Pisa-Legionär Gucher vor EM-Achtelfinale: "Italien will den Titel"
Von Christoph Geiler
„Gut zu wissen, dass zumindest eines meiner zwei Länder im Viertelfinale dabei ist. Das ist positiv.“
In Robert Guchers Brust schlagen zwei Herzen. Da ist auf der einen Seite der „Fußball-Italiener“, wie sich der 30-jährige Steirer selbst gerne bezeichnet. Andererseits hat er sämtliche österreichischen Nachwuchs-Nationalteams durchlaufen und erhielt unter Marcel Koller auch schon eine Einladung zum A-Team.
Man kann also nachvollziehen, dass in den vergangenen Tagen bei Robert Gucher einiges los war. Immerhin ist er der österreichische Kicker, der bisher am längsten im Land des EM-Achtelfinalgegners am Ball war und die Squadra Azzurra besser kennt als die meisten.
Bereits mit 17 verschlug es den Mittelfeldmann nach Italien, Gucher hat praktisch seine gesamte Karriere dort verbracht, mit Frosinone Calcio stieg er einst in die Serie A auf, aktuell ist er Kapitän von Zweitligist Pisa, wo neuerdings Claudio Chiellini Sportdirektor ist, der Zwillingsbruder des italienischen Abwehrrecken Giorgio. „Ich hoffe, dass ich ihm und meinen italienischen Mannschaftskollegen dann im Trainingslager ein bisschen den Fußball erklären kann“, schmunzelt Gucher.
Kritische Stimmen
Dem Steirer ist nicht verborgen geblieben, dass das österreichische Nationalteam im Laufe dieser Endrunde in Italien eine kleine Imagekorrektur erlebt hat. Nach den ersten beiden Partien war das ÖFB-Team noch milde belächelt worden, „da habe ich von allen möglichen Leuten, auch von Trainern Nachrichten bekommen, die gefragt haben, was ich daheim tu’ und wieso ich nicht im Nationalteam dabei bin“, erzählt Robert Gucher.
Auch er persönlich hatte den Eindruck, dass die österreichische Mannschaft in den Partien gegen Nordmazedonien (3:1) und gegen Niederlande (0:2) nicht auf der Höhe war. „Ich hatte das Gefühl, dass sich die österreichischen Spieler in diesem System nicht wohlfühlen. Ukraine war in der Hinsicht ganz anders. Man hat gemerkt, dass sich auf einmal jeder leichter tut und überzeugt davon ist, dass das der richtige Weg ist.“
In seiner Fußball-Heimat Italien herrschen derweil keine Zweifel. Nach 30 Partien ohne Niederlage und elf Spielen ohne Gegentor hat die Euphorie ungeahnte Dimensionen angenommen. Österreich, so der allgemeine Tenor, könne nie und nimmer ein Stolperstein werden. „Die italienischen Fans unterschätzen Österreich definitiv“, weiß Robert Gucher.
Die italienische Nationalmannschaft hingegen wirkt für ihn nicht erst bei diesem Turnier höchst konzentriert und professionell. „Die haben eine unglaubliche Mentalität und schauen nicht drauf, gegen wen sie spielen. Die wollen ihre Erfolgsbilanz verlängern und den Titel holen.“
Und Italien-Legionär Gucher traut den Italienern diesen Coup auch zu. „Sie haben alles, was man braucht, um die EM positiv abzuschließen.“
Auch wenn dafür sein Fußball-Heimatland Österreich auf der Strecke bleibt.