Politik/Inland

"Auf gut Österreichisch": Regierung Bierlein von Van der Bellen angelobt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montag die neuen Minister der Übergangsregierung angelobt. Das Kabinett von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein besteht aus zwölf Mitgliedern und bleibt bis zur Angelobung der neuen Regierung im Amt, die dann nach der - voraussichtlich im September stattfindenden - Nationalratswahl gebildet wird. Das neue Übergangskabinett ist eines der kleinsten und das bisher weiblichste in der Zweiten Republik. Es besteht Geschlechterparität.

Um 13 Uhr wird es ein erstes Statement der neuen Kanzlerin geben. KURIER.at berichtet ebenfalls per Livestream und Live-Ticker.

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Van der Bellen spricht von "Vertrauensregierung"

Unmittelbar vor der Angelobung warb Van der Bellen bei der Bevölkerung um Vertrauen in die Politik. Er habe nach Auftauchen des "verstörenden" Ibiza-Videos gebeten, nicht alle Politiker in einen Topf zu werden. "Bitte wenden sie sich nicht ab. Prüfen sie in nächsten Monaten bis zur Nationalratswahl (...), wem sie ihre Vertrauen schenken und ich bitte sie jetzt schon: Gehen sie im Herbst zur Wahl."

"Es sind die allerwenigsten Politiker so. Österreich ist nicht so", wiederholte Van der Bellen mit Blick auf das Ibiza-Video von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus seine schon mehrmals geäußerten Worte. Bezüglich der neuen Übergangsregierung erinnerte der Präsident daran, dass er von einer "Vertrauensregierung" gesprochen habe. "Vertrauen ist die Grundlage unsere Zusammenlebens insgesamt und natürlich die Grundlage von Politik. Auch wenn es schwierig erscheint, auf der politischen Ebene, Vertrauen zu erwerben, muss man es dennoch immer wieder versuchen", sagte er.

Er sprach den neuen Regierungsmitgliedern seinen Dank und auch Respekt aus - "dafür, dass sie sich in dieser nicht einfachen Situation zur Verfügung stellen, diese Verantwortung zu übernehmen." Alle neuen Mitglieder der Übergangsregierung würden damit "staatspolitische Verantwortung" zeigen. Seinen Dank richtete er auch an die Mitglieder der Interimsregierung unter Hartwig Löger, die er gleichzeitig mit der Angelobung der neuen Regierung enthob.

 

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"Na, das mach' ma schon"

Van der Bellen betonte neuerlich den Wert der Österreichischen Bundesverfassung. Diese sei eine der Regeln, Werte und Prinzipien, "auf die man sich verlassen kann, auf die wir gemeinsam bauen". Die Bundesverfassung habe "in den letzten Tagen und Wochen gezeigt, dass sie für alle Eventualitäten die grundlegenden demokratische Spielregeln vorgibt." Auch wenn es gewissen Situationen in der Zweiten Republik noch nicht gegeben habe, "ist in unserer Bundesverfassung Vorsorge getroffen für alle Eventualitäten, mit denen wir überraschend konfrontiert sein könnten".

Darüber hinaus betonte Van der Bellen, man könne in derartigen Situationen auch auf "das typisch Österreichische" aufbauen: Der erste Punkt dabei sei die Zuversicht - "auf gut Österreichisch: 'Na, das mach' ma schon, das krieg' ma schon hin', diese grundsätzliche Einstellung", so der Präsident. Es gelte, die positive Chance zu sehen. Zweitens verstehe er darunter den Mut, wie er mit Verweis auf die Bundeshymne sagte ("mutig in die neuen Zeiten"). Und das dritte Wesentliche sei es, im Gespräch zu bleiben. "Auf gut Österreichisch: 'Beim Reden kommen die Leut zsamm. Man setzt sich zusammen und diskutiert das aus. Gerade in den letzten Tagen und Stunden wurde das wieder sehr schön unter Beweis gestellt", sagte der Präsident.
 

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Freude beim Bundespräsidenten über Geschlechterparität

Van der Bellen machte "keinen Hehl" daraus, dass er sich darüber freut, dass er erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin angelobte - und auch darüber, dass gleich viel Männer und Frauen in der Übergangsregierung vertreten sind. "Künftig kann niemand mehr sagen: es geht einfach nicht."

