Gefangen im Fan-Dilemma: Die Causa Hopp und ihre Konsequenzen
Beim Eklat um beleidigende Spruchbänder gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp und der zweimaligen Unterbrechung der Partie Hoffenheim - Bayern (0:6) haben die Klubs am Samstag auf dem Spielfeld ein klares Signal gesetzt. Für die deutsche Fußball Liga (DFL) und den Verband (DFB) stellt sich aber eine zentrale Frage: Wie geht es weiter?
Das harte Durchgreifen in Sinsheim, das demonstrative Ballgeschiebe der Stars in den 13 letzten Minuten der Partie, die Proteste in anderen Stadien - die denkwürdigen Szenen dieses Spieltags haben den deutschen Fußball in die nächste Fankrise geführt. Der DFB und die Liga müssen sich nun an ihrer plötzlichen Knallhart-Strategie messen lassen - wahrscheinlich schon im Cup in den nächsten Tagen.
"Es muss aufhören"
Die Vorfälle auch in Dortmund, Köln und einigen Zweitliga-Arenen erschienen wie eine konzertierte Aktion. Der FC Bayern wusste sogar vorab von den Plänen der Münchner Fanszene. Empört sprach Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge danach von "einem schwarzen Tag für den Fußball" und betonte: "Es muss aufhören. Ich werde mich mit dem heutigen Tag nicht mehr wegducken. Auch auf die Gefahr hin, dass ich irgendwann mit Leibwächtern durch die Gegend laufen muss."
Der Präzedenzfall von Sinsheim wirft unweigerlich die Frage auf: Wie viel Macht haben einzelne Fans und Fangruppen zukünftig in der Bundesliga? Und mit welchen Mitteln können sie Unterbrechungen oder gar einen Spielabbruch erzwingen? Die wenigen Anhänger, die ihre eigenen Ziele über das Geschehen auf dem Rasen stellen, scheinen nun eine zusätzliche Plattform zu haben. Dies könnte die Fantasie bei weiteren Hassplakaten schüren und den Konflikt weiter verschärfen.
Die Attacken mehrerer Fangruppen, die sich gegen Kollektivstrafen wie den zweijährigen Auswärtsbann für BVB-Fans in Sinsheim richten, sind nicht neu. Neu ist der rigorose Umgang des DFB und von Schiedsrichter Christian Dingert, der unverzüglich unterbrach, als das erste Hass-Plakat im Bayern-Block aufgetaucht war.
DFB will Grenzen aufzeigen
Der gerne gesellschaftskritische Christian Streich ordnete die Vorfälle im Sinsheimer Stadion in einen größeren Zusammenhang ein. "Was in diesem Land in den letzten zehn Monaten passiert ist, in puncto Hetze, in puncto Anschläge auf Politiker, auf jüdische Einrichtungen und jetzt auf eine türkische Shisha-Bar, ist extrem gefährlich", sagte der Trainer des SC Freiburg, der in Dortmund die Schmähgesänge der BVB-Fans gehört hatte. "Diese Hetze gegen Menschen ist nicht hinnehmbar."
"Jetzt ist Schluss, jetzt müssen die Grenzen gezeigt werden", sagte DFB-Präsident Fritz Keller. Er erklärte, der Drei-Stufen-Plan mit Unterbrechung, Stadiondurchsage, Spieler in die Kabine schicken und notfalls Abbruch gelte "für Hassplakate jeglicher Art, auch Rassismus und Antisemitismus".
Nur reagiert der Verband spät. Während bei den rassistischen Vorfällen gegen Herthas Jordan Torunarigha im Pokalspiel auf Schalke jüngst nicht einmal unterbrochen wurde, handelte der Schiedsrichter diesmal konsequent und unverzüglich. Das wirft bei vielen Beteiligten Fragen auf. Kritik muss sich der DFB auch beim Fall von Herthas B-Jugend gefallen lassen. Die Junioren hatten im Februar wegen rassistischer Vorfälle geschlossen den Platz verlassen - das Spiel wurde anschließend als Niederlage für die Berliner gewertet.
Bayern-Fans uneinsichtig
Die wenig einsichtigen Bayern-Fans nannten die Unterbrechung vom Samstag "einfach nur überzogen und absurd" und prophezeiten in einer Mitteilung am Abend: "Will man zukünftig immer, wenn solche Beleidigungen auf der Zuschauertribüne geäußert werden, Fußballspiele ab- oder unterbrechen, wird man keine Partie mehr über 90 Minuten spielen können."
Dass auch Dortmund-Anhänger und am Abend Köln-Fans den 79-jährigen Hopp noch einmal ausdrücklich schmähten, könnte ein Vorgeschmack auf die kommenden Wochen gewesen sein.
Der Milliardär selbst äußerte sich erst am Sonntag. "Mir geht es den Umständen entsprechend. Ich habe soviel zu tun, sitze am Schreibtisch und mache meine Arbeit. Es ist leider eine neue Dimension erreicht", berichtete Hopp bei Sport1. Die Solidarität habe er "gesehen und gespürt und es ist natürlich eine große Hilfe, dass da jetzt durchgegriffen wird".
"Ducken sich viel zu oft weg"
Sein Weggefährte Rummenigge, der Hopp schon in der Loge in den Arm genommen hatte, entschuldigte sich: "Ich schäme mich zutiefst aus Sicht des FC Bayern für diese Chaoten. Es ist der Moment gekommen, wo der gesamte deutsche Fußball gemeinsamen Schrittes gegen diese Chaoten vorgehen muss", sagte der Funktionär. Die Verursacher seien gefilmt worden.
Die Mächtigen in Klubs und Verbänden rügte Rummenigge mit einem Satz ganz explizit und ausnahmslos: "Alle Verantwortlichen im Fußball ducken sich viel zu oft weg, weil sie glauben, in der Kurve ist eine Macht." Dies sei aber "eine Minderheit, die es jetzt ganz klar an den Pranger zu stellen gilt und gegen die es vorzugehen gilt".