Politik/Inland

Staatsanwältin über Causa BVT: "Wir mussten sehr schnell sein"

Der BVT-U-Ausschuss ist in seine heiße Phase eingetreten. Diese Woche werden sechs Personen aus der Justiz befragt, die in der Affäre um die umstrittene Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung involviert sind. Erste Auskunftsperson war die leitende WKStA-Staatsanwältin im BVT-Ermittlungsverfahren Ursula .

Sie hat die Hausdurchsuchung veranlasst und geleitet. Innenminister Herbert Kickl ( FPÖ) sieht die Verantwortung für die Razzia bei der Justiz. Für die Opposition wurde Schmudermayer von Kickls Kabinett unter Druck gesetzt. Sie sei von hier aus "an der kurzen Leine geführt und manipuliert worden", durch die "Anhörung" und die anschließende Vermittlung von "Zeugen", meint etwa SP-Fraktionschef im U-Ausschuss Jan Krainer. Zudem habe man der Staatsanwältin mit der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) eine "völlig ungeeignete Polizeieinheit" unter Führung eines FPÖ-Funktionärs zur Seite gestellt.

Schmudermayer hat ihr Vorgehen in der BVT-Affäre am Dienstag sehr selbstbewusst verteidigt. Die später aufgehobenen Hausdurchsuchungen erschienen ihr ein probates Mittel, auch weil sich davor der Verdacht gegen Beschuldigte erhärtet hätte.

Vorwürfe waren für Staatsanwältin nicht neu

Dass sie erst vom Generalsekretär des Innenministeriums Peter Goldgruber auf die Amtsmissbrauch-Vorwürfe rund um das Bundesamt aufmerksam gemacht wurde, dementierte Schmudermayer. Was dieser ihr übergeben habe, sei ihr nicht neu gewesen, seien in der Korruptionsstaatsanwaltschaft doch schon lange davor, konkret 2017, Vorwürfe aus dem Inneren des Innenministeriums das BVTbetreffend eingelangt. In drei Fällen sei die Behörde zuständig gewesen und habe da auch Ermittlungen eingeleitet, etwa was Korruptionsvorwürfe gegen den damaligen Kabinettschef im Innenressort anlangte.

Die Vorwürfe waren offenbar so umfassend, dass Schmudermayer die Untersuchungen zunächst alleine geleitet hatte, da sich das "Riesenproblem" gestellt habe, welche Polizeieinheit sie beauftragen sollte, da überall ein problematischer Anschein entstanden wäre. Bei späteren Zeugenbefragungen sei selbst BVT-Chef Peter Gridling persönlich schwer belastet worden. Sie sei jedenfalls davon ausgegangen, dass nur absolute Geheimhaltung zielführende Ermittlungen ermöglichen würde.

Dass sie letztlich zum Mittel der Hausdurchsuchung gegriffen habe, begründete die Staatsanwältin damit, dass es diverse Probleme gegeben hätte, wenn man auf die Amtshilfe gesetzt hätte. So hätte sich etwa Gridling persönlich belasten können.

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Wichtig sei ihr gewesen, dass die Durchsuchung "sehr, sehr schnell" ablaufe, was sie auch bei der Einsatzbesprechung klar gemacht habe. Die Mitarbeiter hätten rasch von den Computern weggebracht werden müssen, damit sie nicht schnell per Knopfdruck Löschungen vornehmen könnten. Die Sicherstellung der Daten sei dann ausschließlich Sache der IT-Experten gewesen und nicht der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität. Deren Leiter Gernot Preiszler hat Schmudermayer ihren Angaben zur Folge erst am Tag vor dem Einsatz im  BVT kennengelernt.

Tatverdacht in mehreren Fällen bestätigt

Mit dem Ergebnis der Durchsuchung war die Staatsanwältin zufrieden: "Die Hausdurchsuchung hat so funktioniert, wie wir uns das gedacht haben." Dass das Wiener Oberlandesgericht sie nachträglich für unzulässig erklärt hat, nimmt Schmudermayer "zur Kenntnis". Gleichzeitig verwies sie aber darauf, dass das OLGden Tatverdacht bis auf einen Fall bestätigt habe.

