Sturm-Pleite im Topspiel gegen Salzburg: "Das war ein Scheißtag"
Red Bull Salzburg hat dem Druck standgehalten und einen großen Schritt in Richtung 10. Meistertitel in Folge in der Bundesliga gemacht. Der Serienchampion konnte im Schlager bei Sturm Graz am Sonntag zwar keine Gala abliefern, den ersten Verfolger aber verdient mit 2:0 zum ersten Mal in dieser Saison bezwingen und um fünf Punkte distanzieren. Von einer Titelvorentscheidung wollte im Salzburger Lager noch niemand etwas wissen, obwohl es wohl eine war.
"Es ist nicht viel vorentschieden. Sturm macht es hervorragend, sie haben uns richtig Paroli bieten können, es wird bis am Schluss ein offener Kampf", vermutete Salzburg-Trainer Matthias Jaissle. Auch sein Sportdirektor Christoph Freund sah das ähnlich. "Eine Entscheidung ist nicht gefallen, wir haben noch sechs Spiele und wir haben mitbekommen, dass es richtig enge Spiele sind. Wenn wir ein bisschen nachlassen, kann es schnell gehen, es wird noch eine spannende Runde."
Ligarekord egalisiert
Seine Erleichterung war groß zumal der Druck vor der Partie "hoch" gewesen sei. Das auch durch die zum teils negative Berichterstattung in den vergangenen Wochen, da die "Bullen" da von vier Partien nur eine gewonnen hatten. Bilanzen kann man aber immer so oder so lesen. Die Niederlage gegen Sturm in der 2. Runde war die einzige in der Saison, 24 Mal gab es keine Niederlage mehr. Zudem wurde mit zwölf Auswärtssiegen in Folge ein Ligarekord egalisiert.
Freund ortete deshalb rund um seinen Klub Zustände wie beim deutschen Ligakrösus FC Bayern. "Von uns wird erwartet, dass wir schon im April Meister sind. Wir haben uns das erarbeitet, das ist für uns eine Auszeichnung", sagte der 45-Jährige. Jaissle lassen jegliche Medienberichte kalt. Er lese grundsätzlich keine Berichterstattung, fokussiere sich auf die wesentlichen Dinge, beteuerte der Deutsche. Seinem Team gelang das im Spiel der 4. Runde der Meistergruppe genauso.
In einer chancenarmen Partie gaben Tore von Nicolas Capaldo (54.) und ein sehenswertes von Benjamin Sesko (73.) den Ausschlag. "Es war eine geile Partie von unserer Mannschaft", betonte Jaissle. Sie habe genau das auf den Platz gebracht, was es gebraucht habe. "Sie hat es sehr reif gemacht", freute sich Salzburgs Coach. Und das trotz Personalmisere und der Tatsache, dass nur hoffnungsvolle Talente mit wenig bis gar keiner Spielpraxis bei den Profis auf der Bank saßen.
Vollstrecker Sesko
"Wir haben gezeigt, dass unser Kader trotz der Ausfälle viel Qualität hat", gab Rechtsverteidiger Amar Dedic zu Protokoll. Sesko glänzte als Vollstrecker, redet mit 14 Toren im Kampf um die Torjägerkrone mit. "Für uns war es das wichtigste Match in der Saison, auch weil es hart war in den letzten Partien. Deshalb war es uns wichtig, zu zeigen, wozu wir imstande sind", sagte der slowenische Stürmer. Und Tormann Philipp Köhn ergänzte: "Es war ein guter Schritt in die richtige Richtung."
Die Grazer konnten fast aus dem Vollen schöpfen, aber auch mit Einwechslungen keine Impulse setzen. Das hat laut Sturm-Trainer Christian Ilzer auch mit der hohen Qualität beim Gegner zu tun. "Salzburg wurde medial schlecht geredet, was ich nicht verstehen kann. Ich konnte bei ihnen nichts von einer Krise sehen. Wir haben gegen eine internationale Klassemannschaft, die am Punkt da war, verdient verloren", resümierte der Steirer. Seine Truppe kam über Halbchancen nicht hinaus.
Selbstkritische Grazer
Die Aussicht auf die erstmalige Tabellenführung seit Sommer 2019 hemmte vielleicht. "Es wird sich auch im Kopf einiges abgespielt haben", war sich Sturms Coach bewusst. Seine Kicker gaben sich selbstkritisch, allen voran Jusuf Gazibegovic, der gegenüber Sky sagte: "Wir haben viel zu ungenau gespielt, waren nicht selbstbewusst in den Aktionen. Das war zu wenig. Salzburg hat den Sieg viel mehr wollen. Am Ende war es ein Scheißtag."
Nun gilt es auch den Blick nach hinten zu richten, der formstarke LASK ist bis auf drei Zähler herangerückt. "Wir haben jetzt das, was wir nicht wollten, mehr Punkte Rückstand auf Salzburg als Vorsprung auf den LASK", meinte Ilzer. Deshalb gelte es auch schnell die Köpfe "hoch" zu nehmen. "Natürlich sind wir enttäuscht, aber am Mittwoch geht es weiter, es gibt keine Zeit für Enttäuschung und Schmerzen."
Zum Abschluss der Hinrunde der Meistergruppe kommt die Wiener Austria in die Merkur Arena, es ist Sturms Generalprobe für das Cup-Finale am Sonntag in Klagenfurt gegen Rapid. "Jetzt ist das Spiel gegen die Austria das Wichtigste", stellte Ilzer aber klar. Klares Motto ist "volle Kraft voraus für den zweiten Platz". Der berechtigt wieder zum Antreten in der Champions-League-Qualifikation.
Der Weg dorthin ist steinig. "Die Meistergruppe hat heuer eine andere Qualität, wir haben in drei Tagen wieder ein Schlüsselspiel. Es gibt in keine Richtung noch eine Entscheidung", verlautete Sport-Geschäftsführer Andreas Schicker. Auch die Spieler haben den Platz an der Sonne nicht abgeschrieben. "Salzburg war in den entscheidenden Momenten kaltschnäuziger, aber wir geben sicher nicht auf", sagte der wiedergenesene Abwehrchef Gregory Wüthrich.