Biomethan: Heizen und Tanken mit Mist
Von Martin Meyrath
Etwa eine halbe Stunde außerhalb von Wien, im Bezirk Bruck/Leitha, stehen fünf weiße Kuppeln in der Landschaft. Auf dem Betriebsgelände fahren Traktoren und Kipplader, es riecht nach Biomist. Bäuerlich ist hier, bei der Energieversorgung Margareten am Moos (EVM), allerdings nur der Rohstoff.
Die Anlage verwertet landwirtschaftliche Abfälle zur Gewinnung von Gas. Nach der Erntesaison im Herbst ist das Lager voll mit Ausschuss aus der Feldwirtschaft und Stallmist. Jährlich werden davon etwa 65.000 Tonnen verarbeitet. Der Rohstoff wird zerkleinert und mit Gülle gemischt in die Fermenter (unter den Kuppeln, Anm.) gepumpt. Dort wird er auf 43 Grad erwärmt, beständig gerührt und „die Bakterien machen dann den Rest“, erklärt Betriebsleiter Michael Jungbauer.
Das Rohgas, das bei diesem Vergärungsprozess aufsteigt, wird anschließend gereinigt und zu Methan aufbereitet. Das dabei abgespaltene liefert EVM an ein nahe angesiedeltes Glashaus, wo es Paradeiserpflanzen für die Fotosynthese brauchen. Und auch der Gärrest wird verwertet. Da die Nährstoffe in der Biomasse bei der Gasgewinnung erhalten bleiben, kann er als Dünger benützt werden.
Gas, Strom und Wärme
Insgesamt hat die Anlage fünf Fermenter, die größeren davon mit 36 Meter Durchmesser, die kleineren mit 23 Meter. Für beliebig skalierbar hält Jungbauer die Methode nicht. Größere Gärkessel hätten einen erheblichen Energieaufwand beim Bewegen der Masse. Außerdem wäre es ökologisch widersinnig, weite Transportwege für Feldabfälle, Gülle und Dünger in Kauf zu nehmen.
Pro Jahr speist die Anlage der EVM 3,5 Millionen Kubikmeter Biomethan ins Gasnetz ein. Das entspricht einer Leistung von 37 Gigawattstunden. Außerdem betreibt das Unternehmen am Rand des Betriebsgeländes eine Gastankstelle für Autos. Chemisch gleicht Biomethan dem sogenannten Erdgas. Im Gegensatz zu diesem gilt es aber als klimaneutral, denn bei der Verbrennung wird nur freigesetzt, das die Pflanzen im Zuge ihres Wachstums aus der Atmosphäre gebunden haben.
Etwa ein Viertel des Rohgases verwertet EVM nicht zur Gewinnung von Methan, sondern direkt zu Strom und Wärme. Neben der benötigten Leistung für die eigene Anlage liefert ein Blockheizkraftwerk Fernwärme an 80 Haushalte. Der Überschuss geht zusammen mit dem an die Glashäuser. Die elektrische Energie wird zum Ökostromtarif ins Netz eingespeist. Die Verstromung von Biogas ist zwar teurer als die Gewinnung von Elektrizität aus Wind oder Fotovoltaik, dafür funktioniert sie unabhängig von Wetter, Tages- und Jahreszeiten. Der Vergärungsprozess läuft durchgehend und kann nicht per Knopfdruck pausiert werden.
Ausbauziele
Die EVM wurde 2005 als bäuerliche Genossenschaft gegründet. Im Jahr 2010 übernahm sie der Wiener Wirtschaftstreuhänder Stefan Malaschofsky, der den Ausbau zur heutigen Größe in die Wege leitete.
Die Aussichten schienen günstig: Die damalige Regierung gab das Ziel aus, dass im Österreich des Jahres 2020 200.000 Gasautos fahren sollten. Geworden sind es, inklusive Klein-Lkw, allerdings nur knapp 11.000. Malaschofsky ist dennoch überzeugt, dass Methan in der Mobilität eine wichtige Rolle spielen könnte, insbesondere im Schwerverkehr.
Das Geschäft mit dem Biogas hat allerdings ein einfaches Problem: Fossiles Gas ist billiger. Malaschofsky erhofft sich deswegen Hilfe von der Politik. Ein möglicher Ansatz wäre eine Beimischungsverpflichtung für Biomethan, wie sie es auch beim Biodiesel gibt. Allerdings könne so eine Quotenregelung dazu führen, dass Gasanbieter Biomethan am internationalen Markt zukaufen. Lieber wäre ihm deswegen ein Marktprämienmodell wie beim Ökostrom. Das würde Investitionsanreize schaffen und regionale Wirtschaftskreisläufe stärken, meint Malaschofsky.
Derzeit werden in Österreich jährlich 100 TWh Gas verbraucht, über 900.000 Haushalte heizen damit. Das aktuelle Ausbauziel für Biogas sind 5 TWh bis 2030. Dafür wären etwa 100 Anlagen in der Größenordnung der EVM nötig. Bislang gibt es in ganz Österreich vier.