Die Verantwortung für die Auswahl der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität für diesen Einsatz wies die Staatsanwältin dem Innenministerium zu. Diese wegen ihres FPÖ-nahen Leiters umstrittene Truppe, die normal bei solchen Durchsuchungen nicht erste Ansprechpartnerin ist, sei wohl ausgewählt worden, weil gegen EGS-Beamte in den diversen Konvoluten keine Vorwürfe aufgetaucht seien, vermutet die Staatsanwältin.

Zurück zur Dokumenten-Übergabe durch Goldgruber: Schmudermayer musste zugestehen, dass in ihrer mehr als ein Jahrzehnt dauernden Staatsanwalts-Karriere noch nie ein Spitzenbeamter mit solch einem Konvolut bei ihr aufgetaucht sei. Auch sei es ihr erstmals untergekommen, dass ein Kabinettsmitglied - in dem Fall Udo Lett - Zeugen besorgt habe und dann auch noch als Vertrauensperson zur Staatsanwaltschaft mitgekommen sei. Bei den gesamt vier vom Kabinett aufgetriebenen Zeugen war es dann auch geblieben, weitere Auskunftspersonen wurden also nicht einvernommen.

Vorwarnung an Straflandesgericht

Schmudermayer reichten offenbar die Aussagen, umso mehr als sie in dieser "Verschlusssache" ohnehin anfangs alleine die Ermittlungen zu führen gehabt habe, um angesichts der breit gestreuten Vorwürfe gegen das Innenministerium negativen Anschein zu vermeiden. So ließ sie später auch über einen Kollegen den Präsidenten des Wiener Straflandesgerichts vorwarnen, dass eine heikle Razzia bevorstehe. Der wiederum informierte den am fraglichen Abend im Einsatz befindlichen Journalrichter.

Dass sie sich mit der Genehmigung der Hausdurchsuchung an einen Journalrichter außerhalb der normalen Dienstzeiten gewandt habe, begründete die Staatsanwältin mit der Dringlichkeit und damit, dass ihre schriftlichen Anordnungen nicht rechtzeitig fertig gewesen seien.

 

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Linzer Urteil nicht beachtet

Hinterfragt wurde am Dienstag im Ausschuss auch, ob es überhaupt zur Razzia kommen hätte dürfen. Denn einer der Vorwürfe war schon vor der Hausdurchsuchung relativiert worden. Das Oberlandesgericht Linz hatte nämlich in einem bisher kaum beachteten Urteil klar gestellt, dass die Akten des Anwalts Gabriel Lansky nicht vernichtet werden müssen. Dass dies im BVT unterlassen worden war, war einer der schwerwiegendsten Vorwürfe in der Causa neben der Weitergabe nordkoreanischer Pass-Rohlinge an Südkorea. Schmudermayer kannte das Urteil ihren Angaben zu Folge bei der Hausdurchsuchung zwar nicht, sieht diese unabhängig davon weiter als angemessen an. Dass die Razzia später vom Oberlandesgericht aufgehoben wurde, müsse sie zur Kenntnis nehmen.

Gut gefallen haben die selbstbewussten Aussagen der Staatsanwältin vor allem den Freiheitlichen. In diversen Aussendungen von Parteichef Heinz-Christian Strache abwärts wurde betont, dass die Vorwürfe gegen Innenminister Herbert Kickl zusammenbrächen.

Journalrichter: Fünfzehn Minuten für Entscheidung

Die Befragung von Ulrich Nachtlberger, der die umstrittene Razzia genehmigte, gestaltete sich heute etwas umständlich: Er wollte keine Details preisgeben und sich oft der Aussage entschlagen, was für Raunen in den Abgeordnetenreihen sorgte. Der Richter betonte, "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt zu haben.

