Neo-Wacker-Präsident Jamnig: "Dann machen wir uns lächerlich"
Von Christoph Geiler
Als der FC Wacker Innsbruck sich 2019 nach nur einer Saison wieder aus der Bundesliga verabschiedete, wusste niemand, wie es mit dem Traditionsverein weiter gehen sollte. Sogar ein Rückzug aus dem Profifußball stand damals im Raum. Ein Jahr später scheinen alle Sorgen und Existenzängste verflogen und es ist rund ums Tivolistadion eine Aufbruchstimmung auszumachen. Verantwortlich ist eine Hamburger Kaufmannsfamilie, die dem zehnfachen österreichischen Meister finanziell zur Seite steht und sich mit Wacker vertraglich auf eine zehnjährige Kooperation verständigt hat.
Alt-Präsident Gerhard Stocker stiegen die Tränen in die Augen, als diese Partnerschaft im März fixiert wurde. Er übergab sein Amt mittlerweile an Joachim Jamnig, der bei der Generalversammlung mit 99 Prozent der Stimmen gewählt wurde und auf Wunsch der Geldgeber aus Hamburg fortan als erster hauptamtlicher Präsident fungieren wird. "Es ist ein Traum, beim FC Wacker Präsident zu sein", sagt der 58-jährige Tiroler.
KURIER: Ihre Vorgänger als Wacker-Präsident, egal ob Sie jetzt Gerhard Stocker, Josef Gunsch oder Kaspar Plattner hießen, haben meist den Eindruck erweckt, als wäre das Amt ein Albtraum.
Joachim Jamnig: Für mich ist es wirklich ein Traum, Präsident bei diesem Verein sein zu dürfen. Weil ich von klein auf einen engen Bezug zum Wacker habe. Das war immer mein Herzensverein, ich habe mit Wacker gefeiert, ich habe mit Wacker geplärrt, und ich habe mich über diesen Verein auch geärgert. Ich habe immer gesagt: 'Wenn ich das einmal steuern könnte und Leute finde, die diesen Weg mitgehen, dann mache ich das!'
Sie geben dafür einen guten und sicheren Job auf.
Wenn’s leicht wäre, dann kann’s ja jeder. Ich empfinde es als Ehre, diesen wertvollen Verein mit seiner bewegten Geschichte weiterentwickeln zu dürfen. Und wissen Sie was der Riesenunterschied zu anderen Präsidenten ist?
Verraten Sie’s.
Ich brauch’ die Plattform Wacker nicht für mich. Ich arbeite für diesen Verein. Und wenn ich mir bei aller Wertschätzung Präsidenten oft angesehen habe, dann haben viele den Verein als Bühne für sich und ihr Unternehmen gesehen. Das tu’ ich bestimmt nicht. Ich kann auch keine Millionen einbringen, aber was ich schon versprechen kann ist ehrliche, fleißige und nachhaltige Arbeit.
Sie sind der erste hauptamtliche Präsident des Vereins.
Das war auch der ausdrückliche Wunsch unseres Partners aus Hamburg. Dieses Ehrenamtliche ist extrem nobel, aber es ist weder effizient noch zeitgemäß. Ein Fußballverein, der sich zu einem Unternehmen entwickelt, der kann nicht ehrenamtlich geführt werden.
Was ist das überhaupt für ein strategischer Partner?
Das ist eine alteingesessene Kaufmannsfamilie aus Hamburg, die auf der ganzen Welt mehr als 340 Unternehmensbeteiligungen hat. Das ist eine sehr vermögende Familie, die aber im Hintergrund bleiben möchte. Wir wissen, wer die Familie ist, das ist keine Luftblase. Die Familie braucht die Öffentlichkeit nicht. Es heißt nur: ’Ihr macht es, wir stellen die Budgetmittel zur Verfügung.’ Und was ich bei der Gelegenheit noch festhalten will. Die Vereinbarung läuft über zehn Jahre, das haben wir schriftlich. Wir können jetzt endlich einmal strategisch planen.
Die Corona-Krise hat da keine Auswirkungen?
Unser Partner hat den Vertrag zwei Wochen vor dem Lockdown unterschrieben. Dann kommt Corona und ich habe mir gedacht: ,Wie viel Pech kannst du eigentlich haben? Jetzt unterschreibt der, und jetzt haben wir Corona picken.’
Sie hatten Angst, dass der Vertrag aufgelöst wird?
Wenn die Familie damals zu uns gesagt hätte 'Seid uns nicht böse, das war nicht abzuschätzen. Warten wir bitte zu und wir überlegen uns es noch einmal und setzen uns zusammen, wenn das vorbei ist.’ Man hätte es verstehen können. Aber wir haben sofort aus Hamburg zu hören bekommen: 'Das machen wir, wir ziehen das durch.' Und das war für uns schon ein Zeichen, dass das nicht irgendwer ist, der groß redet, sondern dass der zu seinem Wort steht.
