Woche der Entscheidung: Letzte Chance für die Corona-Wende
Von Christian Willim
"Das Virus ist jetzt überall. Ich gehe davon aus, auch in diesem Raum", beschrieb Alexandra Kofler, ärztliche Direktorin des Landeskrankenhauses Innsbruck, am Montag vergangener Woche bei einer Pressekonferenz das aktuelle Infektionsgeschehen.
Seither haben die Tageswerte bei den Neuinfektionen in Österreich eine Rekordmarke nach der anderen gebrochen: erstmals über 6.000 waren es am Mittwoch, am Donnerstag wurde die 7.000er-Schwelle durchbrochen. Und am Samstag jene von 8.000 Covid-19-Infektionen an einem Tag.
Statistisch betrachtet werden allein von diesen 8.241 Corona-Fällen in den nächsten Tagen etwa 80 auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Dort lagen am Sonntag bereits 459 Covid-19-Erkrankte.
Das sei ein Zuwachs um rund 58 Prozent in dieser Woche, erklärte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und stellte klar: „Die nächsten Tage werden zu Tagen der Weichenstellung. Kommt es zu keiner Entspannung durch Wirksamkeit des Teil-Lockdowns, dann werden wir den Teil-Lockdown verschärfen müssen.“
Noch „im Korridor“
Ende der Woche will die Bundesregierung entscheiden, ob es neue Maßnahmen braucht, um einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern. Noch sei man – trotz der hohen Infektionszahlen – „im Korridor“, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Also auf einem Weg, der die Wende noch möglich macht.
Aufruf aus allen Bundesländern
Die Trendumkehr muss aber in dieser Woche sichtbar werden. Die Gesundheitsreferenten aller Bundesländer richteten am Sonntag deshalb in einer gemeinsamen Erklärung einen eindringlichen Appell an die Bevölkerung, die Maßnahmen einzuhalten.
„Die Lage ist ernst“, hieß es in einer Aussendung. Auch das beste Gesundheitssystem könne in Ausnahmesituationen an seine Grenzen geraten. Das gelte es zu verhindern.
Laut Experten sollten von den bundesweit rund 2.000 Intensivbetten nicht mehr als 800 – das entspricht 40 Prozent – mit Corona-Fällen belegt werden. Der Rest wird schlicht für Akutfälle wie etwa Herzinfarkte benötigt.
Der Tagesstand an verfügbaren Intensivbetten ist trügerisch. Denn jede Welle an täglichen Neuinfektionen wird erst mit Zeitverzögerung in den Spitälern spürbar.
Anschober appellierte am Sonntag ebenfalls an die Bevölkerung, die Kontakte zumindest zu halbieren, den Mindestabstand einzuhalten, Maske zu tragen, die Maßnahmen konsequent einzuhalten und die Stopp Corona App zu verwenden.
Kommunikativ hat die Politik freilich bereits im Frühjahr mit drastischen Warnungen vor den möglichen Folgen einer ungebremsten Corona-Welle viel Pulver verschossen. Doch dieses Mal ist die Nervosität vor allem auch in den Spitälern auf einem gänzlich anderen Niveau.
Sorgen in den Spitälern
„Wir können es nur schaffen, wenn die Bevölkerung mithilft“, lautete im KURIER-Gespräch der fast verzweifelte Befund einer Krankenhausmitarbeiterin im Westen Österreichs. Viele Möglichkeiten zum Nachschärfen habe auch die Politik nicht mehr.
Die blickt – neben den Spitalskapazitäten – vor allem auf einen Wert: die Sieben-Tages-Inzidenz. Die führt vor Augen wie viele Menschen pro 100.000 Einwohnern sich innerhalb einer Woche mit dem Corona-Virus infiziert haben. Am höchsten sind diese Zahlen laut AGES-Dashboard in Vorarlberg, gefolgt von Oberösterreich und Tirol.
In Tirol gibt es mit Schwaz bereits einen Bezirk, der mit einer Inzidenz von 1.125,4 die Schwelle von 1.000 Fällen überschritten hat. Das heiß umgerechnet: Hier hat sich alleine innerhalb der vergangenen Woche einer von 100 Menschen mit Covid-19 infiziert. Die Bezirke Dornbirn (Vorarlberg) und Eferding (OÖ) kratzten am Sonntag ebenfalls an dieser Marke.
Zur Erinnerung: Deutschland sprach seine ersten Reisewarnungen für österreichische Bundesländer wegen einem Übersteigen der Sieben-Tages-Inzidenz von 50 aus. Österreich liegt aktuell bei einem Wert von 461.
Dass die Zahl der Neuinfektionen am Sonntag knapp unter 6.000 – genau 5.933 – lag, ist noch kein Signal für Entspannung. Am Wochenende werden stets weniger Testergebnisse eingemeldet.