SPÖ startet Wahlkampf – mit Slogan und Song, aber ohne Wahlprogramm
Auf dem Viktor-Adler-Markt, benannt nach dem Parteigründer, trudelt immer mehr Publikum ein. Parteigänger sowieso, aber auch Passanten auf dem belebten Platz in Wien-Favoriten bleiben bei der Veranstaltung hängen. Es ist der Wahlkampfauftakt der SPÖ. Rote Fahnen, Stehtische und Bierbänke. Nach der „Weltpremiere“ des Wahlkampfsongs „Wir stehen zusammen“ wird ein Video abgespielt – mit Rendi-Wagner.
Als sie die Bühne betritt, auf der übrigens nur rote Politikerinnen wie Nurten Yilmas, Doris Bures & Co. sind, wird sie mit extra-viel Applaus empfangen. „So ein Wahnsinn“, sagt sie, „mein Herz schlägt hier schneller als auf jedem anderen Platz. Ich habe hier in Favoriten gehen gelernt“.
Die ersten zehn Jahre eines Lebens prägen. In den letzten acht Wochen auf ihrer Wahlkampftour durch Österreich habe Rendi-Wagner wachsende Menschlichkeit und wachsende Zustimmung zur SPÖ erfahren. „Die Menschen wollen, dass die Politik handelt und nicht nur redet.“
Monopoly-Spiel
Während der Rede mischt sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig unters Volk. Zuvor hatte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures die ÖVP auf der Bühne hart kritisiert: „Sie verwechselt die Politik mit einem Monopoly-Spiel. Am Ende hat einer alles und die anderen nichts.“
Alle Menschen würden hart arbeiten, ihnen gebühre ein „entsprechender Anteil am Reichtum des Landes“, ist die Botschaft von Bures. Von dem, was man hart erarbeite, müsse man auch leben können.
Auch die Parteichefin schlägt bei ihrer Rede in diese Kerbe: „ÖVP und FPÖ kümmern sich einzig um sich selbst. Sie kümmern sich nicht um leistbare Wohnungen, um faire Löhne, um Chancen für alle.“ Und meint weiter: „Österreich kann es besser als die letzten achtzehn Monate.“
Entschieden ist das Rennen um die Nationalratswahl 2019 natürlich nicht, obwohl auch den Genossen klar sein wird, dass für den einstigen Serien-Wahlsieger SPÖ Platz eins diesmal unerreichbar ist und selbst der zweite Platz gefährlich wackelt.
In allen Umfragen seit Anfang Juli liegt die SPÖ zwischen 20 und bestenfalls 23 Prozent und damit achtmal auf Platz zwei, in zwei Umfragen sogar nur auf Platz 3 hinter der trotz Korruptionsalarms im Ibiza-Video doch nicht so krisengeschüttelten FPÖ.
Aber Rendi-Wagner verliert den Optimismus nicht. „Lasst Euch nicht beirren von Umfragen. Ich sage Euch, es bewegt sich was“, gibt sie dem Publikum am Viktor-Adler-Markt mit auf den Weg.
Bemerkenswert ist auch, dass die Roten die Intensiv-Wahlkampfphase beginnen, ohne ein fertiges Wahlprogramm vorlegen zu können. In der Löwelstraße können die Mitarbeiter derzeit jedenfalls nur auf die „Leitlinien zum Wahlprogramm“ vom 13. Juli verweisen, mit Slogans wie „Mut für Österreich. Gut für Österreich“.
Analyse: Enges Korsett
Rendi-Wagner, die ja erst seit neun Monaten Parteichefin ist, hat in den vergangenen Vorwahlkampf-Wochen zweifellos an Profil gewonnen. Was fehlt, sind die harten inhaltlichen Ansagen, wofür die SPÖ steht. Bei der Erbschaftssteuer etwa ziehen ja viele Rote in unterschiedlichste Richtungen.
Beim Klimaschutz ist es ähnlich. Dessen Wichtigkeit wird inzwischen zwar betont, aber weil man der Erderwärmung nicht mit höheren Benzinpreisen oder einer Steuer für Pendler begegnen darf – das könnte ja Wähler vertreiben –, bleibt am Ende nur eine No-Na-Öffi-Initiative.
Ähnlich auch beim einstigen roten Kernthema Bildung, wo die Roten in Verkennung der politischen Realitäten viel zu lange an der Gesamtschule bis 14 festgehalten haben.