Meisterfeier mit 30.000 Fans: Israels Schritt in die Normalität
Von Wolfgang Winheim
Leere Tribünen beim Länderspiel in England, 3.000 maskierte Besucher am Sonntag beim Slowakei-Match im 48.000 Personen fassenden Happel-Stadion. Konträr dazu ist Impf-Weltmeister Israel vorerst auch hinsichtlich Publikumskulisse die Nummer 1.
Zur selben Zeit, zu der einander TV-Sender auf der halben Welt am letzten Sonntag mit Breaking News über das mögliche Ende der zwölfjährigen Ära von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu überboten, tangierte israelische Fußballfans die Innenpolitik zumindest für 90 Minuten nicht.
30.000 im ausverkauften Sammy-Offer-Stadion, in dem sich Maccabi Haifa mit einem 3:2 gegen Be’er-Sheva den Meistertitel sicherte. 30.000 Augenzeugen zeitgleich auch beim 2:2 zwischen Maccabi Tel Aviv und Kiryat Shmona.
Und erneut 30.000 beim gestrigen Cupfinale zwischen Maccabi Tel Aviv und Hapoel Tel Aviv. Alle mit viel Temperament und ohne Maske. Dichtgedrängt – wie man das aus Vor-Corona-Zeiten von Liverpool, der gelben Wand in Dortmund oder dem Rapid-Block-West in Wien-Hütteldorf kennt.
Böller wurden in Haifa von begeisterten Fans gezündet. Dort, wo vor zwei Wochen die Menschen im Sirenengeheul noch von Straßen weg Schutz suchend in Keller und Stiegenhäuser geflüchtet waren.
Mittendrin statt nur dabei: Israels Teamchef und Sportdirektor Willi Ruttensteiner und seine Co-Trainer, die Ex-Nationalspieler Klaus Lindenberger und Rupert Marko. Letzterer traf erst vor zwölf Tagen in Tel Aviv ein und staunt, wie bemerkenswert normal das Leben in Meeresnähe wieder abläuft.
„Ich bin ein dreifacher G“, meint Marko, darauf anspielend, dass er ...
... genesen (den Steirer hatte zu Jahresbeginn Corona schwer erwischt),
... getestet
... und dreimal geimpft ist. „Das dritte Mal in Israel.“
Auch alle israelischen Nationalspieler des österreichischen WM-Qualifikationsgegners gelten als immun. Die Geimpften wurden von Ruttensteiner in einem Camp zusammengezogen, in dem laut Marko nichts auf politische und religiöse Spannungen hindeute. Jüdische und arabischstämmige Spieler sitzen friedlich an einem Tisch. Was die Hoffnung nährt, wonach das Völkerverbindende des Sports doch mehr als nur hohle Phrase ist.
Mit einer rund um den 33-jährigen Torjäger Eran Zahavi (ihm hatte Andreas Herzog als Israels Chefcoach entgegen medialer Widerstände zum erfolgreichen Teamcomeback verholfen) stark verjüngten Auswahl fliegen deren österreichische Trainer morgen nach Montenegro. Danach folgt in Portugal gegen Cristiano Ronaldo und Co. ein weiterer Test – bereits in Hinblick auf die herbstliche WM-Qualifikation. Gegen Österreich wird am 4 . September und 12. November gespielt. Wenn die Covid-Situation nicht nur in Tel Aviv, sondern vielleicht auch beim Retourspiel wieder volle Tribünen zulässt.