Sport/Fußball

WM-Tagebuch, 26.11.: Das Beste kommt zum Schluss. Auch in Katar

Samstag, 26. November

Der KURIER macht es wie Österreichs Sportler und verabschiedet sich frühzeitig von der WM. Nach zehn Tagen geht's am Samstag wieder Richtung Wien. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle große Reden und sentimentale Worte. Ich schließe vielleicht mit einer schönen Anekdote.

Als ich Freitagabend das große Medienzentrum verlassen wollte, glaubte ich, noch gut fünf Riyal (rund 1,4 Euro) auf dieser unsäglichen Prepaid-Kreditkarte der FIFA zu haben (ich berichtete davon). Nicht einmal 1,4 Euro wollte ich dem Weltverband schenken. Also ab zum hausinternen Minisupermarkt. In der Süßwarenabteilung wurde ich rasch fündig, die Ernüchterung folgte an der Kasse. Tatsächlich betrug mein Restguthaben 4,75 Riyal. Ehe ich den Schokoriegel zurückgeben konnte, kam der bestimmende Ruf des Kassierers: "Passt schon, nimm ihn! Und gute Reise!" 

Freitag, 25. November

Irgendwann kommt bei jeder Reise der Punkt, an dem man sich nach irgendetwas aus der Heimat sehnt. Das kann der eigene Kopfpolster sein oder das direkte Gespräch mit vertrauten Personen. Und ist dieser Punkt erreicht, entwickelt man ein feines Sensorium für bekannte Dinge im fernen Land.

Und nun, an diesem sehr angenehmen und ruhigen Freitagvormittag war es so weit. Ein Stückchen Wien mitten in Doha. Woran das lag? Erstmals in den zehn Tagen meines Aufenthalts im WM-Land war in einer U-Bahnstation eine Rolltreppe außer Betrieb. Der entscheidende Unterschied zur Heimat? Kein Fluchen, kein genervter Blick, einfach nur stilles Ertragen der Situation.

Apropos Heimat: Donnerstagabend stand im Restaurant "Schnitzel nach Wiener Art" auf der Speisekarte. Sah gar nicht schlecht aus, bis auf die braune Soße, die dazu gereicht wurde.

Jetzt sind wir also hier, in dem Land, über das seit einigen Wochen alle reden, das aber nur wenige wirklich kennen: KATAR. Viel Sand und Sonne und Geld, wenig Menschenrechte und Skrupel. Und schon gar keine Fußballtradition. Aber hey, jetzt ist WM, eines dieser Weltereignisse für die Menschheit.

Mit "wir" meinte ich am Anfang den KURIER, beziehungsweise mich als Reporter im Emirat. An dieser Stelle möchte ich Sie in das Land der scheinbar wirklich unbegrenzten Möglichkeiten mitnehmen. Tag für Tag, Stunde für Stunde, wenn es sein muss. Was sehe ich, was widerfährt mir, worüber muss ich mich ärgern? Nicht alles davon schafft es immer in den gedruckten KURIER, was ich schade finde. Sie sehen schon, es wird hier auch sehr persönlich, viel Ich-Form. Schöne neue (Medien)-Welt.

Oft ist es ja auch gerade das Belanglose, das Skurrile und das Kleine, das so eine riesige Veranstaltung so speziell und auch charmant macht. Doch genau das ist dieses Mal viel schwieriger als sonst. Ist der Blick auf Katar da und dort mit einem Augenzwinkern möglich? Mal sehen. Folgen Sie mir auf dieser Reise!

Donnerstag, 24. November

Katar will sich mit dieser Weltmeisterschaft dem Westen annähern. Wie man das so macht in der westlichen Welt, zeigt der Fußball-Weltverband vor. Zu ihren zahlenden Partnern ist die FIFA besonders freundlich. Sie rückt diese nicht nur prominent in jedes nur mögliche Kamerabild, sondern sorgt auch dafür, dass in den offiziellen FIFA-Zonen (und von denen gibt es einige derzeit in Doha) nichts anderes als FIFA-Partner zu sehen, zu erleben und zu schmecken sind.

Wer essen will, isst bei der Fastfood-Kette des FIFA-Sponsors; wer Durst hat, löscht ihn mit einem Getränk des FIFA-Sponsors; wer das alles bargeldlos bezahlen möchte, muss dies mit einer Karte – Sie ahnen es – des FIFA-Sponsors tun.

Wer keine Karte des FIFA-Sponsors hat und Bargeld in den FIFA-Zonen beheben will, hat die Rechnung ohne die allumfassende Werbepartner-Strategie der FIFA gemacht. Die dortigen Bankomaten akzeptieren nur Karten des FIFA-Sponsors. Das hat man bedacht, die FIFA ist ja nicht dumm. Deshalb gibt es Prepaid-Karten mit einem fix aufgebuchten Betrag.