Dem 12-köpfigen Team werden nebst Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein selbst fünf weitere Frauen angehören: Elisabeth Udolf-Strobl (Wirtschaft und Digitalisierung), Brigitte Zarfl (Soziales), Ines Stilling (Frauen), Iris Rauskala (Bildung) und Maria Patek (Landwirtschaft). Damit ist die Hälfte der Posten weiblich besetzt. Den bisher höchsten Frauenanteil hatte das Kabinett von Alfred Gusenbauer mit 40 Prozent.

Als neuer Vizekanzler angelobt wurde Clemens Jabloner, als Innenminister vereidigt wurde Wolfgang Peschorn. Neuer Finanzminister ist Eduard Müller. Ihm wurden auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport übertragen. Das Außenministerium wird künftig von Alexander Schallenberg geleitet. Er übernimmt auch die EU-Agenden sowie jene für Kunst, Kultur und Medien. Verkehrsminister wird Andreas Reichhardt. Als Verteidigungsminister angelobt wurde Thomas Starlinger.

Die Interimsminister sind allesamt keiner Partei zugehörig, weisen aber eine gewisse Nähe auf. Die jeweiligen Ressortchefs sind mehr oder weniger den großen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ zuordenbar, was unter anderem etwaigen Misstrauensanträgen vorbeugen soll

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Überraschung im Innenministerium

Überrascht hat Bierlein am späten Sonntagnachmittag mit der Besetzung des Innenministeriums, denn: Ehe das Kabinett komplett und publik war, wurden zahlreiche Namen als Nachfolger für das von FPÖ-Politiker Herbert Kickl und zuletzt von Experten Eckart Ratz geführte Ressort genannt. Unter anderem Oberösterreichs Landespolizeidirektor Andreas Pilsl. Kaum machte dessen Name am Sonntag die Runde, hagelte es harsche Kritik seitens FPÖ und Liste Jetzt.

Den zuletzt nicht nur ob der BVT- und Ibiza-Affäre wichtigen Posten an der Spitze des Innenministeriums übernimmt nun der bisherige Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn.

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Pilsl: "Es ist anders gekommen"

Pils bezeichnete es heute in einer Reaktion als "große Auszeichnung für die Polizei Oberösterreich und für meine Person, dass er in die engste Auswahl gekommen sei, "es ist aber anders gekommen." Mehr wollte Pilsl zu der Causa um seine Person nicht mehr sagen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker hatte Sonntagnachmittag erklärt, gegen den "Strasser-Mann und Kandidaten der alten schwarzen BMI-Netzwerke" zu sein. Auch SPÖ und NEOS hatten Vorbehalte gegen den ÖVP-Wunschkandidaten.   

Ehemaliger Wehrsportkamerad Straches als Infrastrukturminister

Bis zuletzt spannend war auch die Besetzung des Infrastrukturministeriums, das während der ÖVP-FPÖ-Regierung von Norbert Hofer geführt wurde und durch das Ibiza-Video (Heinz-Christian Strache sprach darin von der Vergabe von öffentlichen Aufträgen) in den Fokus geriet. Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl wurde kolportiert – geworden ist es nun der Leiter der Sektion „Innovation und Telekommunikation“ im Ministerium, Andreas Reichhardt. Der Wiener war unter Norbert Hofer Generalsekretär des Verkehrsministeriums und einst als Wehrsportkamerad von Ex-FPÖ-Chef Strache in die Schlagzeilen geraten.

Überraschend war für einige auch die Bestellung von Thomas Starlinger als Verteidigungsminister. Im Ressort hatte man mit dem SPÖ-nahen Sektionschef Christian Kemperle gerechnet.

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Von den männlichen Ministern standen zwei bereits mit der Bestellung Bierleins fest. Der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Clemens Jabloner, wird Justizminister und Vizekanzler. Alexander Schallenberg wird ab heute für Äußeres und Europa sowie Kunst, Kultur und Medien zuständig sein und damit die Agenden von Karin Kneissl und Gernot Blümel übernehmen.

Ebenfalls länger fest stand die Besetzung des Finanzministeriums durch. Eduard Müller .

Starlinger und Peschorn sind die einzigen Minister, die politisch nicht fix einer Partei zuordenbar sind.

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