Sport/Fußball

Eine Fiesta kommt selten allein

Was war nicht alles zu hören gewesen vor einem Jahr nach dem temporeichen innerdeutschen Champions-League-Endspiel zwischen Bayern München und Dortmund. Die Stars der Spanier seien in die Jahre gekommen und der Erfolgshunger der Welt- und Europameister längst gestillt. Gedemütigt und vorgeführt von Bayern und Dortmund schlichen Barcelona (0:4) und Real (1:4) vor ziemlich genau einem Jahr in den Halbfinal-Hinspielen von der großen europäischen Fußball-Bühne.

Überhaupt waren sich die Kommentatoren damals überraschend einig: Auf der spanischen Treppe würde es ab sofort sowieso nur noch bergab gehen, und es wäre ohnehin bloß eine Frage der Zeit, bis die Nummer eins der FIFA-Weltrangliste vom Thron gestoßen würde.

Alte Schwäche

Mag durchaus sein, dass das Tiki-Taka nicht mehr das A und O des Fußball ist, wie die jüngsten Entwicklungen auch beim FC Barcelona belegen. Mag auch sein, dass die Xavis und Iniestas, die Primgeiger der letzten Jahre, aktuell nicht ganz auf Ballhöhe sind. Und es mag auch sein, dass die Konkurrenz mittlerweile den berühmten Barça-Code entschlüsselt hat.

Aber deshalb gleich eine spanische Fußball-Siesta auszurufen, das ginge dann doch ein wenig zu weit. Zumal jetzt eben die anderen spanischen Vereinsmannschaften gleich im Kollektiv für den schwächelnden FC Barcelona in die Bresche springen und den Gegenbeweis erbringen: Die Madrider Klubs Real und Atlético stehen im Finale der Champions League, dazu kommt ein weiterer Vertreter aus der Primera División im Endspiel der Europa League.

Bayern - Real in Bildern

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Sieht so ein Fußball-Land aus, das sich in der Krise befindet und bei der WM nicht zu den Favoriten gehört? Interessanterweise scheint Spanien bei den internationalen Buchmachern derzeit nicht in den Top drei auf und wird sogar hinter Deutschland geführt. Eine Einschätzung, die in Deutschland nach der Abfuhr der Bayern gegen Real Madrid (Gesamtscore 0:5) niemand teilt. "Wir haben die Stärke des deutschen Fußballs nach dem Triple der Bayern und den Erfolgen von Dortmund zu überhöht eingeschätzt", meint etwa Martin Kind, der wortgewaltige Präsident von Hannover 96. In der Europa League kam keiner der drei deutschen Vertreter (Stuttgart, Freiburg, Frankfurt) über das Sechzehntelfinale hinaus. Im Gegensatz dazu schaffte sogar das abgeschlagene Schlusslicht der Primera División (Betis Sevilla) den Sprung ins Achtelfinale. "Das zeigt uns auch im Hinblick auf die WM, dass der deutsche Fußball nicht so stark ist wie gedacht", sagt Martin Kind.

Neue Stärken

Dafür präsentiert sich der spanische Fußball 41 Tage vor der WM in Brasilien variantenreicher denn je. Denn neben präzisen Kurzpassorgien haben die spanischen Kicker augenscheinlich auch noch den überfallsartigen Konterangriff sowie das disziplinierte wie humorlose Abwehrspiel im Repertoire.

Zwar standen bei Real und Atlético in den Halbfinal-Rückspielen nur je vier Spanier in den Startaufstellungen, doch vor allem bei Real saß noch ausreichend spanisches Potenzial auf der Ersatzbank (Isco, Morata, Illaramendi).

Chelsea - Atlético in Bildern