Das heißt, Sie haben perfekte Startvoraussetzungen als Präsident?
Das haben wir uns aber auch schwer erarbeitet. Wir haben in den letzten Jahren den Verein aufgeräumt. Nach dem Abstieg im letzten Sommer war das nicht einfach. Da waren wir einige Zeit lang richtig orientierungslos und wussten nicht, wie’s weiter geht. Da hast du von außen auch gehört ,Was ist nur mit diesem Verein los?’ Oder: ,Die reden immer nur, und bringen nichts zusammen.’
Was waren die Probleme der letzten Jahre?
Wir hatten als Wacker nie ein richtiges Fundament. Wir sind praktisch immer im dritten Stock eingestiegen. Wenn oben der Profifußball gerannt ist und halbwegs funktioniert hat, dann war die Welt in Ordnung und man hat auf alles vergessen, was drunter ist. Wir haben den Unterbau, den Nachwuchs vernachlässigt. Aber wir hatten ehrlicherweise auch das Geld nicht.
Jetzt soll sogar ein neues Trainingszentrum auf dem Mieminger Plateau entstehen.
Dazu kann ich sagen: Es ist finanziert. Diese Zusage haben wir, das ist durch.
Es gibt aber Proteste von Anrainern.
Jede Kritik und jede Angst der Einwohner ist berechtigt, wir nehmen alles ernst und stellen uns auch der Diskussion. Alle 15 Gemeinderäte in Mieming haben einem Grundsatzbeschluss zugestimmt. Wir sind in der Planung relativ weit. Es würden all unsere Teams ab der U-15 in Mieming trainieren. Die Kosten variieren zwischen 9 und 14 Millionen Euro. Wir werden wahrscheinlich 18 Monate für die rechtlichen Dinge benötigen, dazu kommen 18 Monate Bauzeit. Das ist eine realistische Einschätzung. Mit Spielerverkäufen wollen wir den Betrieb des Trainingszentrums finanzieren. Das ist das Geschäftsmodell, das auch unseren Partner überzeugt hat.
Wie groß ist die Gefahr, dass sich langjährige Sponsoren von Wacker abwenden, weil jetzt offensichtlich eh Geld vorhanden sind.
Wenn wir das jetzt tun, dann ist jedes Bekenntnis, dass sich das Land Tirol als Sportland bezeichnet, obsolet. Dann machen wir uns lächerlich. Wenn jemand aus dem Nachbarland kommt und in den FC Wacker investiert, weil er das Projekt interessant findet und dann laufen die Tiroler Firmen davon – das wäre das ein fatales Signal. Bis jetzt hat sich aber keiner der Sponsoren zurückgezogen.
Trotzdem hatte Wacker letzte Saison auf der Brust keinen Trikotsponsor.
Wir arbeiten an einem interessanten Thema, das auch von Seiten der Partner aus Hamburg eingebracht wurde. Die Familie will eine gemeinnützige Stiftung ins Leben rufen, die armen, bedürftigen Tiroler Familien helfen soll. Mir würde es gefallen, wenn wir das auf unseren Trikots stehen haben. Das wäre ein ganz anderer Weg, zu sagen: 'Schaut’s her, wir haben eine grundsätzliche Änderung in unserem Tun. Wir machen Wacker Innsbruck anders.’ Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke, was alles möglich ist. Ich hoffe nur eines.
Worauf hoffen Sie?
Wir leben in einem Tourismusland und wir freuen uns in Tirol über jeden einzelnen Gast. Ich hoffe nur, dass wir in Tirol nicht den Gast vergraulen, der hier etwas investieren und bewegen will. Das wäre fatal. Dann würden wir uns eine riesige Chance vertun. Weil das sind ehrwürdige Leute, das ist für sie ein Herzensprojekt. Unser Vorstandsvorsitzender Jens Duve hat es einmal sehr schön formuliert: Der Partner erfreut sich auch einmal an schönen Bildern.
Abschließend: Wo steht Wacker in drei Jahren?
In der Bundesliga. Mit einem Anspruch oben mitzuspielen. Wir werden den Weg, den wir jetzt gegangen sind, aber nicht verlassen. Diesen jungen, hungrigen Kern der Mannschaft werden und wollen wir erhalten, die haben sich das auch verdient, dass wir mit ihnen den nächsten Schritt machen. Wir werden uns deshalb auch jetzt nur punktuell verstärken. Das ist für die Jungen die Chance, an der Seite der Routiniers mitzuwachsen.