Sport/Fußball

Gala der Menschlichkeit: Der spezielle Rapid-Trainer

Es ist ruhig heute Abend im neuen Trainingszentrum des SK Rapid in der Nähe des Wiener Stadions. Er hat seinen 26 Spielern für heute freigegeben: „Weil sie gestern bei unserem Charity-Golf-Turnier in Ebreichsdorf mitgeholfen haben.“

Bleibt mehr Zeit zum Reden.

Jürgen Kerber erzählt gerne über seine Arbeit bei den Wiener Grün-Weißen. Er ist der Cheftrainer einer der wichtigsten Mannschaften des Traditionsvereins (die U 18) und der Cheftrainer des weit über Hütteldorf und die Leopoldstadt hinaus respektierten „special needs“-Teams.

„Wir waren die Ersten in Österreich, die in Kooperation mit dem Wiener Behindertensportverband ein Team aufgebaut haben“, freut sich Jürgen Kerber. Das war 2014. Der damalige General Manager gab nach einer Visite beim FC Liverpool mit viel Leidenschaft den Anstoß für das soziale Engagement in Wien.

Alle Inhalte anzeigen

Gefragter Pädagoge

Dass man den Vorarlberger Trainer Jürgen Kerber mit der damals neuen Aufgabe betraut hat, war wohl nicht ganz zufällig. Fußball gespielt hat er selbst bis zu einer schweren Knieverletzung beim FC Dornbirn. Nach einer profunden Ausbildung zum Elementarpädagogen hat er zehn Jahre lang in Wiener Kindergärten gearbeitet und parallel Erfahrung als Fußballtrainer gesammelt.

Sofort erkennbar: Der Pädagoge im Fußballer-Outfit kann gut mit Menschen. Und er steht absolut auf seine „special needs“-Kicker: „Es ist für mich wunderschön zu sehen, wie sich fast alle entwickelt haben.“ Nicht nur auf dem Spielfeld, als selbstbewusste Spieler des SK Rapid Wien, auch persönlich: „Die einen konnten inzwischen die Ausbildung abschließen, die anderen konnten ihre eigene Wohnung beziehen.“

Und sportlich glänzt das älteste „special needs“-Teams Österreichs natürlich auch. Gerne erinnert sich Jürgen Kerber an den Sieg gegen den FC Chelsea anlässlich der Eröffnung des neuen Stadions in Hütteldorf: „Gleich nach dem Spiel gab es minutenlange Ovationen von unserer Westtribüne. Ich erinnere mich sehr gerne daran, weil das die Spieler sehr genossen haben.“

Inzwischen haben einige andere österreichische Bundesligisten sich an Rapid ein Beispiel genommen: Bei Turnieren treten jetzt auch die „special needs“-Teams der Wiener Austria, der Vienna, von St. Pölten oder auch Altach an, um nur einige an dieser Stelle zu nennen.

Alle Inhalte anzeigen

Vorbildliches Format

Auf ihre Fahnen heften dürfen sich die Rapidler ein spezielles Format, das sie entwickelt haben und dem sie bis heute konsequent folgen. Der Pädagoge am Spielfeldrand erklärt das so: „Bei uns sind Menschen mit einer Sehbehinderung ebenso sehr willkommen wie Gehörlose, geistig oder körperlich Beeinträchtigte.“

In zwei Leistungsstufen (das Champions Team spielt mit einem Tormann und sechs Feldspielern, das European Team eins plus vier) kommen alle Spieler regelmäßig zum Einsatz: „Weil wir nichts davon haben, wenn einer fünf Tore in einem Spiel erzielt und alle anderen tatenlos zuschauen müssen“, sagt der Chefcoach ohne Wenn und Aber.

Im Übrigen wird Jürgen Kerber im Training und bei Spielen von einem Team an Freiwilligen unterstützt, darunter ein Physiotherapeut, ein Gebärdensprachdolmetscher, zwei weitere Trainer und nicht zuletzt ein Tormanntrainer. „Das ist so wie bei unseren Akademiemannschaften – schon sehr professionell.“

Seit Kurzem gibt es auch ein „special needs“-Kids-Team: „Alle, die das interessiert, bitte anmelden.“

Wir nominieren: Bis zur „Gala der Menschlichkeit“  am 10. November porträtiert die Redaktion 16 Menschen, die sich unentwegt, uneigennützig und ohne großes Aufsehen zu erregen in den Dienst der Gemeinschaft stellen.  Heute: Der aus Vorarlberg stammende Fußballcoach und Elementarpädagoge Jürgen Kerber, der abseits der Schlagzeilen auf den Sportseiten Tag für Tag versucht, die Spieler seiner Teams besser zu machen.

Sie nominieren: Wenn Sie auch jemanden kennen, der eine Auszeichnung verdient hätte,
dann reichen Sie bitte jetzt einfach und ohne großen Aufwand ein, und zwar hier.