Kanzler Karl Nehammer: "Ich lehne diese Form der Tonalität ab"
ÖVP, SPÖ und Neos nehmen "tiefe Regierungsverhandlungen" zur Bildung einer gemeinsamen Regierung auf. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer sprach gestern in einer Pressekonferenz von einem "Bündnis der Vernunft und der politischen Mitte". Sowohl bei SPÖ als auch bei den Neos habe er "den Willen zur Zusammenarbeit" wahrgenommen.
SPÖ-Chef Andreas Babler unterstrich: "Wir alle drei müssen nicht zusammenarbeiten, wir möchten zusammenarbeiten. Wir wollen eine Koalition mit der Bevölkerung." Ganz ähnlich klang Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: "Den gemeinsamen Willen wollen wir heute zum Ausdruck bringen."
Geplant sind laut KURIER-Informationen sieben inhaltliche Hauptgruppen. Mehr dazu im Detail lesen Sie hier:
In der ZIB2 nahm Kanzler Nehammer Montagabend zu den Verhandlungen Stellung. Ein neuer Präsident in den USA, der Ampel-Bruch in Deutschland: Die Welt stehe im Umbruch, so Nehammer. Daher sei es aus seiner Sicht "wichtig", eine Koalition "der Stabilität und der Vernunft aus der Mitte" zu bilden, "die von einer Mehrheit in der Bevölkerung und damit auch im Parlament tatsächlich auch getragen ist."
"Da herrscht eine andere Tonalität"
Angesprochen auf das atmosphärische Klima am Verhandlungstisch und auf einen Sager von Neos-Parteichefin Meinl-Reisinger am Wochenende bei einer Landesmitgliederversammlung, den Schwarzen und Roten in den Hintern treten zu wollen, meint Nehammer: "SPÖ und Neos waren jetzt viele Jahre in der Opposition, da herrscht eine andere Tonalität. Ich lehne diese Form der Tonalität ab, habe das auch klargemacht, entscheidend ist, dass man in den Inhalten zusammenkommt." Politik solle so gemacht werden, "dass sie die Menschen unmittelbar spüren."
Österreichs Konjunkturmotor stottert, die Wirtschaft kommt nicht so recht in die Gänge, im Budget klafft ein Milliardenloch, der Fiskalrat erwartet für die nächsten Jahre ein höheres Budgetdefizit als zuletzt prognostiziert. Die letzten fünf Jahre hätten das Budget "natürlich massiv belastet" so Nehammer. "Wir haben fünf Jahre hinter uns, die fünf Jahre der Krise sind, von der Pandemie beginnend bis zum Russland-Ukraine-Krieg, bis zur Gasknappheit, dann die hohen Energiekosten und schließlich die Inflationsbekämpfung."
Ausgabenbremse als oberstes Ziel
Ein Sparprogramm werde das nächste Regierungsprogramm aber dennoch nicht, als oberste Prämisse sollte aber eine "Ausgabenbremse" gelten. "Ziel Nummer eins muss sein, Ausgaben genau zu durchleuchten, dort eben die Ausgabenbremse zu ziehen, wo es notwendig und richtig ist und gleichzeitig den Freiraum zu haben zu investieren, damit der Wirtschaftsstandort Österreich tatsächlich wachsen kann." Das Wirtschaftswachstum anzukurbeln sei "das Wichtigste von allem", so der ÖVP-Chef. "Weil daraus entstehen Arbeitskräfte, also Arbeitsplätze, und auf der anderen Seite auch Steuereinnahmen, die wir dann wiederum brauchen, um eben das Budget zu stabilisieren."
"Es braucht diese Sideletter nicht, es braucht die Transparenz"
Am Samstag sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei der Landesmitgliederversammlung, die Dreierkoalition sollte ohne Sideletter funktionieren. Dazu sagt Nehammer: "Es braucht diese Sideletter nicht, es braucht die Transparenz. All das, was an Posten in der Republik vergeben wird und dann tatsächlich auch politisch ausgehandelt werden muss, ist im Gesetz geregelt und daher gibt es überhaupt keinen Grund, hier Nebenabsprachen oder Geheimabsprachen zu führen, man kann alles offenlegen." Denn: Je transparenter ein Vorgang sei, umso besser könne man darstellen, "warum, welche Postenbesetzungen dann auch tatsächlich stattfinden," so Nehammer. Dass es keinen Sideletter braucht, habe er bereits in seinem im Vorjahr vorgestellten Österreich-Plan dargelegt.
Wie lange die Dreier-Gespräche dauern werden, konnte Nehammer nicht beantworten. Zum einen sei es Ziel, "so schnell als möglich zu verhandeln." Andererseits ginge es jetzt darum, "Problempunkte" zu identifizieren. "Wo es knirscht und dort wo man eben nicht so schnell zueinander findet", brauche es Gesprächsbedarf, "damit nachher dann eine Regierung auch effizient arbeiten kann."