Von 0 auf 100 in 16 Jahren: Der steile Aufstieg des Sportkletterns
Von Christoph Geiler
Jakob Schubert ist jetzt als Sportkletterer an dem Punkt angelangt, an dem er nicht mehr bedingungslos nach allen Trophäen greift. Der 31-Jährige sucht sich mittlerweile nur mehr jene Missionen aus, die ihm wirklich Berge geben. Und diese Glücksgefühle erlebt der Olympiadritte von Tokio und vierfache Weltmeister immer häufiger beim Felsklettern in der Natur.
Dafür lässt der Tiroler auch einmal einen Weltcup links liegen. „Wenn man zu den besten Kletterern der Welt gehören möchte, muss man sich auch am Fels beweisen“, sagt Jakob Schubert. „Ich liebe aber auch nach wie vor den Wettkampf.“
Und wenn der ehrgeizige Innsbrucker dann wie in dieser Woche auch noch in seiner Heimatstadt seine Trittsicherheit und Fingerfertigkeit unter Beweis stellen darf, dann ist er sowieso ganz in seinem Element. Schlag nach bei der Heim-WM 2018, als Jakob Schubert den hohen Erwartungen gerecht wurde und zwei Mal Gold gewann.
Keine vier Jahre ist das erst her, doch mit dem Boomsport Sportklettern ist es seither noch einmal steil bergauf gegangen. Die Olympia-Premiere in Tokio hat die Artisten der Steilwand ins Rampenlicht gerückt und Klettern zu einer weltweiten Massenbewegung gemacht.
Das belegen die 450 Athleten, die zum Weltcup nach Innsbruck gekommen sind, das bestätigen die vielen neuen Kletterhallen, die quer über den Globus eröffnet werden. „Olympia hat dem Sport einen Riesenschub gegeben. Das Klettern boomt vor allem überall als Breitensport“, weiß Kilian Fischhuber.
80.000 Mitglieder
Der heutige Nationaltrainer der Österreicher war hierzulande einer der Pioniere des Sportkletterns. Fischhuber kraxelte zu einer Zeit, als das Klettern noch kein anerkannter Sport war, sondern eine Sektion des Alpenvereins. „Die Leute haben gesagt: Klettern in der Halle, das ist ja nichts G’scheites. Du bist am Anfang belächelt worden“, erinnert sich der 38-jährige Niederösterreicher.
Aber schon damals war der Aufstieg des Sportkletterns nicht mehr aufzuhalten. Kletterwände wurden zunehmend zur Grundausstattung der heimischen Turnhallen, mit der Aufnahme in die Bundessportorganisation machte das Klettern 2006 den nächsten Schritt nach vorne. Mittlerweile zählt der Kletterverband mit 80.000 Mitgliedern zu den größten Sportverbänden des Landes – Tendenz stark steigend.
Dafür reicht ein Blick ins mondäne und moderne Kletterzentrum, das 2017 in Innsbruck eröffnet wurde. 12 Millionen Euro kostete die Anlage, die knapp 200.000 Besucher im Jahr verzeichnet. „Eine Anlage wie diese war früher eine reine Kletter-Science-Fiction-Vision“, sagt Geschäftsführer Reini Scherer.
Ein Ende des Aufwärtstrends ist weit und breit nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Das IOC trägt dem internationalen Kletterboom Rechnung und nimmt für die Sommerspiele 2024 in Paris eine zweite Disziplin ins Programm (Kombination und Speed), 2028 in Los Angeles sind dann bereits Medaillenentscheidungen in allen drei Kletterdisziplinen (Vorstieg, Bouldern, Speed) angedacht.