Sport/Fußball

ÖFB-Sportdirektor Schöttel über Rangnick: "Das ist für uns alle neu"

Die Pflicht zum Auftakt der EM-Qualifikation ist erfüllt. ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel ist nach den Siegen in Linz gegen Aserbaidschan (4:1) und Estland (2:1) zuversichtlich, dass das Nationalteam im Juni in Belgien und gegen Schweden den nächsten Schritt zur EM nach Deutschland machen kann. Mit der APA  sprach der 56-jährige Wiener am Dienstag über die Impulse von Teamchef Ralf Rangnick, die Qualität des Kaders und die Aussichten von Yusuf Demir.

APA: Sind Ihnen beim Spiel gegen Estland graue Haare gewachsen?

Peter Schöttel: "Nein, aber es war schwierig. Wir haben es uns selbst so schwierig gemacht. Trotzdem hat es die Mannschaft geschafft, das Ganze noch zu drehen. Sie hat klar ersichtlich bis zum Schluss daran geglaubt. Was wir uns erhofft haben vom neuen Standort Linz mit dem engen Stadion, hat sich erfüllt. Der Funken ist auf die Zuschauer übergesprungen, die Leute haben das ganze Spiel unterstützt - das hat sicher auch mitgeholfen."

Die ersten zwei Pflichtsiege sind eingefahren. Sind die Aussichten auf eine EM-Teilnahme damit bereits entscheidend verbessert?

"In Wahrheit hat sich nichts verändert. Es gibt drei Mannschaften, die sich alle Chancen ausrechnen auf die direkte Qualifikation. Überraschend war für mich nur, dass Belgien so klar in Schweden gewonnen hat (3:0). Im Juni spielen wir gegen dir direkte Konkurrenz - danach werden wir mehr wissen."

Dann werden auch einige diesmal ausgefallene Stammkräfte zurückkehren.

"Den Kader nominieren wir Anfang Juni, bis dahin kann viel passieren. Dieser Lehrgang war für das Trainerteam sehr schwierig. Es sind nicht nur wichtige Spieler davor ausgefallen, sondern auch während des Lehrganges. Es war ziemlich turbulent, weil täglich irgendetwas anders war. Daher sind wir wirklich happy, dass wir die zwei Siege gemacht haben. Wir wissen: Mit der Art, wie wir Fußball spielen, können wir gerade gegen die großen Gegner sehr, sehr unangenehm sein. Wir sind selbstbewusst und guter Dinge, dass wir im Juni den nächsten Schritt zur EM machen."

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Welche Fortschritte haben sie in den zehn Monaten unter Ralf Rangnick bei der Mannschaft beobachtet?

"Diese Mannschaft steht einfach für einen sehr intensiven, leidenschaftlichen Fußball, der sehr körperbetont ist und von den Spielern eine wahnsinnig hohe Intensität einfordert. Das hat man in jeder einzelnen Partie gesehen. Diese geschlossene, gemeinschaftliche Energie aufs Feld zu bringen, war uns schon wichtig. Dass wir immer noch Dinge haben, die wir besser machen können, ist klar."

Wie sehr hat sich der Teamchef bisher in die Verbandsarbeit eingebracht?

"Er hat sich in den zehn Monaten sehr viel angesehen - nicht nur im Verband, sondern ganz Fußball-Österreich. Er spricht Themen sehr offensiv an, auch in der Öffentlichkeit. Das ist für uns alle in der Art und Weise neu. Er ist definitiv daran interessiert, langfristig Dinge zu verbessern. Das ist auch unser Auftrag als Verband. Er ist sicher genau dieser Impuls, den wir uns gewünscht haben in bestimmten Themen. Was mich sehr freut, ist, dass er sich nicht nur über das Nationalteam Gedanken macht und schaut, dass er da erfolgreich ist, sondern dass wir auch gemeinsam Dinge weiterentwickeln wollen."

Welche Bereiche stehen dabei besonders im Fokus?

"Es sind die Detailbereiche in der Direktion Sport. Er ist schon sehr interessiert an den Themen der Trainerausbildung. Dann ist er natürlich sehr interessiert an der Talenteförderung, aber auch an der Wissenschaft."

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Wie bewerten Sie das Spielermaterial, das ihm zur Verfügung steht? Ist es besser oder schlechter als vor zwei Jahren bei der EM?

"Es sind einige nicht mehr dabei, die bei der EURO noch Schlüsselrollen gehabt haben. Da ist schon etwas passiert personell. Andererseits haben sich andere extrem weiterentwickelt, Kevin Danso zum Beispiel. Er war in beiden Spielen wirklich überragend aus meiner Sicht. Er beeindruckt nicht mehr nur durch seine Physis, sondern auch wie er Fußball spielt und ein Spiel lesen kann. Etliche Spieler waren diesmal nicht dabei, und das sind nicht irgendwelche. David Alaba, Marko Arnautovic oder Xaver Schlager würden auch anderen Nationalmannschaften fehlen. Ich denke, dass wir in der Spitze breiter aufgestellt sind als vor ein, zwei Jahren."

Was denken Sie über die Qualität der Einzelspieler, die aus der U21 nachdrängen?

"Es kommt immer wieder jemand nach. Es gibt aber auch welche, die schon weiter waren. Yusuf Demir zum Beispiel gehört aktuell nicht zum Kader des A-Teams. Patrick Wimmer hat eine enorme Entwicklung genommen, da ist aber auch noch viel drinnen. Manche sind am Zenit, einige haben aber noch viel Potenzial sich zu verbessern."

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Was denken Sie über die Situation von Yusuf Demir? Wie kann er den Anforderungen des Spielstils unter Rangnick gerecht werden?

"Er hat in den letzten Jahren ganz wenig gespielt, wenig über 90 Minuten. Das ist natürlich in dem Alter suboptimal. Nichtsdestotrotz hat er Riesenpotenzial. Er müsste regelmäßig auf höchstmöglichen Niveau zum Einsatz kommen. Wenn das passiert, bin ich überzeugt, dass er auch rasch wieder ein Thema für das A-Team sein kann. Dass er richtig Qualität hat, wissen wir alle. Er wird im Sommer erst 20 Jahre alt. Es ist vieles möglich, aber die nächste Station sollte zu 100 Prozent passen - oder er setzt sich bei Galatasaray durch. Sportlich hilft es dir nichts, wenn du gute Vereine im Lebenslauf stehen hast."