Edtstadler zur 41-Stunden-Woche: "Müssen eher mehr, als weniger arbeiten"
Die Industrie ist noch in einer Rezession und die positive Aussicht für den Herbst läuft auch nur auf eine Stagnation hinaus, zeigt der Konjunkturbarometer für das erste Quartal 2024.
Die Industrie fordert nun als Gegengewicht zu Debatten über eine Arbeitszeitverkürzung eine Verlängerung auf 41 Wochenstunden. Sorgen bereitet ein möglicher Gasmangel, falls zum Jahresende der Gastransit durch die Ukraine endet. Ein "Belastungsbarometer" soll Bürokratiekosten transparent machen.
"Unzahl an Feiertagen"
Wohlstand entstehe nur durch Leistung und in Österreich sei die Arbeitszeit pro Beschäftigtem in den vergangenen Jahren schon stark zurückgegangen, argumentierte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer am Montag vor Journalisten. "Verstehen Sie es bitte auch als bewusstes Signal", so Neumayer zu seinem Vorschlag einer Arbeitszeitverlängerung.
Grundsätzlich wollten die Unternehmen den Schritt ohne Lohnausgleich, Details müssten aber in KV-Verhandlungen besprochen werden. Auch die "Unzahl an Feiertagen" in Österreich wäre dabei zu diskutieren, sagte Neumayer.
Edtstadler offen für Industrie-Anliegen
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat sich am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz offen für den Wunsch der Industrie nach einer Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden die Woche gezeigt. "Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir mehr als weniger arbeiten", meinte sie. Mit "linken Träumen" einer Arbeitszeitverkürzung "wird es sich nicht ausgehen". "Eher mehr als weniger wird notwendig sein", sagte Edtstadler im Haus der Industrie.
Des Weiteren meinte Edtstadler heute, die "hohen Lohnabschlüsse" seien eine Herausforderung. Es gehe darum die Wirtschaft nicht noch weiter zu belasten, daher habe sie auch den nationalen Klimaplan ihrer Kollegin Leonore Gewessler (Grüne) zurückgezogen, da dieser nicht abgestimmt gewesen sei und einseitige Maßnahmen enthalten habe, die teilweise nicht im Interesse Österreichs gewesen wären.
Grundsätzlich müsse mehr gearbeitet werden, um den Wohlstand zu erhalten, argumentieren die Vertreter der Industrie. Der Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), Christian Helmenstein, wies in dem gemeinsamen Pressegespräch darauf hin, dass vielen jungen Menschen nicht bewusst sei, dass eine Verringerung der Arbeitszeit auf 80 Prozent über das Berufsleben zu 400.000 Euro weniger Einkommen führen könne - "das ist nicht ein Mittelklassewagen, das sind ein bis zwei Wohnungen".
Ein großes Anliegen sind der Industrie Verhandlungen auf politischer Ebene über die Möglichkeit, auch nach dem Jahreswechsel russisches Gas über die Ukraine nach Österreich zu bringen. Der aktuelle Vertrag zwischen der Ukraine und Russland läuft aus, die Ukraine hat öffentlich verkündet, den Gashahn zudrehen zu wollen.
In informellen Gesprächen mit dem ukrainischen Energieminister zeigten sich aber Optionen, dass die Lieferungen weiterlaufen könnten, sagte Neumayer. Die Ukraine wie auch Russland hätten daran finanzielles Interesse. Dafür müsste sich aber die heimische Politik für eine politische Lösung einsetzen. Ohne russisches Gas drohten massiv steigende Gaspreise und Inflation sowie ein Rückgang der Wirtschaftsleistung, erwartet die IV.
"Bürokratie-Tsunami"
Ein anderer Kostentreiber ist aus Sicht der IV der "Bürokratie-Tsunami", wie es Neumayer nannte, der über die Unternehmen schwappe. Er habe teils in EU-Regelungen und teils in österreichischen Vorgaben seinen Ursprung. Im Laufe des Jahres soll ein "Belastungsbarometer" entwickelt werden, der konkrete Kosten der Bürokratie benennen soll. In Kürze sollen auch Vorschläge gemacht werden, wie die Berichtspflichten der Unternehmen um ein Viertel gesenkt werden könnten - entsprechende Veränderungen hatte die EU-Kommission in Aussicht gestellt.
Die Forderungen der Industrie kommen vor einer weiter laufenden Rezession, also Schrumpfung, des Sektors. Auch "die Aussichten sind überwiegend von Schatten geprägt", so Helmenstein. Die Industrie rechnet im Moment nicht mit Wachstum, lediglich eine Stagnation ist ab Herbst ein "zarter Silberstreifen am Horizont", so Neumayer.
Auslöser für die etwas verbesserten Aussichten sei ein Anstieg bei den Auslandsaufträgen, führte Helmenstein aus. Auch die leichte Abwertung des Euro - um drei Prozent in einem Jahr - habe entlastend gewirkt. Die inländische Konjunktur sei aber noch extrem schwach beim Auftragseingang. In Summe werde die Industrie-Beschäftigung in den nächsten drei Monaten noch deutlich zurückgehen.
Aus Sicht von FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger tragen "ÖVP und Grüne für diese schon sehr lange andauernde Talfahrt der österreichischen Wirtschaft die volle Verantwortung, weil diese Koalition einfach nicht in der Lage ist, wirtschaftspolitische Maßnahmen mit Weitblick zu setzen". Die Unternehmen würden unter fehlender Planbarkeit, hohen Energiekosten und Bürokratie leiden.
Kritik am Vorschlag einer längeren Arbeitszeit ohne Lohnausgleich kam von der Gewerkschaft und der SPÖ. Das sei ein "Affront gegenüber den Arbeitnehmer:innen, die durch ihre Leistungsbereitschaft unser Land zu einem der reichsten Europas gemacht haben", schreibt GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einer Aussendung. Gerecht wäre aus ihrer Sicht eine kürzere Arbeitszeit.
Ähnlich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim, der in dem Vorschlag der IV "den nächsten Anschlag auf Arbeitnehmer*innen" sieht. "Schon jetzt" komme "kaum jemand gesund in die Pension". Die Unternehmen hätten stark von der gewachsenen Produktivität der vergangenen Jahrzehnte profitiert, die Arbeitnehmer müssten "auch endlich ein Stück vom Kuchen bekommen". Seltenheim warb entsprechend der Parteilinie für eine weitere Arbeitszeitverkürzung und eine Vier-Tage-Woche.