Sport/Wintersport

Der gelähmte Skispringer Lukas Müller kämpft gegen den ÖSV

Es war am 13. Jänner 2016, als sich das Leben von Lukas Müller von einer Sekunde auf die andere verändert. Der Juniorenweltmeister von 2009 ist bei der Skiflug-WM am Kulm als Vorspringer im Einsatz. Dabei kommt er so unglücklich zu Sturz, dass er einen inkompletten Querschnitt erleidet und seither im Rollstuhl sitzt.

Lukas Müller meistert sein Schicksal vorbildhaft, er hat seinen schweren Unfall so gut es geht verarbeitet. Die juridische Aufarbeitung des 13. Jänner 2016 ist hingegen noch immer nicht abgeschlossen und beschäftigt die Gerichte. Auf der einen Seite steht das Unfallopfer Müller, auf der anderen der allmächtige ÖSV, der mit einer seiner Tochtergesellschaften für die Durchführung der Skiflug-WM verantwortlich zeichnete.

Zentrale Frage

Die zentrale Frage in diesem Rechtsstreit, der schon wenige Monate nach dem Sturz seinen Anfang nahm: In welchem Dienstverhältnis standen Müller und seine Vorspringer-Kollegen eigentlich zum Veranstalter (ÖSV)?

Die Beurteilung darüber wird entscheidend sein, ob der Sturz als Arbeitsunfall oder eventuell doch als Freizeitunfall bewertet wird.

In einem ersten Bescheid war die Kärntner Gebietskrankenkasse zum Schluss gekommen, dass zwischen Müller und dem ÖSV ein Dienstverhältnis bestanden haben müsse. Der ÖSV erhob Einspruch und beantragte beim Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung. Nach Ansicht des Skiverbandes sei   der Vorspringer hingegen während der WM lediglich als sogenannter  „Neuer Selbstständiger“ tätig gewesen.

Am 17. Oktober 2018 hielt Lukas Müller dann das für ihn niederschmetternde Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Händen: Dem Einspruch des ÖSV wurde stattgegeben, es herrscht die Ansicht, dass der Villacher in seiner Funktion als Vorspringer keinem Dienstverhältnis unterlegen gewesen wäre. „Ich dachte, das darf nicht wahr sein.“

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In Revision

Der Kärntner hat sich nun zusammen mit seinem Innsbrucker Rechtsanwalt Andreas Ermacora dazu entschlossen, in Revision zu gehen. Bei ihrer Argumentation berufen sie sich unter anderem auf die Aufgaben der Vorspringer, die auch in der FIS-Wettkampfordnung unter dem Punkt 454.3 niedergeschrieben sind. Demnach sind bei Skifliegen zumindest zwölf Vorspringer zwingend vorgesehen, um einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu garantieren. Die Verantwortung dafür trägt der Organisator. Im Fall von Müller also der ÖSV.

Zwar haben Müller und seine Vorspringer-Kollegen keine schriftliche Vereinbarung mit dem Verband getroffen, sie wurden für ihre Tätigkeit bei der Skiflug-WM aber bezahlt. Pro Tag gab es 100 Euro,  Müller erhielt für seinen Einsatz am Kulm sogar 600 Euro. Das ist deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze, die 2016 noch 415,72 Euro im Monat betragen hatte.

Keine Jux

Für Müllers Anwalt Andreas Ermacora spricht nicht nur die Höhe der Bezahlung dafür, dass der Villacher als Vorspringer in einem Dienstverhältnis zum Verband gestanden ist. „Er war ja außerdem nicht aus Jux und Tollerei bei der WM, sondern in einer verantwortungsvollen Funktion als Vorspringer, ohne die eine Veranstaltung gar nicht durchgeführt werden könnte. Damit ist die Freiwilligkeit nicht gegeben“, argumentiert der Jurist.

"Auch die Betriebsmittel wurden ihm in Form der präparierten Schanze zur Verfügung gestellt", erläutert Ermacora und verweist auf die offiziellen Startnummern, die Müller und seine Kollegen am Kulm trugen. "Er hat also für diese Veranstaltung auch geworben."

Im 67-seitigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird unter anderem auch angeführt, dass Müller freiwillig als Vorspringer im Einsatz gewesen sei. Er hätte demnach jederzeit einen Rückzieher machen und auf einen Sprung verzichten können. „Das wäre sicher nicht ohne Konsequenzen geblieben“, hält dem Müller entgegen. „Es geht ja darum: Wir Vorspringer sehen eine Verpflichtung zu springen, wenn wir sollen. Wir springen nicht, weil wir wollen, sondern weil wir auf Abruf bereit stehen. Ich könnte niemals selbst hergehen und auf eigene Faust springen. Da muss jemand grünes Licht geben.“

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Richtungsweisend

Für Lukas Müllers persönliche Zukunft ist die Bewertung des Arbeitsverhältnisses entscheidend. Sollte ein Dienstverhältnis bestanden haben, dann handelt es sich um einen Arbeitsunfall und der Kärntner wäre ein Fall für die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Dann bekäme er als Querschnittgelähmter lebenslang eine Rente und Zuschüsse bei Therapien, Medikamenten oder auch beim Kauf eines neues Rollstuhls. „Du wirst dort so versorgt, dass du dich wieder ins Arbeitsleben integrieren könntest.“

Sollte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt werden, dann wird der Sturz als Freizeitunfall eingestuft – und Müller würde zwangsläufig deutlich schlechter dastehen.

Der ÖSV gab sich auf Anfrage zugeknöpft. „Zu schwebenden Verfahren können wir uns nicht äußern“, sagte Präsident Peter Schröcksnadel dem KURIER. „Aber was immer das Gericht entscheidet, es wird richtig sein.“

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