Dass eine Hausdurchsuchung im BVT im Raum stehe, habe er mit dem Anruf von Staatsanwältin Ursula Schmudermayer in seinem Journaldienst am 27. Februar gegen 22.30 Uhr erfahren, gab er an. Zuvor, gegen Mittag, wurde er bereits durch den Präsidenten des Straflandesgerichts, Friedrich Forsthuber, vorgewarnt, dass in seinem Journaldienst eine delikate Angelegenheit auf ihn zukommen könnte.

Der Gerichtspräsident habe ihm gesagt, er sei von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft informiert worden, "dass gegen hohe Beamte des BMI Ermittlungen laufen und dass Anordnungen gestellt werden", erklärte Nachtlberger. Es sei darum gegangen, dass "höchste Geheimhaltung" gewahrt werde. Vom BVT sei da noch nicht die Rede gewesen. Die Frage, ob es üblich sei, dass man vorher vom Gerichtspräsidenten in Kenntnis gesetzt werde, verneinte der Richter klipp und klar.

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Um 22.30 Uhr rief dann Staatsanwältin Schmudermayer an. Wie lange das Telefonat gedauert hat, wollte Nachtlberger zunächst nicht beantworten. "Ich habe hier nichts zu verheimlichen" und wolle sich auch nicht herauswinden, erklärte der Richter, aber es gehe darum, dass die Gewaltentrennung geschützt bleibe. Der U-Ausschuss-Verfahrensrichter sah dies allerdings anders, weshalb Nachtlberger schließlich angab, dass das Telefonat zwischen zehn und 15 Minuten gedauert habe.

Nachtlberger lenkte dann doch ein

Die Frage, inwieweit die Abgeordneten den Richter befragen dürfen, beschäftigte den U-Ausschuss dann gleich wieder, weil NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper Auskunft über den Inhalt des Telefonats mit der Staatsanwältin wollte. Hintergrund ist, dass das Parlament eigentlich nicht Entscheidungen der Gerichtsbarkeit untersuchen darf. Nachtlberger führte sogleich ein neues Argument zur Entschlagung ins Treffen, dem auch stattgegeben wurde: Gegen ihn ist ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg anhängig und er wolle sich nicht selbst belasten.

Nach neuerlichen Diskussionen einigte man sich darauf, dass Nachtlberger die Fragen allgemein, aber doch beantwortet. Es sei ein völlig normaler Vorgang, dass ein Staatsanwalt einen Journalrichter während der Rufbereitschaft anruft und einen Sachverhalt schildert. Er habe mit Schmudermayer das Begehr ausführlich besprochen, sie habe ihm den Sachverhalt sehr ausführlich telefonisch geschildert, und "ich habe das dann so bewilligt". Er habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und habe "nach bestem Wissen und Gewissen" entschieden. Auch sei keinerlei Druck auf ihn ausgeübt worden. Auf Krispers Einwand, dass eine Viertelstunde nicht gerade lang sei, konterte Nachtlberger: "Haben Sie mal 15 Minuten nichts gemacht und auf die Uhr geschaut, wie lang das dauert?"

Am nächsten Tag habe er während der Hausdurchsuchung noch einmal mit der Staatsanwältin telefoniert, weil eine Rechtsvertreterin des BVT eine Bestätigung wollte, dass er die Maßnahme bewilligt habe. Zum Zeitpunkt der Razzia gab es nämlich keine schriftliche Bewilligung mit der Unterschrift des Richters - das sei aber "gang und gäbe", sagte Nachtlberger. Im Laufe des Tages habe er die Staatsanwältin mehrmals an die schriftliche Vorlage erinnert - "weil an dem Tag war Rapid-Spiel am Abend und da habe ich Karten gehabt". Am Abend habe er die schriftliche Genehmigung dann unterschrieben.

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Staatsanwalt nimmt Schmudermayer in Schutz

Dritter und letzter Zeuge am ersten Ausschuss-Tag ist der direkte Vorgesetzte von Schmudermayer, Oberstaatsanwalt und Gruppenleiter Wolfgang Handler. Er war anwesend als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ( WKStA) von Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber jenes Dossier mit Anschuldigungen gegen BVT-Mitarbeiter bekam, das zu Ermittlungen und letztlich zur Razzia führte.

