Polcanovas Doppel-Gold und Dadics Tränen: Die Tops und Flops von München
Von Stefan Berndl
Am Schlusstag der European Championships in München tischte Sofia Polcanova noch eine Goldmedaille auf. Nachdem die 27-jährige Tischtennisspielerin bereits im Doppel (Gold) und im Mixed (Bronze) höchst erfolgreich war, behielt sie auch im Frauen-Einzel die Oberhand.
Nach einer 2:0-Satzführung für Polcanova gab die Deutsche Nina Mittelham im dritten Satz beim Stand von 0:3 wegen einer Schulterverletzung w. o.. „Ich wollte nicht so gewinnen, das tut mir leid“, sagte Polcanova, die als zweite Österreicherin nach Liu Jia (2005) Europameisterin im Einzel wurde.
Nach elf Wettkampftagen und 177 Medaillenentscheidungen endeten am Sonntag die Championships. Die Sammel-EM war das größte Sportevent in der bayerischen Landeshauptstadt seit den Olympischen Spielen 1972. Österreich jubelte schlussendlich über acht Medaillen, vier davon in Gold. Ein Rückblick auf elf Tage Jubel, Trubel und Tränen.
+ Die Zuschauer
Die Organisatoren hatten sich von den European Championships viel erhofft. Was die Zuschauerzahlen angeht, wurden die Erwartungen bei Weitem übertroffen. Deutlich mehr als eine Million Menschen waren bei den Bewerben mit dabei. Und die machten bei allen neun Sportarten ordentlich Stimmung.
Besonders das Olympiastadion wurde bei Auftritten der deutschen Athletinnen und Athleten in einen Hexenkessel verwandelt. Viele der Sportlerinnen und Sportler nutzten auch die freie Zeit, um sich andere Bewerbe anzusehen. So schauten etwa Österreichs Kletterer im Olympiastadion oder auch beim Beachvolleyball vorbei. “Da geht man alleine wegen der Musik und Stimmung hin“, zeigte sich die doppelte Medaillengewinnerin Jessica Pilz begeistert.
- Chaotischer Start
Sport und Musik, die Veranstalter versuchten in München beides miteinander zu verbinden. So wurde neben den Wettkämpfen auch ein eigenes Festival veranstaltet, bei dem etwa Marteria, die Beatsteaks oder auch die Wiener Band Wanda auftraten. Und dieses lockte auch tausende Menschen in den Olympiapark. Zeitweise jedoch zu viele. Gerade bei der Eröffnungsfeier sorgte der große Besucher-Andrang für etwas Chaos und sogar Sperren. Die Organisatoren hatten nicht mit einem derartigen Ansturm gerechnet.
+ Das Wetter
In den letzten Tagen kam dann doch der Regen, das Wetter hatte es mit der Sammel-EM aber grundsätzlich gut gemeint. Vor allem in den ersten Tagen fanden die Besucherinnen und Besucher, aber auch die Sportlerinnen und Sportler perfekte Bedingungen vor. Und selbst, als das Unwetter etwa am Donnerstag-Abend für eine Unterbrechung und Räumung im Olympiastadion sorgte, ließen sich die knapp 30.000 Fans nur kurzzeitig vom Feiern abhalten.
- Kein Blickfang
Es war das größte Multisport-Event in München seit den olympischen Spielen 1972. Ein Event, das den Deutschen auch wieder Lust auf eine Olympia-Bewerbung machen sollte. Doch die heraufbeschworene Größenordnung konnte nicht ganz mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort mithalten. Denn abseits der Austragungsstätten - sei es am Münchner Königsplatz, im Olympiapark oder Olympiastadion - gingen die European Championships im Stadt- und Straßenbild etwas unter.
+ Klettern & Tischtennis
Für das größte sportliche Plus sorgten Österreichs Kletterer und Tischtennis-Asse. An der Kletter-Wand jubelten Jakob Schubert (Gold), Sensations-Europameister Nicolai Uznik sowie Jessica Pilz (Silber und Bronze), auf der Platte bewies Sofia Polcanova einen großen Medaillenhunger. Neben Gold im Doppel und Bronze im Mixed-Bewerb mit Robert Gardos sicherte sie sich am letzten Tag auch den EM-Titel im Einzel. Bronze gab es auch für das Duo Gardos und Daniel Habesohn.
Einen weiteren Erfolg gab es für die rot-weiß-rote Delegation am grünen Tisch: Österreich wird 2024 Schauplatz der Tischtennis-EM, die Endrunde soll vom 15. bis 20.10. in Innsbruck stattfinden .
- Die Leichtathleten
Es war nicht die EM der heimischen Leichtathleten. Diskus-Ass Lukas Weißhaidinger enttäuschte und verpasste wie schon bei der WM eine Medaille. Besonders bitter endeten die Titelkämpfe aber für Siebenkämpferin Ivona Dadic. Die 28-Jährige wurde über die 200 Meter nach zwei vermeintlichen Übertretungen der Laufbahn disqualifiziert, der Protest des ÖLV abgelehnt. Umso größer war danach der Ärger und die Enttäuschung. Dadic vergoss bittere Tränen und richtete einen Appell an die Kampfrichter. Diese sollten „im Zweifelsfall für den Athleten“ entscheiden.
Fazit: Von kleinen Startschwierigkeiten abgesehen erfüllten die European Championships ihren Zweck voll und ganz, der Großteil der Fans und Sportler zeigte sich von dem Event begeistert. Ob diese elf Tage in München auch tatsächlich dazu beigetragen haben, die Lust der Deutschen auf Olympia zu steigern, ist aber fraglich. Eine Sammel-EM von neun Sportverbänden ist nun einmal nur schwer mit der Größenordnung von Olympischen Spielen zu vergleichen, bei denen etwa in Tokio 2021 insgesamt 33 Sportarten vertreten waren.