Ist der nach Fastfood, Softdrink und FIFA-Souvenir aufgebraucht, kann man ja einfach mehr Geld draufladen. Es wäre so schön einfach, doch die Welt der FIFA ist komplexer. Ein Aufladen ist nicht vorgesehen. Man muss immer weiter neue Karten erwerben. Die alten wirft man weg oder man behält sie als – O-Ton am Schalter – „schönes Souvenir für Familie und Freunde“. Da werden sich meine Lieben daheim freuen!

Als erprobter Berichterstatter ist man bei Großveranstaltungen an derlei Irrsinn mittlerweile gewöhnt, bei dieser Endrunde treibt man es aber mehrfach auf die Spitze. Wer etwa keine Lust hat auf die Softdrinks des FIFA-Sponsors und etwas Alternatives mitnimmt, dem wird von den Sicherheitskräften beim Eingang das Etikett entfernt. Werbung soll auch Lust auf ein Produkt machen. Ich bezweifle, ob die FIFA das hier schafft.

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Mittwoch, 23. November

Reisen bildet, heißt es. Auch in Katar, wo Reisen mit den Öffis auch einsam macht. Und verschwitzt. Denn: Hat man die schicken U-Bahnen mitsamt ihren großzügigen und luxuriösen Stationen einmal hinter sich gelassen, wird es am Land schnell ungemütlich. Weder Schatten noch Fahrplan bei den Busstationen gibt es (siehe Foto).

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Aber irgendwann kommt der Bus dann doch und bringt einen mit einmal Umsteigen an die Stadt heran, wo die vollständig automatisierten U-Bahnen warten. Wie das aussieht, sehen Sie hier.

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Dienstag, 22. November

Da ist das Ding, die große Schüssel voller Träume. Im Lusail-Stadion (Foto unten), wo heute Argentinien gegen Saudi-Arabien in die WM eingestiegen ist, wird am 4. Advent (!) der neue Weltmeister gekürt.

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Auf dem Weg zum Stadion stechen links und rechts nicht nur die futuristischen Gebäude ins Auge, die hier, rund 30 Minuten vom Zentrum Dohas entfernt, ein neues Viertel entstehen lassen. Es gibt auch besondere Fahrspuren. Die ordinären VIP-Streifen scheinen den Katarern zu gewöhnlich, weshalb es extra ausgeschilderte VVIP-Spuren gibt. Für Menschen, die sich der Kategorie "VERY VERY IMPORTANT PERSON" zurechnen.

Wer's braucht! Besser sind die aber auch nicht, als alle anderen. Und weil viele (nicht nur in Katar) gerne besonders wichtig sind, ging es auf den normalen Fahrstreifen sogar noch etwas flotter voran. 

Montag, 21. November

Mit Turnieranpfiff bestimmt auch wieder die Pandemie das Leben der Menschen in Katar. Seit Sonntag gelten hier nun also wieder Corona-Maßnahmen, allerdings nur eine, und die nicht zum Schutz der Gesundheit.

Weil in dem Öl- und Gasland am Persischen Golf weiterhin das Auto das Fortbewegungsmittel Nummer eins ist - hypermoderne U-Bahn hin oder her. Deshalb sind acht von zehn Bewohner des Emirats von höchster Stelle angehalten worden, beruflich wieder komplett ins Homeoffice zu wechseln. So wollen die Veranstalter einen Verkehrskollaps auf den ohnehin stets gut frequentierten Asphaltteppichen der Stadt verhindern.

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Im Foto oben sehen Sie das Ungetüm, das mir und vielen anderen auch am Montag im Khalifa-Stadion Schmerzen bereitet hat. Die Rede ist von den mächtigen Luftdüsen der Klimaanlage, die auf dem Spielfeld laut Vorgabe für 21,7 Grad sorgen sollen. Nötig war dies übrigens überhaupt nicht an diesem milden Tag in der Wüste. Fast alle auf den Plätzen hoch oben zitterten, einige flüchteten. Den Bericht dazu lesen Sie hier.

Sonntag, 20. November

Bier scheint - auch - eines der großen Themen dieser WM zu sein. In der gigantischen Fanz-Zone nahe der Strandpromenade, wo ich das Auftaktmatch verfolgte, gab es das rare Gut. Hier, auf diesen wenigen Quadratmetern, will sich Katar besonders offen und Richtung Westen gewandt zeigen.

In den Stadien jedoch bleibt es verboten. So mancher Fan aus dem Ausland wurde erfinderisch, das Foto machte in den Sozialen Medien die Runde und sorgte für Erheiterung. Ob die katarischen Behörden im Zweifelsfall auch so viel Spaß verstehen, ist fraglich.

