Wie der Klimaschutz zum Wahlkampfhit werden konnte
Von Bernhard Gaul
Ob Sebastian Kurz als Außenminister und dann ÖVP-Parteichef noch vor der Wahl 2017 die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen hat, ist – egal ob das so stimmt, oder nicht – eine der zentralen Sätze im Wahlkampf gewesen. Und laut Wahlmotiv-Forschung auch ein wesentlicher Grund für den Wahlerfolg der türkisen ÖVP unter Kurz.
2019 ist alles anders. Nicht die Flüchtlingskrise, so ungelöst sie von der Türkei bis Libyen für die Europäische Union auch ist, ist das Kernthema dieses Wahlkampfs, sondern der Klimaschutz. Und das ist im Grunde sehr überraschend: Denn bei einer Umfrage der European Social Survey aus dem Jahr 2017, bei der in 18 verschiedenen Ländern Ansichten und Einstellungen rund ums Klima erhoben wurden, gaben lediglich 28 Prozent der Befragten in Österreich an, der Klimawandel bereite ihnen Sorge – gegenüber 44,8 Prozent in Deutschland.
Doch anders als 2017 haben inzwischen die Bundes- und Landespolitik die Klimakrise zum Thema gemacht. Die Parteien haben begonnen, Lösungsideen vorzustellen. Selbst die Freiheitlichen, die unter Ex-Obmann Strache nicht müde wurden, den Klimawandel in Abrede zu stellen, anerkennen in Person des neuen Obmanns Norbert Hofer grundsätzlich den vom Menschen verursachten Klimawandel.
Aber wie konnte das geschehen? 42,6° Celsius hatte es Ende Juli im deutschen Emsland. Ein noch nie da gewesener Rekord. Die Franzosen verzeichneten sogar 46°C. Währenddessen beginnt es im vermeintlich kalten Norden in der viel zu trockenen Arktis zu brennen, sogar aus dem Weltall kann man die Waldbrände entdecken. Gleichzeitig tauen Permafrostböden auf, was die Forscher eigentlich erst am Ende dieses Jahrhunderts erwartet hatten. Die Wissenschaft und wenige Politiker warnen zwar schon seit vielen Jahren vor dem drohenden Klimakollaps, mit Fakten und Videos, mit unzähligen Studien und bei zahlreichen Welt-Klimakonferenzen.
Faktor Thunberg
Aber das Thema so zu kommunizieren, dass es plötzlich weltweit wahr- und ernstgenommen wird, das hat eine 15-jährige schwedische Schülerin geschafft: „Erwachsene sagen immer wieder, sie seien verpflichtet, uns jungen Menschen Hoffnung zu geben. Ich will eure Hoffnung aber nicht. Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr panisch seid. Ich will, dass ihr die Angst, die ich jeden Tag verspüre, spürt. Ich will, dass ihr handelt, als würde unser Haus brennen, weil es brennt.“ Mit solchen Reden hat Thunberg weltweit in Hunderten Ländern und Tausenden Städten die Jugend mobilisieren können. Inzwischen haben sich auch „Scientists for Future“ und „Parents for Future“ angeschlossen.
Österreichs Innenpolitiker werden am Thema dranbleiben – müssen. Denn was immer in den letzten Wochen vor dem Wahltag am 29. September passieren wird, sicher ist, dass die Klimakrise und Antworten darauf gefragt sein werden. Das hat zwei gute Gründe: In der Woche unmittelbar vor der österreichischen Nationalratswahl findet die „Global Week for Future“ von Thunbergs „Fridays for Future“-Bewegung statt, und es werden weltweit, und wohl auch in Österreich sehr viele auf die Straße gehen. Zeitgleich, am 23. September, lädt UN-Generalsekretär Antonio Guterres zum „Climate Action Summit“ nach New York. Er verlangt, dass alle Staaten ihre Klimaschutz-Ambitionen deutlich steigern. Wer weiß, vielleicht werden die Spitzenkandidaten dann versprechen, die Lücken in der Klimaschutzpolitik zu schließen.
Bevor der Mensch begann, überall auf der Welt fossile Energieträger, zuerst Kohle, dann Öl und Gas, zu nutzen, lag die -Konzentration der Erde bei etwa 280 ppm (parts per million). Bis heute ist die Konzentration auf über 410 ppm angestiegen. Treibhausgase behindern die natürliche Wärmeabstrahlung der Erde ins Weltall, sie wirken wie das Glas von Treibhäusern. Und das hat inzwischen zu einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur von über einem Grad Celsius geführt. Das Pariser Klimaziel will die Erwärmung auf „deutlich unter 2° C“ begrenzen, genannt wird auch das Ziel, den Anstieg auf 1,5° C zu begrenzen, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde.