Sport/Fußball

Die letzte Reise des Fußball-Botschafters Alfred Riedl

Noch im Spätherbst schwang Alfred Riedl morgens ab 7 Uhr den Golfschläger. Noch im Dezember hatten ihn die Indonesier zum vierten Mal als Teamchef ins größte muslimische Land der Welt zurückholen wollen. Noch zu Pandemie-Beginn gab er Medien, die vom Weltenbummler wissen wollten, wie Sportler in fernen Ländern mit Viren umgingen, freundlich Auskunft, die eigene schweren Krankheiten verschweigend. Noch nach dem Liga-Re-Start äußerte er sich nur anerkennend über die aktuelle Kicker-Generation. Noch vor zwei Wochen huschte ihm, als ihn sein Teamchef-Vorgänger Pepi Hickersberger besuchte, beim Nostalgieplausch über einstige Fußballabenteuer ein gequältes Lächeln über die verschwollenen Lippen.

In der Nacht von Montag auf Dienstag hat Riedl daheim in Pottendorf, von seiner Gattin Jolanda bis zuletzt aufopfernd gepflegt, den Kampf gegen den Krebs verloren. Der zweifache Vater wurde 70 Jahre alt. Ein schrecklicher Jahresbeginn, als er am 1. Jänner nach einer OP mit aufgeplatzter Wunde aufwachte, sollte richtungsweisend für 2020 sein.

Als schussgewaltiger Stürmer war der 1,86 Meter große junge Riedl einst sowohl bei der Wiener Austria als auch danach in Belgiens oberster Liga (dort sogar zwei Mal) Schützenkönig geworden.

Abenteuer

Riedl prahlte nie mit seinen Heldentaten. Schon gar nicht als Trainer, obwohl er in nicht weniger als zehn verschiedenen Ländern unter teils gefährlichen Bedingungen zu arbeiten wagte.

Das Teamchefamt, das er beim ÖFB auf Bitte des damaligen Präsidenten Beppo Mauhart 1990 nach dem 0:1 gegen die Färöer angetreten hatte, gestand er nicht nur einmal, sei zu dieser Zeit noch eine Nummer zu groß für ihn gewesen. Ihm habe die Erfahrung gefehlt.

Auch das zeichnete den Menschen Riedl aus. Er zeigte stets Mut zur Selbstkritik, die unter seinen insgesamt 17 zum Teil unberechenbaren Arbeitgebern auch notwendig war.

Riedl startete seine ausländische Trainerkarriere in Marokko, wo er nach einem Bandscheibenvorfall vom Sanitätskammerl aus auf französisch den Übungsbetrieb leitete.

Riedl coachte den 90.000 Mitglieder starken ägyptischen Top-Klub Zamalek, wo er auf muslimische Bräuche (wenn Spieler z. B. wegen des Abendgebets das Training unterbrachen) ebenso Rücksicht nahm wie in den arabischen Emiraten.

Riedl musste in Kuwait schon Gasmaske anlegen, als Saddam Husseins irakische Truppen einzufallen drohten.

Riedl war, sich politisch stets neutral verhaltend, erster (nicht unerfolgreicher) Teamchef Palästinas in WM-Qualifikationsspielen auf neutralem Boden in Katar.

Riedl baute als Sportdirektor in Teheran Strukturen im iranischen Verband auf, obwohl er befürchten musste, bespitzelt zu werden.

Riedl erlangte in Hanoi Legendenstatus, als er aus körperlich eklatant unterlegenen Fußballern Sieger in der Südostasien-Meisterschaft machte.

Riedl sei ein wunderbarer Botschafter für Österreich, ließ damals der echte Botschafter in Hanoi (Johannes Peterlik) dem KURIER-Chefredakteur von Vietnam aus wissen, während hierzulande Berichte über Riedl von Skeptikern für Münchhausen-Storys gehalten wurden.

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Hoffnungsspender

Auch war’s keine Erfindung, dass Vietnams Regierungsspitzen vor einem Staatsbesuch in Wien die Anwesenheit Riedls beim Empfang wünschten. Und dass sich über 150 Vietnamesen freiwillig als Organspender meldeten, nachdem Medien von einem Nierenleiden des Österreichers berichtet hatten. Ein vietnamesischer Fan durfte in Begleitung des vietnamesischen Fußball-Teamarztes mit Riedl dann tatsächlich nach Wien kommen, wo im AKH die Transplantation vorgenommen wurde.

Riedl flog nach erfolgter OP bald wieder quer durch die Welt. War vorübergehend auch Entwicklungshelfer und Teamchef in Laos, ehe er sich mehrmals zu einem Teamchefcomeback im 270 Millionen Einwohner zählenden Indonesien überreden ließ.

Der Niederösterreicher hielt mit asiatischer Niere 13 Jahre durch. Er jammerte nie. Obwohl er wusste, dass die vielen Medikamente sein Immunsystem im Kampf gegen Tumore einmal verhängnisvoll schwächen würden.