Marc Janko über das ÖFB-Team: Totgesagte leben länger
Von Marc Janko
Zwei Spiele, null Punkte bei noch acht ausstehenden Partien. Die "Zu-Tode-betrübt-Welle" nahm Kurs auf die Alpenrepublik. Schon wieder. Grenzkontrollen sinnlos, niemand war mehr sicher. Den Anfang machte überraschenderweise ÖFB-Präsident Windtner selbst, als er direkt nach dem Match in Haifa im wahrsten Sinne vorneweg ging und sichtlich emotional aufgewühlt von einer "Schülermannschaft" sprach.
So ehrlich muss man sein, Zeitpunkt und Wortwahl waren schon mal besser gewählt, haben intern nur bedingt geholfen und kamen auch dementsprechend beim Team an. Die 2:4-Niederlage in Israel war für Fußball-Österreich gleichbedeutend einer Rezession. Die Stimmung im Land kippte, der Glaube an eine erfolgreiche Quali schien verloren. Es ging mehrheitlich nicht mehr um die Frage, ob man scheitern würde, sondern nur mehr um das Wann.
So wird es gemacht
Untermauert wurde diese Geisteshaltung, als man Franco Foda bereits nach dem zweiten Gruppenspiel zum "Rapport" in die wichtigste Nachrichtensendung des Landes, der ZIB 2, lud. Üblicherweise befragt man dort Fußballteamchefs, wenn überhaupt, erst am Ende einer Quali, nie zu so einem frühen Zeitpunkt. Dieses Mal war alles anders.
"Was war da los?", bohrte ein gewohnt in sich ruhender und von mir sehr geschätzter Armin "Ich stell hier die unangenehmen Fragen" Wolf. Foda bewies eindrücklich, dass man solchen Situationen auch mit Souveränität, Ruhe, Gelassenheit und auf sympathische Art und Weise begegnen kann, ohne gleich angriffig zu werden. Ganz im Gegensatz zum EU-Abgeordneten der FPÖ, Harald Vilimsky, im EU-Wahlkampf.
Alles wartete auf den nächsten Umfaller, um endlich den Selbstzerfleischungsprozess starten zu können – doch der blieb aus. Die Mannschaft rückte enger zusammen, gewann bis auf ein Remis jedes weitere Spiel und zeigte eine unglaubliche Mentalität. So richtig versöhnlich schien die breite Öffentlichkeit ob des Siegeszugs nach wie vor noch nicht zu sein. Zu tief saß anscheinend der Stachel, den man sich in Tel Aviv eingetreten hat. "Ja gewonnen, aber schön war das nicht", hörte man nach den darauffolgenden Siegen nicht selten.
Es ist kompliziert
Beim Heimspiel gegen Israel fanden es lediglich 26.200 Zuseher die Mühe wert, die Mannschaft vor Ort zu unterstützen. Nicht nur eine traurige Kulisse, sondern auch ein trauriger Umstand. EUROphorie? Fehlanzeige! Woran dies liegt, erschließt sich mir nicht genau. Natürlich war die erstmalige sportliche Qualifikation für eine EURO etwas sehr Besonderes für Land und Leute, aber unter welchen Umständen diese bevorstehende zweite Teilnahme erreicht wird, ist genauso großartig. Ich habe vor den Jungs allergrößten Respekt.
Die wahrscheinlich größte Erkenntnis dieser Quali ist die bislang ungeahnte und für viele überraschende Kaderbreite. Ich glaube, das wird auch ein ganz großer Unterschied bzw. Trumpf im Vergleich zur letzten EURO sein. Nämlich den Luxus zu haben, nahezu jeden Spieler ersetzen zu können – ohne an Qualität zu verlieren.
Ich wünsche der Mannschaft gegen Nordmazedonien ein ausverkauftes Happel-Stadion. Sie hätte es sich verdient.
Marc Janko, 36, spielte 70-mal für Österreich und erzielte 28 Tore. Aktuell ist er Fußball-Experte bei Sky.
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