Werner Kogler über ÖVP-Bünde: "Nehmen die im Kanzleramt in Geiselhaft"
Während über eine mögliche Dreierkoalition zwischen ÖVP, SPÖ und Neos verhandelt wird, resümiert Werner Kogler die vergangenen Jahre grüner Bundespolitik. Wie der ehemalige Vizekanzler erklärt, seien in den letzten fünf Jahren sehr große Reformen gelungen: "Die Folgen der Teuerung wurden für viele Gruppen abgefangen. Für Mindestpensionistinnen, für Alleinerzieherinnen gibt es wesentlich mehr." Darauf sei er stolz.
Wie bereits im Gespräch mit KURIER besprochen, erklärte Kogler Martin Thür rund ums Budget, dass die Welt nicht untergehen werde, da man die Dimensionen sehen müsse. Einen "Scherbenhaufen" will er "mit Sicherheit" nicht sehen, da es "schon wesentlich dramatischere Schuldenstände gegeben" habe. Er sieht sich jedoch fähig zur Selbstkritik und räumt ein: "Man kann immer darüber reden, wo hätte man sinnvollere Ausgabenpolitik machen können. Über weite Strecken war sie sehr sinnvoll." Er kritisierte den Föderalismus in den Bundesländern und sprach von einer "milliardenschweren Folklore".
Österreich ist "Kreisverkehr Europas"
Das Problem sehe Werner Kogler auch in der rückwärtsgewandten Politik anderer Parteien und meint: "Wir müssen nicht so viele Autobahnen bauen". Das seien Projekte aus einem vorigen Jahrhundert. Österreich sei zum "Kreisverkehr Europas" geworden, das führe nirgendwo hin. Wenn das Zugnetz besser ausgebaut werde, habe sich laut ihm aber dieses Problem auch erledigt.
In Rückschau sei es schwer gewesen, sich gegen die ÖVP durchzusetzen, wie Kogler erklärt: "Denn in Wahrheit gibt es drei ÖVP, den ÖAB, die sitzen im Kanzleramt, den Wirtschaftsbund und der Bauernbund. Und die beiden anderen Bünde nehmen die im Kanzleramt in Geiselhaft".
Schlechtes Wahlergebnis für Grüne und die Zukunft für Kogler
Innerparteilich gab es bisher keine Kritik an Werner Kogler. Er selbst betont: "Wir sind durchaus auch selbstkritisch. Die Konsequenzen sind die, dass wir als Team weiter zusammenhalten." Zu den schlechten Wahlergebnissen bei der Nationalratswahl sei zu beachten, dass man von historischen Höchstständen komme. Sein Plan für die Opposition lautet deshalb: "Wir krempeln die Ärmel auf. Wir dürfen uns inhaltlich nicht mehr alles gefallen lassen." Der Klimaschutz werde laut ihm auch inhaltlich abgewertet und, "da waren wir ehrlich gesagt zu naiv. Da bin ich für einen schärferen Kurs. Ich hab da und dort danebengehaut, das kann man ja offen eingestehen".
Abschließend erklärte Werner Kogler noch auf den neuen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz (FPÖ) gefragt, dass er an seiner Kritik festhalte. Es sei darum gegangen, dass sich jemand, der sich als Parteisoldat einer Partei bezeichne, die mit Anlauf die demokratischen Rechte abbauen will, ein so wichtiges Amt bekleide. Den erwähnten Abbau der Demokratie könne man laut Kogler nun auch direkt mitanschauen. "Mittlerweile sehen es alle so, auch die ÖVP". Zum Beispiel habe Christian Stocker klare Worte gefunden und gemeint, dass das Vertrauen missbraucht wurde, als Viktor Orbán in Österreich empfangen wurde.