Sport

Zwei Medaillen in 24 Stunden: Das Olympia-Märchen von Österreichs Judoka

Ehrfurchtsvoll betritt Michaela Polleres die Matten des heiligen Tempels Nippon Budokan. Vier Gegnerinnen hat die 24-Jährige an diesem Tag bereits bezwungen und Chizuru Arai ist die Letzte, die zwischen ihr und der olympischen Goldmedaille in der Gewichtsklasse bis 70 kg steht. Kein leichtes Unterfangen, wenn man im Land des Judos einer Japanerin im Finale gegenübersteht.

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Die Kämpfe zuvor gaben ihr jedoch Selbstvertrauen. Selbstvertrauen, dass sich die ruhige Niederösterreicherin seit ihrem ersten Judo-Training mit acht Jahren langsam aufgebaut hat. Von Schüchternheit war an diesem Tag nichts zu sehen. Polleres zeigte, was sie unter Nationaltrainerin Yvonne Bönisch und Heimtrainer Adi Zeltner gelernt hat und hatte sichtlich Spaß beim Finalkampf – auch wenn dieser nicht ganz nach ihrem Wunsch verlaufen ist.

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Kampf um Gold

„Ich habe bis zum Schluss gekämpft und alles gegeben. Es hat leider nicht gereicht. Es ist schon Wehmut dabei. Man steht im Finale, sicher will man gewinnen. Aber ich bin trotzdem zufrieden und glücklich mit der Silbermedaille“, sagt Polleres nach dem Finale.

Arai, die Weltmeisterin von 2017 und 2018, gab ihre Chance auf einen olympischen Heimerfolg von der ersten Sekunde an nicht aus den Händen. Nach etwas mehr als einer Minute brachte sie Polleres zu Boden und beendete den Kampf mit der letztlich entscheidenden Waza-Ari-Wertung. Polleres blieb bis zum Schluss aktiv, doch die Japanerin brachte den Festhaltegriff über die Zeit. Dennoch ging für die österreichische Olympia-Debütantin ein Traum in Erfüllung.

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„Ich kann es nicht glauben. Im Moment weiß ich nicht, wie ich es in Worte fassen soll. Es ist ein unglaubliches Gefühl“, sagt Polleres im ORF-Interview.

Der Weg ins Finale

„Am Anfang war ich sehr nervös, das hat sich im Laufe des Tages allerdings gelegt. Beim Einzug ins Finale war ich wieder nervös, aber ich habe mich richtig aufs Kämpfen gefreut.“

Mit der Waza-Ari-Wertung setzte sich Polleres bei ihren Kämpfen zuvor durch. Die Erste, die daran glauben musste, war die Irin Megan Fletcher. Ihr folgte die Südkoreanerin Kim Seongyeon im Golden Score. Beide mussten bereits bei der Weltmeisterschaft in Ungarn eine Niederlage gegen Polleres einstecken. Im Viertelfinale stand sie der regierenden Weltmeisterin Barbara Matic aus Kroatien wieder gegenüber. Mit ihr hatte Polleres nach der WM-Halbfinal-Niederlage noch eine Rechnung offen. „Wir haben uns eine gute Taktik überlegt: Dass ich nur links kämpfe und die Zughand kontrolliere. Wie man sieht, ist das ganz gut aufgegangen“, sagt Polleres nach ihrem Einzug ins Halbfinale.

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Im Juni holte sie mit Sanne van Dijke gemeinsam die WM-Bronzemedaille. Am Mittwoch standen die beiden einander im Halbfinale gegenüber. „Die Holländerin ist eine sehr harte Gegnerin, ich habe da Ruhe bewahrt“.

Die Erleichterung war riesig, als Polleres die Niederländerin nach einer Waza-Ari-Wertung mit Sumi-gaeshi besiegte und ihr die Silbermedaille sicher war. „Gegen Van Dijke hatte ich auch ein bisschen Angst. Aber es ist so gut gelaufen für mich, ich bin ganz schön stolz, dass ich so gute Kämpfe abgelegt habe.“

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Meilenstein im Judo

Stolz kann die junge Österreicherin mit Sicherheit auf ihre Leistungen sein. Die Silbermedaille ist ein Meilenstein in der österreichischen Judo-Geschichte der Frauen.

Vor ihr schaffte dies nur Claudia Heill (Klasse bis 63 kg) bei den Spielen in Athen 2004. Umso überraschender ist es, dass nach der Bronzemedaille von Teamkollege Shamil Borchashvili bereits zwei Judoka innerhalb von 24 Stunden Edelmetall holten. 

Mit der Goldenen von Anna Kiesenhofer beim Rad-Straßenrennen ist der Medaillensatz des ÖOC-Teams in Tokio nun bereits komplett.

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