Sport/Wintersport

Von nackten Tatsachen und traurigen Siegern in Wengen

Anders als in Kitzbühel, wo es mehr Lokale als Barhocker im Schweizer Wengen gibt, scheint am Lauberhorn die Zeit wie stehen geblieben.

Immer noch ist in Wengen Autoverkehr verboten. Immer noch packen selbst Stars mit deren Serviceleuten gemeinsam an, um im 500 Meter tiefer gelegenen Lauterbrunnen ihr Material in die Wengen-Zahnradbahn zu verladen.

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Immer noch sind Reporter (sofern des Skifahrens nicht mächtig) zu einem 20-minütigen Fußmarsch ins Zielgelände gezwungen, weshalb die Radiolegenden Edi Finger Senior und Junior das Lauberhornrennen mieden.

Immer noch werden im für eine Woche zum Medienzentrum umfunktionierten Volksschul-Turnsaal die Berichte über Triumphe und Tragödien verfasst.

Wie 1989, als Marc Girardelli, Pirmin Zurbriggen und Daniel Mahrer zeitgleich mit Streckenrekord (2:25,26) durchs Ziel rasten, nachdem für Armin Assinger das Training auf dem OP-Tisch (Kreuzbandrisse in beiden Knien) geendet hatte.

Wie 1991, als der junge Tiroler Gernot Reinstadler beim ersten (und danach nie mehr wieder ausgetragenen) Qualifikationstraining auf dem Zielhang verblutete.

Wie 2000, als Pepi Strobl die erste Abfahrt im neuen Jahrtausend gewann, obwohl er – entnervt durch das Hum-Ta-Ta einer Fan-Kapelle direkt unter seinem Zimmer – die Nacht auf einer Matratze im fensterlosen Hotelgang verbracht hatte.

In die NY Times

Wie 2007, als Rainer Schönfelder, eine Wette mit seinem Masseur einlösend, splitternackt („Ich hatte eh Handschuhe an“) bei 14 Plusgraden den Firnhang zum Wixi-Lift runterschwang, worauf es der Kärntner per Foto in die New York Times schaffte, was ihm mit seinen fünf Weltcupsiegen nie gelang.

Wie über den Pitztaler Benjamin Raich, der nach seinen fünf Lauberhorn-Erfolgen stets bei der am Zielhaus in Erinnerung an Gernot Reinstadler angebrachten Tafel eine Gedenkminute für sein einstiges Pitztaler Jugendvorbild abhielt.

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Wie im Vorjahr über Vincent Kriechmayr, der drei Tage nach überstandener Covid-Infektion (mit umstrittener Sondererlaubnis der FIS) auf der längsten Abfahrt den längsten Atem hatte. Und der jetzt, ein Jahr später, dem Schweizer Blick-Ski-Reporter Marcel Perren gestand, dass er sich nach dem Sieg unendlich traurig gefühlt habe, weil ihn Schweizer Zuschauer ausgepfiffen hatten.

Aktuell erntete Kriechmayr für den undankbaren vierten Super-G-Rang ausnahmslos eidgenössischen Applaus.