Sport

Österreichs Fahnenträgerin: "Gänsehaut, Tränen und Schweißausbrüche"

Große Auftritte sind "normalerweise nicht meine Sache", dennoch wird Henriett Koósz am Mittwoch-Abend ein wenig im Mittelpunkt stehen. Und das noch bevor es für die Para-Badmintonspielerin auch sportlich ernst wird. Denn Koósz wird gemeinsam mit Para-Dressurreiter Pepo Puch bei der Eröffnungsfeier der Paralympics in Paris (20 Uhr/live ORF Sport+) die rot-weiß-rote Fahne tragen.

Die Feierlichkeiten werden wie schon bei den Olympischen Spielen wenige Wochen zuvor nicht in einem Stadion, sondern im Herzen der französischen Hauptstadt stattfinden. 4.400 paralympische Athletinnen und Athleten aus 184 Nationen, dazu werden rund 30.000 Zuschauer auf den Tribünen erwartet. Und Henriett Koósz ist mittendrin statt nur dabei.

"Ich habe ein bisschen gebraucht, es zu realisieren", erzählt sie. Und sie brauchte etwas Bedenkzeit, da am Donnerstag bereits das erste Spiel bevorsteht. Die Anfrage zur Fahnenträgerin überforderte sie im ersten Moment etwas: "Zuerst einmal Gänsehaut, Tränen und Schweißausbrüche. Ich wollte dennoch realistisch denken und abwarten, gegen wen ich mein Match bestreiten muss." Nachdem das klar war, folgte auch die Zusage. Dafür wird Koósz aber früher von der Eröffnungsfeier aufbrechen, um genug Schlaf zu bekommen.

Ein Leben im Rollstuhl

Puch ist mit bereits sechs Paralympics-Medaillen (zwei davon in Gold) der erfolgreichste Athlet im 24-köpfigen Aufgebot Österreichs, Koósz war bereits 2012 in London mit dabei. Damals allerdings noch im Rollstuhltennis. 

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Dass die gebürtige Ungarin mittlerweile den Schläger gewechselt hat, ist kein Zufall. Die 44-Jährige hat sportlich schon einiges ausprobiert. 1997 hatte sie einen schweren Verkehrsunfall, wurde in Österreich operiert und ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen. "Ich wusste damals nicht, was eine Querschnittlähmung heißt. Ich wusste nicht, wie das Leben im Rollstuhl aussehen kann, was alles möglich ist."

Sie sei aber "eine starke Person. Ich habe immer mein Ziel vor Augen, nicht nur im Sport." Koósz machte ihre Rehabilitation in Österreich, körperlich, aber auch beruflich. Erst finalisierte sie in Wien ihre Matura, dann startete sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau: "Und dann bin ich gleich hier geblieben."

Recht schnell kam dann auch der Sport ins Spiel. Koósz versuchte sich im Tennis, Reiten oder auch Skifahren. "Es gibt, glaube ich, keine Sportart, die ich nicht ausprobiert habe. Beim Tennis bin ich dann einfach hängen geblieben." Aus dem einstigen Hobby wurde schnell ernst, 2012 in London erlebte sie ihre ersten Paralympischen Spiele. Ein für sie überwältigendes Erlebnis: "Ich konnte mit den ganzen Eindrücken nicht umgehen, musste mich sehr viel zurückziehen.“ Das Abenteuer endete schnell, mit dem Aus in Runde eins.

Schläger-Wechsel

Danach ging es zwar weiter Schlag auf Schlag, aber nicht mehr im Tennis. Koósz wechselte kurzerhand die Sportart. "Das war einfach Zufall, oder Schicksal", meint sie. Als Para-Badminton 2015/2016 erstmals in Österreich vorgestellt wurde, probierten sich auch einige der Tennis-Spielerinnen aus. Und Koósz kam auf den Geschmack: "Am Anfang war es für mich nur ein Ausgleichssport, aber dann wurde es immer mehr." So viel mehr, dass der Tennis-Schläger schließlich beiseite gelegt und für den Badminton-Schläger eingetauscht wurde.

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Der Erfolg sollte sich schnell einstellen. 2016 und 2018 gab es EM-Bronze, 2022 bei der WM in Tokio Platz drei sowohl im Einzel als auch Doppel. Die Paralympics sind für Koósz das "größte Sport-Event der Welt. Da sind nur die besten Athletinnen dabei." 

Schwere Gegnerinnen

Das große Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen. Dazu gilt es in ihrer Dreiergruppe einen der ersten beiden Plätze zu belegen. Am Donnerstag (16 Uhr) wartet das Auftaktspiel gegen die Koreanerin Hyanuh Kwon, am Freitag gilt es gegen die belgische Europameisterin Man-Kei To zu bestehen. Gegen Beide konnte Koósz bis dato noch nie gewinnen. Diese Negativ-Serie will die 44-Jährige in Paris allerdings brechen.

Und wie geht es dann nach Paris weiter? Folgt vielleicht sogar ein erneuter Sport-Wechsel? "Vielleicht ja zu den Paralympischen Winterspielen?", schmunzelt das Para-Badminton-Ass: "Es ist für mich unglaublich, dass ich es mit einer zweiten Sportart geschafft habe, mich zu qualifizieren. Ich fokussiere mich jetzt einmal auf Badminton und dann schauen wir weiter." 

Hinweis: Die Pressereise zu den Paralympics erfolgte auf Einladung und Kosten des Österreichischen Paralympischen Committees.