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Am Tag der Eröffnung füllte sich die Stadt allmählich. Und als Österreicher fühlt man sich hier ein bisschen als Außenseiter. Das hat weniger damit zu tun, dass das Nationalteam nicht qualifiziert ist, sondern mit einem der übelsten Klischees überhaupt.

Small-Talk ist bei so einem Mega-Event die bevorzugte Gesprächsform und eine der Standardfragen lautet: Woher kommst du? "Austria" kommt schnell von den Lippen und ruft - man glaubt es kaum - tatsächlich die freudige Reaktion "Oh, Australia, great" hervor. Nun will ich niemanden belehren, indem man Geographie unterrichtet oder Hilfestellungen a la "Mozart, Arnold Schwarzenegger oder SK Rapid Wien anbietet. Außerdem wäre das gar üppig für ein bisschen Small-Talk.

Man lächelt, schweigt und tut insgeheim ein bisschen Buße. Habe ich die Genialität unterschätzt der Macher und Träger der T-Shirts mit der Aufschrift "No Kangaroos in Austria"? Eigentlich lag der Coolness-Faktor dieses Spruchs für mich irgendwo zwischen Villacher Fasching und Wetterpanorama.

Samstag, 19. November

Noch ein kleiner Nachtrag zu Freitagabend, dem Ausgehabend in arabischen Ländern wie Katar. Auf der Strandpromenade Corniche schlägt so etwas wie das Herz dieser Endrunde. Und die viel kritisierte, weil fehlende WM-Stimmung musste man dort nicht lange suchen. Zwar gibt es noch immer (berechtigte) Debatten über echte oder falsche Fans, bunt und laut und fröhlich war es dann dennoch - wie dieses kurze Video einer Abordnung aus Kamerun beweist.

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Und weil ja immer von der WM der kurzen Wege die Rede ist. Mag sein, dass die acht Stadien da und dort sogar in Sichtweite sind, es handelt sich dabei eher um einen Weitblick. Alles in Doha ist gewaltig, auch die Distanzen und öffentlichen Flächen. Das simple Überqueren einer größeren Straße (unter sechs Spuren fängt man hier gar nicht erst zum Asphaltieren an) kann schon zur zeitraubenden Aufgabe werden.

Der Beweis, mein Schrittzähler vom Freitag. Um für die große Sonntagsreportage im KURIER ein wenig die Stadt zu erleben und zu vermessen, bin ich einfach drauf los spaziert. Ich hoffe, dass es die 18.457 Schritte wert waren. Aber das lesen Sie demnächst noch.  

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Apropos auf der Suche: Freitagabend war es dann soweit, der investigative Versuch, in Doha an ein Bier zu kommen. Die letzten Meldungen dazu haben für viele endgültig das Fass zum Überlaufen gebracht. Wenige Tage vor dem offiziellen Start der WM hatte Katar nun doch beschlossen, den Bierverkauf in und rund um die Stadien zu verbieten (mehr dazu).

Aber in den in vielerlei Hinsicht exklusiven Hotels und einigen wenigen Bars der Stadt ist das dennoch weiterhin möglich. Also rauf mit dem Lift in die 20. Stock und raus auf die Rooftop-Bar. Entspannte Atmosphäre, bis man die Getränkekarte in Händen hält. Der Preis für ein Krügel ist für viele Österreicher ohnehin die härteste Währung. Daher: 15 Euro. In Worten: FÜNFZEHN!!!

Prost! Ich seh' die Dienstreise daher auch als Zeit des Verzichts.

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Freitag, 18. November

Tag 1 in Doha. Man entkommt der Fußball-WM schon bei der Anreise nicht. Robert Lewandowski erklärt die Sicherheitstipps im Flugzeug, Neymar macht die Gratis-SIM-Karte schmackhaft, die mir bald nach der Landung alle in die Hände drücken wollen. Ich ignoriere es - also das mit der SIM-Karte.

In der Unterkunft dann die ersten heimatlichen Gefühle. Vertraute Klänge im Fahrstuhl. Der "Donauwalzer" begleitet mich zu meiner Etage. Den blechernen Beweis gibt's hier zu hören.

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Hitze, diese Hitze

Das mit den erträglichen Temperaturen in Doha im Herbst/Winter ist auch so eine Sache. Mag sein, dass man gerade hier einen ungewöhnlich warmen November erlebt, aber untertags fühlt es sich gerade an wie ein stechender Juli-Tag in Österreich. Weit über dreißig Grad, viel glühender Asphalt, kaum Schatten. Gut, dass im Quartier eine Waschmaschine bereit steht.

Aber wie die Nationalteams hier untertags ihre Trainingseinheiten bestmöglich gestalten wollen, ist mir ein kleines Rätsel. Anders als die WM-Stadien werden die Übungsplätze nicht mit gekühlter Luft umspielt.

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