Ralf Rangnick: Feindbild in Manchester, Hoffnungsträger in Wien
Von Wolfgang Winheim
Allen medialen Versuchen zum Trotz lässt sich kein Teamkandidat eine skeptische Äußerung über Ralf Rangnick, 63, entlocken. Im Gegenteil: Die Teamkandidaten schwärmen öffentlich von ihm. Kein Wunder: Wer will sich’s schon mit dem neuen Chef vor dessen Amtsantritt verscherzen? Kritik aus Spielermund wird erfahrungsgemäß erst laut, wenn ein vermeintlicher Fixstarter sein Stammleiberl verliert.
Kein Wunder
Während Rangnick vom ÖFB mit Vorschusslorbeeren dekoriert wird, fallen in Manchester Klublegenden verbal über den (Noch-)United-Trainer her. Auch das ist kein Wunder. Wenn die Resultate nicht stimmen, pfeifen Briten auf ihren Ruf als Gentlemen, dann lassen sie sich von keinem Coach belehren. Erst recht nicht, wenn der ein Deutscher ist.
Der 81-fache Internationale Rio Ferdinand ("United wurde durch Rangnick nur schlechter") fordert gar, Rangnick wegen vereinsschädigender Äußerungen für Pressekonferenzen zu sperren. Weitere Promi-Kritiker irritiert, dass Rangnick als Konsulent auf Uniteds Gagenliste bleibt, obwohl er ab Juni österreichischer Nationaltrainer ist. Nur Platz sechs trotz (oder wegen ?) der Kultfigur Cristiano Ronaldo und – was für United-Fans noch schmerzvoller ist – unglaubliche 31 Punkte hinter dem jahrzehntelang im United-Schatten gewesenen Stadtrivalen Manchester City. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit konnte Rangnick nicht verkleinern.
Groß werden die Erwartungen freilich auch in Österreich sein. Zumal man Rangnick mit Sporthistorischem konfrontieren kann, wurden doch soeben in allen europäischen Klubbewerben die Endspiele mit Österreichern erreicht.
Mit David Alaba (Real Madrid), mit Martin Hinteregger (Frankfurt), mit Gernot Trauner (Feyenoord). Überdies erhält das deutsche Pokalfinale durch Konrad Laimer (Leipzig) und Philipp Lienhart (Freiburg) rot-weiß-roten Touch. Über Topprofis in Topligen verfügen allerdings auch Österreichs Juni-Gegner im Nations Cup: Kroatien, Dänemark und Frankreich.
Ein Wunder
Bliebe Österreich in den ersten drei Länderspielen unter Rangnick ungeschlagen, wäre das in Anbetracht der Hochform von Luka Modric und Torgarant Karim Benzema ein Wunder. Stopp! Dieses Wort ist im Fußball seit dem 12. Juni 2021 für Dänemarks Kapitän Christian Eriksen reserviert. Beim EM-Spiel gegen Finnland wegen Herzstillstandes fast schon im Jenseits gewesen, läuft der nunmehrige England-Legionär Eriksen (Brentford) am 6. Juni gegen Österreich mit eingepflanztem Defibrillator ein.