Sport

IOC-Boss Thomas Bach: "Europa ist in jeder Hinsicht zögerlich"

Wer im Florettfechten eine Olympische Goldmedaille gewonnen hat, gibt sich keine Blöße. Thomas Bach triumphierte 1976 in Montreal mit der Mannschaft, und mittlerweile ist der Deutsche auch in sportpolitischen Gefechten nicht zu schlagen. Seit 2013 ist der 66-Jährige der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und damit der mächtigste Sportfunktionär der Welt.

Im persönlichen Umgang ist er ein freundlicher, umgänglicher Mann, der jeder Frage mit einem Lächeln begegnet. Aber im IOC ist Bach ein beinharter Macher, ein Diplomat der Spitzenklasse, Herr über das Milliarden-Unternehmen unter den fünf Ringen. Noch nie hat das IOC so viel Geld verdient.

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Skandale

Und doch geriet Bach in den vergangenen Jahren in den Fokus der Kritik. Seine tiefste Krise erlebte er mit dem russischen Staatsdoping-Skandal und der (vorerst) halbherzigen Reaktion des IOC. Bach und die olympische Bewegung hätten Respekt, Achtung und Autorität verloren, hieß es. Und: Zu eng befreundet sei Bach mit Staatschef Wladimir Putin. Außerdem ging es in seiner Amtszeit um den Vorwurf der Gigantomanie, um Stimmenkauf und Korruption und um IOC-Mitglieder, die während der Spiele in Rio de Janeiro verhaftet wurden.

Erschüttert wurde die olympische Bewegung vor wenigen Tagen zudem vom Skandal um den korrupten Weltverband der Gewichtheber, der Doping vertuscht hat.

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Keine einfache Zeit also für den Präsidenten des IOC. Irrtum! Am Rande der Olympischen Jugendspiele in Lausanne nahm sich Bach Zeit für ein Gespräch. Während einer Fahrt mit der Zahnradbahn vom Col de Bretaye (wo der neue Bewerb Skibergsteigen stattfand) nach Villars parierte der ehemalige Fechter jede Frage souverän. Bach sprach über …

die Krise der Olympischen Bewegung:

Wo sehen Sie eine Krise? Maximal in Europa! Doch Europa ist in jeder Hinsicht zögerlich, nicht nur was Olympia betrifft, sondern auch bezüglich Investitionen in die Zukunft. Wenn Sie sich die wirtschaftliche, politische, soziale Entwicklung anschauen, ist uns Asien schlichtweg ein paar Schritte voraus in seiner Dynamik.

Korruption:

Wir sind anerkannt im Kampf gegen Korruption im Sport. Wir haben große internationale Kooperationen initiiert, in denen wir mit vielen Regierungen zusammenarbeiten, ebenso mit den Vereinten Nationen, mit Interpol und Europol. Aber natürlich: In meinen Heimatland gibt es eine Handvoll Medienschaffende, für die ich in den letzten 20 Jahren keine richtige Entscheidung getroffen habe.

das russische Staatsdoping:

Wir können in dieser Causa nur auf das Urteil des unabhängigen Sportgerichtshofs CAS warten (Ob Russland von den Olympischen Spielen in Tokio ausgeschlossen bleibt und keine internationalen Wettkämpfe austragen darf; Anm.). Wir haben nur zwei Anliegen: Die Entscheidung muss schnell kommen und sie darf keinerlei Spielraum für Interpretationen lassen.

sein Naheverhältnis zu Putin:

Wir arbeiten mit allen Regierungen und Staatschefs zusammen und haben regelmäßige Treffen. Die habe ich nicht nur mit Putin sondern auch mit Präsident Macron und vielen anderen. Ich treffe jedes Jahr mehrere Dutzend Regierungschefs. Das ist Teil unserer Arbeit.

den Doping-Skandal im Gewichtheben:

Wir haben ein Exempel statuiert. Die Olympia-Quoten für Gewichtheber wurden um 40 Prozent reduziert. Der Internationale Verband wurde unter Beobachtung gestellt. Und wir haben die Suspendierung des Gewichthebens für die Spiele 2024 in Paris nur unter Vorbehalt aufgehoben. Die WADA (Welt Anti-Doping-Agentur; Anm.) hat uns bescheinigt, dass unter unserem Druck Gewichtheben sein Anti-Doping-Programm verbessert hat. Dennoch wird der Gewichtheberverband besonders genau beobachtet.