Handler attestierte Schmudermayer korrektes Vorgehen und zeigte Unverständnis, warum die Hausdurchsuchung im BVT nachträglich vom Oberlandesgericht aufgehoben wurde.

Es tue ihm "persönlich schon weh", wenn die Razzia als rechtswidrig beschrieben werde oder sogar von einem Überfall die Rede sei, erklärte Handler, der als letzte Auskunftsperson des heutigen Tages vor den Ausschuss geladen war. Er habe hier eine andere Einschätzung als das Oberlandesgericht.

Dass man überhaupt auf eine Hausdurchsuchung gesetzt habe, begründete Handler damit, dass sich der Verdacht des Datenmissbrauchs im BVT durch Zeugenaussagen erhärtet habe und sich die Vorwürfe als stimmig erwiesen hätten. Da sei eine entsprechende Sicherstellung nötig gewesen. Dass die Staatsanwaltschaft den Präsidenten des Wiener Straflandesgerichts bezüglich der Razzia quasi vorgewarnt habe, sei zwar nicht die übliche Vorgangsweise, aber es handle sich ja insgesamt um keinen üblichen Fall.

Für Handler war es übrigens nicht die erste Hausdurchsuchung im BVT. In einer anderen Causa im Jahr 2016 war er sogar der leitende Staatsanwalt, wobei die Razzia in diesem Einzelfall vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung durchgeführt wurde.

Aktenmitnahme zum Teil unzulässig

Bei den nun kritisch beäugten Hausdurchsuchungen aus dem heurigen Jahr wurden ja auch klassifizierte Akten sichergestellt, was eigentlich nicht passieren hätte dürfen, wie Handler bestätigte. Allerdings hätten die sich auch nicht auf den sichergestellten Datenträgern befinden dürfen. Man habe die klassifizierten Daten jedenfalls in der Staatsanwaltschaft sicher verwahrt und sie würden entsprechend rückgestellt.

Wie davor Schmudermayer versuchte auch Handler glaubhaft zu machen, dass sich die Justiz nicht vom Innenministerium instrumentalisieren habe lassen. Die Übergabe des Vorwurfkonvoluts durch BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber spielte er insofern herunter, als man das Papier ohnehin längst gehabt habe und Ermittlungen bereits gelaufen seien. Auch habe man mit dem Generalsekretär inhaltlich gar nicht gesprochen, "weil mir die Meinung des Herrn Goldgruber ehrlich gesagt auch egal gewesen wäre".

Kein Problem sieht Handler, der als einer von fünf Oberstaatsanwälten die Causa behandelt, darin, dass BMI-Kabinettsmitarbeiter Udo Lett zwei Zeugen zur Staatsanwaltschaft begleitet habe. Dieser wäre nur als Vertrauensperson auszuschließen gewesen, wenn eine Einflussnahme auf die Zeugen zu befürchten gewesen wäre. Lett habe aber sogar einmal den Raum verlassen, als es um das Extremismusreferat gegangen sei. Dass eine Zeugin angab, gar nicht zu wissen, warum sie überhaupt bei der Staatsanwaltschaft aussagen soll, wertete Handler als Indiz, dass es davor keine Absprachen gegeben habe.

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Pilnacek kommt am Mittwoch

Der zweite Tag wird mit der Befragung von Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek eröffnet. Er wurde erst über die Razzia informiert, als diese bereits im Gange war. Pilnacek kritisierte, dass die EGS eingesetzt wurde ("wahnsinnig auffällig") und nannte das Vorgehen von Kickls Kabinett intern einen "Skandal". Nach ihm ist die Leiterin der WKStA Ilse Vrabl-Sanda an der Reihe sowie ein Staatsanwalt, der nach der Hausdurchsuchung eine Prüfung der Vorgangsweise der WKStA vornahm.

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