Jetzt oder nie: Warum es für die Rams im Superbowl um alles geht
Von Peter Gutmayer
Die Anspannung steigt. Vor allem in Los Angeles. Wenn die Rams in der Nacht auf Montag (0.30 Uhr/live auf Puls 4) in ihrem Heim-Superbowl auf die Cincinnati Bengals treffen, geht es für sie um alles oder nichts. Das Team hat alles auf eine Karte gesetzt, frei nach dem Motto: jetzt oder nie. Den Spielern und Betreuern ist genauso klar wie den Fans: Entweder sie holen den Titel jetzt, oder sie holen ihn für eine längere Zeit nicht. Schuld daran ist das System, das in der NFL und ähnlich in allen anderen amerikanischen Profiligen praktiziert wird.
Kein Bayern München
So etwas wie den FC Bayern München in Deutschland, Real Madrid in Spanien oder auch Red Bull Salzburg in Österreich – Mannschaften, die über Jahrzehnte hinweg ihre Ligen dominieren – gibt es in der NFL nicht. Dort geht es, was das Finanzielle betrifft, ausgeglichener zu. Das meiste der Einnahmen wird zu gleichen Teilen an die 32 Teams verteilt. Dazu gibt es eine Gehaltsobergrenze. Und beim jährlichen Draft, bei dem die besten Talente ausgewählt werden, ist das schlechteste Team der Vorsaison zuerst dran. Die Folge ist: Man kann sich nicht so einfach mit viel Geld ein Siegerteam zusammenkaufen. Genauso wenig gibt es Klubs mit finanziellen Problemen.
Aber wie kann man jetzt seinen Kader verbessern? Mit einer cleveren Auswahl bei der jährlichen Talentbörse, dem Draft. Mit Tauschgeschäften. Oder mit der Verpflichtung von vertragslosen Spielern. Alles jedoch unter der Einhaltung der Gehaltsobergrenze. Die meisten Teams setzen auf ein – zumindest halbwegs – behutsames Aufbauen und holen junge Spieler. Nicht so die Rams. Mit dem Superbowl im eigenen SoFi Stadium – mit knapp fünf Milliarden Euro Baukosten für den Gesamtkomplex ist es das teuerste Stadion der Welt – vor Augen entschieden sich die Verantwortlichen, auf die Jugend zu pfeifen und sich mit Tauschgeschäften eine Startruppe zusammenzubasteln. Der Preis ist die Zukunft, denn die sieht für die Rams nicht rosig aus.
Tauschgeschäfte
Mit Matthew Stafford haben sie sich einen neuen Quarterback geholt. Für ihn gaben sie nicht nur ihren Spielmacher Jared Goff an die Detroit Lions ab, sondern auch ihr Erstrundenwahlrecht im Draft für die kommenden zwei Jahre. Beim Draft werden jedes Jahr in sieben Runden die besten Talente vergeben. Jedes Team hat pro Runde einen Pick, das schlechteste der Vorsaison beginnt. Und da sich die Rams auch noch Star-Verteidiger Von Miller von den Denver Broncos für ihr Zweit- und Drittrundenwahlrecht holten, wird beim kommenden Draft für sie nicht viel herausschauen. Die Rams müssen in den ersten Runden tatenlos zusehen, wie ihre Konkurrenten ihnen die besten Talente vor der Nase wegschnappen.
An morgen denkt man also derzeit nicht in der Stadt der Engel. Zumal die aktuelle Truppe auch nicht lange gehalten werden kann. Gute Spieler wie auch Top-Passempfänger Odell Beckham jr., den die Rams während der Saison aus Cleveland holten, werden in der Regel immer teurer. Läuft ein Vertrag aus, muss man einen besseren anbieten, will man den Spieler halten. Das heißt gleichzeitig, dass man sich von anderen Akteuren trennen muss, sonst hat man ein Problem mit der Gehaltsobergrenze. Dass man es auch anders in den Superbowl schaffen kann, beweist Final-Gegner Cincinnati: Die Bengals waren vor zwei Jahren noch das schlechteste Team der Liga. Demnach durfte man im Draft beginnen und verpflichtete da Quarterback Joe Burrow.
Zwei Wege zum Glück
Der mittlerweile 25-Jährige, der ein bisschen so aussieht wie „Kevin allein zu Haus“, ließ bereits in seinem ersten Jahr seine Klasse aufblitzen, verletzte sich dann aber schwer. Im Vorjahr holten die Bengals beim Draft Receiver Ja’Marr Chase in der ersten Runde. Der hatte schon am College erfolgreich die Pässe von Burrow gefangen. Dazu noch Super-Kicker Evan McPherson – und fertig waren die „Baby Bengals“, die jetzt im Superbowl stehen.
Man sieht, es gibt dieses Jahr zwei Wege, die zum Ziel (sprich Superbowl) führen. Den sympathischeren sind zweifelsfrei die Bengals gegangen. Ob es auch der am Ende erfolgreichere ist, wird sich am Sonntag zeigen. Doch egal, wie das Endspiel auch ausgehen mag – Cincinnati gehört die Zukunft. Den Los Angeles Rams nicht.