Kritik an der Kommerzialisierung Olympischer Spiele:

Geld ist für uns nicht das Ziel. Für uns ist Geld das Mittel zum Zweck. Ja, wir erzielen hohe Einnahmen, aber wir erzielen sie, um unsere Mission erfüllen zu können. Das heißt, alle 206 Olympische Komitees und damit alle Athleten weltweit zu unterstützen. Deswegen geben wir 90 Prozent unserer Einnahmen sofort weiter zur Förderung der Sportler.

Olympische Spiele in Österreich:

Das liegt in der Hand der Österreicher und Österreicherinnen. Wenn man Olympische Spiele in Österreich haben will, worüber sich viele Menschen auch außerhalb Österreichs freuen würden, dann müsste man mit dem IOC in Dialog treten.

einen politischen Maulkorb für Sportler:

Politische Demonstrationen sind nur auf dem Spielfeld und bei der Zeremonie verboten. Außerhalb dessen können sich die Athleten überall frei äußern.

neue Sportarten bei Olympia:

Die Jugendspiele hier sind ein Laboratorium, um neue Sportarten und Disziplinen auszuprobieren. Wir haben bei der Aufnahme von neuen Sportarten aber zwei Voraussetzungen: Die eine ist die Geschlechterparität, die andere die Tatsache, dass keine neuen Sportstätten gebaut werden, sofern es keine klare Nachnutzung gibt.

Info: Die Reise nach Lausanne erfolgte auf Einladung des ÖOC.

Olympische Jugendspiele: Ein erster Schritt in die Auslage

Am Donnerstag wurden die Olympischen Jugendspiele in Lausanne eröffnet. 63 österreichische Sportler und Sportlerinnen kämpfen bis 22. Jänner um Gold, Silber und Bronze. Aber ...

Was sind diese Jugendspiele überhaupt?

Eine Multisportveranstaltung für 15 bis 18-Jährige, die unter Aufsicht des IOC alle vier Jahre ausgetragen wird und die tatsächlich wie Olympia im Kleinformat aussieht. Sommerspiele fanden erstmals 2010 statt, Winterspiele 2012 in Innsbruck.

Und wen interessiert das?

Viele. Im Zentrum von Lausanne brennt das Olympische Feuer, auf der Bühne spielen Bands, am Abend werden auf der Medal Plaza die Sieger geehrt und dazwischen tummeln sich die Menschen. Auch die meisten Bewerbe sind (bei freiem Eintritt) gut besucht.

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Wie viele Menschen nehmen teil?

1.872 aus 79 verschiedenen Nationen. Erstmals werden gleich viele Mädchen wie Burschen an den Spielen teilnehmen. Die erste Goldmedaille für Österreich gewann Amanda Salzgeber in der Kombination.

„Salzgeber“? Der Name ist bekannt.

Die 17-Jährige ist die Tochter der ehemaligen Skiprofis Anita Wachter und Rainer Salzgeber. Mutter Anita trug übrigens bei den Winterspielen 1994 in Lillehammer die Fahne. Ihre Tochter tat es am Donnerstag in Lausanne.

Sind die Jugendspiele das Sprungbrett in den Profisport?

Für manche Sportler schon. Der heute 24-jährige Marco Schwarz gewann etwa bei den Jugendspielen 2012 in Innsbruck Gold im Riesentorlauf, in der Kombination und im Teambewerb.