Sport/Fußball

Rassismus: Hanau wirft ein neues Licht auf den Fußball

Deutschland ist schockiert nach den rassistisch motivierten Morden von Hanau. Und das fokussiert auch im Fußball den Blick auf die Nabelschau rassistischer Vorfälle in den Stadien. Denn davon gab es zuletzt zwei.

Und schon vor den Morden von Hanau hat Bayern-Spieler Leon Goretzka dem Spiegel ein Interview gegeben. Darin berichtet er, dass rassistische Beschimpfung zweier deutscher Teamspieler bei einem Länderspiel für ihn den Ausschlag gegeben hat, sich klar zu positionieren. „Es gab damals in Wolfsburg zu viele Leute, die den Vorfall miterlebt hatten, aber nicht eingeschritten sind“, sagt der 25-Jährige. „Dabei ist es doch gerade in solchen Situationen angebracht, wenigstens die Symptome zu bekämpfen. Die Ursachen liegen ganz woanders.“

Musterbeispiel Münster

In der Schlussphase des Drittliga-Spiels gegen die Würzburger Kickers hatte in Münster ein Mann auf der Tribüne den Gäste-Profi Leroy Kwadwo beleidigt und Affenlaute in dessen Richtung gemacht. Daraufhin zeigten andere Fans auf den Übeltäter, damit dieser von Ordnungskräften ausfindig gemacht werden konnte. Zudem riefen zahlreiche Fans „Nazis raus“. Der 23-jährige Abwehrspieler bedankte sich für die Reaktion der Fans.

Christoph Strässer, Klubchef von Münster, sagte: „Das ist nichts, was auf den Fußballplatz und schon gar nicht in unser Stadion gehört. Solche Leute wollen und brauchen wir hier nicht. Wir distanzieren uns ganz klar von solchen Äußerungen.“ Der Würzburger Kapitän Sebastian Schuppan erklärte schockiert: „Mal wieder kamen Affen-Laute von den Rängen. Aber anders als in vielen vorherigen Situationen hat das Stadion sehr gut reagiert.“

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Referees sind gefordert

Weniger rühmlich ging es auf Schalke zu. Dort wurde im Cupspiel Hertha-Verteidiger Jordan Torunarigha von Schalke-Fans rassistisch beleidigt. Der 22-Jährige knallte in einem Wutanfall eine Kiste mit Trinkflaschen auf den Boden. Dafür sah er von Schiedsrichter Harm Osmers die zweite gelbe Karte und musste vom Platz. Damit hat der Referee zumindest Empathielosigkeit bewiesen. Wenn er auf den Vorfall hingewiesen worden ist (so wie es der damalige Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann behauptete), hätte er nach dem „Three-Step Procedure“ der FIFA (siehe Bericht unten) die Partie unterbrechen und eine Stadiondurchsage veranlassen müssen.

Aber nicht nur die Referees sind gefordert, auch die Funktionäre, was im Fall Schalke einen ganz bitteren Beigeschmack hat. Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies hatte im Vorjahr am „Tag des Handwerks“ in seiner Festrede geforderte, jährlich 20 Kraftwerke in Afrika zu finanzieren. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ Tönnies durfte mit dem Segen des Ehrenrats von Schalke und der Ethikkommission des DFB nach drei Monaten Pause wieder in seine Funktion zurückkehren.

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Hier setzt Antonio Rüdiger an, dunkelhäutiger Teamspieler Deutschlands, der von den Verbänden mehr Konsequenz verlangt. „Es reicht nicht, nur immer Banner aufzuhängen oder die Kapitäne etwas verlesen zu lassen“, sagt der 26-jährige Chelsea-Verteidiger. „Es passiert einfach zu viel, es fängt auch schon in Deutschland an.“

Portugal geschockt

In Portugal war Rassismus bis vergangenen Sonntag im Fußball kein Thema. Das Land hatte seit der Nelkenrevolution 1974 auch keinen rechtsextremen Abgeordneten im Parlament – bis André Ventura kam. Der behauptete auch, es habe keinen Rassismus in Guimarães gegeben. Auch der dortige Klubchef war sich nicht zu dumm für Ausreden. „Von rassistischen Beleidigungen habe ich nichts mitbekommen, nur von der provokanten Attitüde eines Spielers gegenüber dem Publikum“, erklärte Miguel Pinto Lisboa. Moussa Marega vom FC Porto war schon beim Aufwärmen von den Guimarães-Ultras der „White Angels“ als „Affe“ oder „Schimpanse“ verunglimpft worden.

Marega erlaubte sich danach, einen Treffer zu schießen und beim Jubel auf seine Haut zu zeigen. Für den Franzosen, dessen Wurzeln in Mali liegen, gab es die gelbe Karte. Daraufhin wurde er mit Sitzschalen beworfen, untermalt von Affenlauten. Marega verließ den Platz und streckte der Tribüne beide Daumen nach unten entgegen.

Der Fußballweltverband FIFA schreibt bereits seit 2017 ein konkretes Protokoll vor. Seit dem Confed-Cup in Russland sollen Schiedsrichter nach diesem Drei-Stufen-Plan vorgehen.

Stufe 1 Wenn der Schiedsrichter rassistische oder andere diskriminierende Beleidigungen wahrnimmt oder von seinen Assistenten darauf aufmerksam gemacht wird, soll er das Spiel unterbrechen und eine entsprechende Stadiondurchsage verlangen.  

Stufe 2 Ändert sich das Verhalten der damit angesprochenen Menschen nicht, soll der Schiedsrichter das Spiel für mehrere Minuten unterbrechen, die Mannschaften in die Kabinen schicken und eine weitere Durchsage verlangen.  

Stufe 3 Sollte es nach einer Wiederaufnahme des Spiels weiterhin zu entsprechenden Beleidigungen kommen, soll der Schiedsrichter dann den  letzten Schritt setzen und das Spiel abbrechen.