekings Muskelspiele

Was dabei unterging: Das Offert ist an fast unerfüllbare Bedingungen geknüpft. Binnen 180 Tagen sollen die EU und Japan Handelsdeals mit den USA abschließen. Oder ihre Autoexporte freiwillig drosseln. Einen Pakt in sechs Monaten finalisieren, wo die EU-Kommission wegen der Wahl Ende Mai monatelang außer Gefecht ist – praktisch ein Ding der Unmöglichkeit.

Was die Europäer im Moment schützt ist die zweite, noch massivere Front der USA. Trump wirft dem Telekomkonzern Huawei vor, dem chinesischen Staat Spionage zu ermöglichen und verbietet es ab sofort US-Firmen, Geschäfte mit Huawei zu machen.

Die Chinesen als Kreditgeber der USA lassen auch die Muskeln spielen: Seit Monaten verkaufen sie amerikanische Staatsanleihen um Dutzende Milliarden Dollar. Was noch nicht bedrohlich ist, aber signalisieren soll: Auch wir können euch wehtun.

Hendlsteuer auf Autos

Ökonomisch ist Trumps Faible für Zölle nicht zu erklären, deshalb wird es psychologisch versucht. „Da kommt viel zusammen“, sagte Professorin Jennifer Miller (Dartmouth College) zur New York Times: „Seine Obsession zu gewinnen, Härte zu zeigen, Präsidentenmacht auszuüben. Und Grenzen zu schließen. Zölle ermöglichen das.“

Die Zeche zahlen großteils die US-Bürger. Wenn Trump tatsächlich alle China-Importe mit Strafzöllen belegt, kostet das jeden Haushalt 2.000 Dollar pro Jahr, berechnete Ökonom Gary Hufbauer. Er warnt, dass es wegen des Drucks der Lobbyisten schwierig sei, einmal eingeführte Zölle abzuschaffen. So wurden die 25 Prozent Strafzoll, die die USA auf Pick-up-Trucks einheben, wegen eines Streits mit der EU über Hühner-Importe verhängt. Das war 1964– die Zölle gelten bis heute.

Deutsche Autobauer im Fokus

 Einige europäische Autobauer sind in den USA mit Produktionsstätten vertreten: neben VW, BMW und Daimler findet sich Volvo (siehe Grafik). Strafzölle auf importierte Autos würden sich bei diesen Produzenten mildernd auswirken – ebenso bei jenen, die in Mexiko Fahrzeuge fertigen: Diese Auto-Importe würden nicht unter Sanktionen fallen.
Im Vorjahr haben die deutschen  Firmen 842.525 Neuwagen in die USA importiert, abzüglich der Importe aus Mexiko bleiben 667.000 Autos übrig.

„Das wird einen nicht aus der Bahn werfen, aber kann weh tun“, sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zum KURIER. Die deutschen Hersteller müssten bei Preisen je Wagen zwischen 40.000 und 80.000 Euro rund 8,1 Mrd. Dollar an Zöllen zahlen. Zu diesem Negativszenario käme es aber kaum. „Man sollte davon ausgehen, dass die deutschen Autobauer in Zukunft aus China Autos in die USA exportieren, wenn ein China-Abkommen bei Trump zustande kommt.“  Da etwa BMW 5er- und E-Klassen in China gefertigt werden, dürfte sich die Zahlen deutlich nach unten bewegen und vielleicht noch bei rund 350.000 liegen.

Porsche, nicht Mustang

Komme kein China-Deal zustande, werde Trump  keinen Zollkrieg mit Europa wagen. „Er setzt Zölle derzeit aus, weil er sich vor dem gleichzeitigen Krieg gegen alle fürchtet.“ Hinzu komme, dass bei US-Zöllen vermutlich Porsche den Macan in Mexiko bei Audi bauen würde. „Wir liegen dann bei 300.000 Fahrzeugen, also weniger als der Hälfte des Negativszenarios.“

Dudenhöffer glaubt nicht, dass Trumps Plan aufgeht. „Ein Porsche-911-Turbo- Käufer in USA würde sich wegen der Zölle sicher keinen Ford Mustang kaufen.“ Im Luxus- und Premiumsegment würden die Zölle einfach „draufgeschlagen“, die Amerikaner müssten sie bezahlen. Im mittleren und unteren Bereich würden die Hersteller einen Teil schlucken, da sei der Wettbewerb größer. Im ersten Jahr würden die Zölle deutsche Autobauer rund 2,5 Mrd. Euro kosten. Der Betrag werde danach durch Produktionsanpassungen sinken.

Tesla in Schwierigkeiten

Europas Reaktion wäre ähnlich wie bei Harley-Davidson. Tesla würde extrem bestraft und könnte ernste Schwierigkeiten bekommen: Europa steht für ein Drittel der globalen Tesla-Verkäufe. Ähnliches könne man sich bei Apple und Smartphones vorstellen.  „Der Schaden für die USA wäre um ein Vielfaches höher.“

Die US-Idee, dass ausländische Hersteller ihre Exporte freiwillig drosseln, ist übrigens nicht neu: Als billige Hondas und Toyotas  der US-Autoindustrie zu schaffen machten, verpflichtete Reagan Japan zu einer Obergrenze von 1,68 Millionen Autos pro Jahr. Das galt von 1981 bis 1994 – und führte dazu, dass die Japaner Autowerke in den USA bauten  und teurere Luxusmarken (Acura, Lexus, Infiniti) schufen.

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