Codecool: IT-Ausbildung neu programmiert
Von Anita Staudacher
Fragt man Firmenchefs, wie es ihnen bei der Suche nach IT-Kräften geht, herrscht kollektives Jammern: Der Markt sei völlig leer gefegt, Job-Inserate inzwischen sinnlos, nur noch Abwerben oder rasch Umschulen helfe. „Wir haben heuer schon 80 IT-ler aufgenommen und könnten noch einmal so viele einstellen“, berichtet etwa Johannes Litschauer, Chef des IT-Integrators Ebcont Group.
„Wir suchen quasi ständig Leute, die in drei bis zwölf Monaten einsatzbereit sind, in dieser Zeit ist es aber nicht möglich, jemanden zu finden“, ergänzt Christian Pfundner, IT-Verantwortlicher bei Schrack Technik in Wien. Am Einkommen kann es nicht liegen. Für Software-Entwickler werden Einstiegsgehälter zwischen 3.000 und 3.500 Euro brutto geboten, besser Qualifizierte können mit 5.000 Euro rechnen, wird in der Branche versichert.
Die Wirtschaftskammer schätzte zuletzt, dass in Österreich rund 24.000 IT-Fachkräfte fehlen, ein großer Teil davon Entwickler.
Neue Rekrutierungsideen
Der enorme Personalbedarf sorgt für neue Rekrutierungsideen. Weil traditionelle akademische Aus- und Weiterbildungsangebote sowie AMS-Schulungen die Nachfrage nicht (rechtzeitig) decken können, springen private Personaldienstleister in die Bresche. So brachte das bereits in vier Ländern tätige ungarische Start-up Codecool kürzlich ein völlig neues, aus den USA importiertes Konzept nach Wien.
Jobwechsler werden mit einer praxisnahen, einjährigen Programmierer-Ausbildung samt anschließender Jobgarantie angeworben. Unternehmen, die zeitnah Software-Entwickler benötigen, können wiederum die Rekrutierung und Umschulung an Codecool auslagern. Der Schulungsanbieter ist also zugleich Personalvermittler und will in Österreich auch als Arbeitskräfteüberlasser tätig werden.
Die einjährige, zum Teil im eLearning angebotene Ausbildung zum Junior Developer ist kein Frontalunterricht. Die Inhalte werden, begleitet von Mentoren, anhand von Praxisbeispielen selbst erlernt. „Nach der Ausbildung beherrschen unsere Absolventen die gefragtesten Programmiersprachen und können selbstständig Projekte umsetzen. Und sie haben das Rüstzeug, sich selbst weiterzuentwickeln“, sagt Sigrid Hantusch-Taferner, Österreich-Chefin von Codecool.
Frauen-Stipendien
Die Ausbildung kostet 10.000 Euro, wobei unterschiedliche Zahlungsoptionen angeboten werden. Für IT-interessierte Frauen, die eine neue Karriere starten möchten, gibt es Ausbildungs-Stipendien. „Umfragen zeigen, dass 15.000 bis 20.000 Frauen in die IT wechseln wollen, die wollen wir erreichen“, sagt Hantusch-Taferner. Ziel sind 300 Absolventen pro Jahr in Wien, erste Firmenkunden gebe es bereits, darunter Raiffeisen. Kursbeginn am Campus in Wien ist im Oktober, die Einführungskurse beginnen am 30. August. Nähere Infos finden Sie hier
Expansionskurs
Das 2015 gegründete Ed-Tech-Start-up bildete bereits 1.200 Programmierer aus, die auch länderübergreifend vermittelt werden. Es gibt inzwischen mehr als 200 Unternehmenspartner. Wien, wo derzeit 7 Mitarbeiter beschäftigt sind, ist Headquarter für den DACH-Raum. Für die Expansion stehen 7 Mio. Euro zur Verfügung.
„Ich finde das Konzept spannend, weil es sich fast wie die duale Ausbildung am Markt orientiert und daher sehr praxisnahe ist“, meint Peter Lieber, Präsident des Verbandes der Österreichischen Softwareindustrie (VÖSI). Ob die „Amerikanisierung der Tech-Ausbildung“ auch in Österreich funktioniere, bleibe abzuwarten. Lieber gibt zu Bedenken, dass die Drop-Out-Rate bei IT-Schulungen sehr hoch ist. „Und um richtig programmieren zu können, braucht man in der Regel zwei bis drei Jahre.“