"Mir ist die Kraft ausgegangen": Anschober zurückgetreten
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat Dienstagvormittag seinen Rücktritt erklärt. Sichtlich gerührt und mit anfangs bebender Stimme, sagte der Oberösterreicher, dass sich die vergangenen 15 Monate wie 15 Jahre angefühlt hätten. Die schwerste Gesundheitskrise seit 100 Jahren habe sein Leben und seine Politik völlig verändert und das Ministerium zum Steuerungszentrum der Pandemie gemacht.
Anschober sprach von einer "Überlastung". In der dritten Welle habe er sich bisweilen alleine gefühlt - eine deutliche Kritik an einzelne Landesvertreter. Es seien "erhebliche Mühlen" entstanden. Er sei bedroht worden, habe Polizeischutz gehabt. Den Satz "Ich trete zurück" vermied er viele Minuten lang.
Überarbeitet, aber kein Burnout
"Ich habe versucht, alles zu geben, mit aller Kraft Verantwortung übernommen." Er habe 14 Monate durchgearbeitet und sich dabei überarbeitet. "Seit einigen wenigen Wochen fühle ich mich nicht mehr voll fit. Ich habe steigende Zucker- und Blutdruckwerte." Die Ärzte hätten zur Auszeit geraten - aber das sei in einer derartigen Pandemie nicht möglich.
Er habe kein Burnout, sagte Anschober. Denn mit diesem wäre er nicht in der Lage gewesen, eine öffentliche Erklärung abzugeben. Er sei einfach ausgepowert. Und weil die Republik in dieser Gesundheitskrise einen gesunden Gesundheitsminister brauche, der auch 100 Prozent geben könne, ziehe er sich nun zurück.
Schon zuletzt hatte es vermehrt Spekulationen über die politische Zukunft des Ressortchefs gegeben, nachdem sich Anschober innerhalb kürzester Zeit mehrfach in den Krankenstand begeben hatte. Noch am Montag hatte man den Rückzug auch gegenüber der Öffentlichkeit dementiert - er sei "in den nächsten Tagen" wieder im Amt. Der Koalitionspartner und der Parlamentsklub der Grünen erfuhren erst Dienstagfrüh von dem Schritt.
Die partei-interne Erklärung dafür ist die: Die gegenwärtige Druck-Situation erfordere, dass Anschober 100 Prozent gebe - was ihm derzeit gesundheitlich nicht möglich sei.
Auch das Verhältnis zur ÖVP wurde intern thematisiert - und problematisiert. Anschober sei - auch - zu beliebt gewesen.
Faktum ist, dass Anschober sich nur bei der grünen Regierungsmannschaft und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, nicht aber beim Koalitionspartner oder dem Kanzler bedankte. Stattdessen sagte er, er habe sich in der dritten Welle "allein gefühlt". Tatsächlich hatten Anschober und sein Ressort Wochen vor der Osterruhe dagegen gekämpft, dass weitere Öffnungsschritte passieren. Dies wurde insbesondere von einzelnen Länder-Vertretern aber lange Zeit torpediert und abgelehnt.
Anschobers Zukunftspläne sind offen. Er will sich seiner Genesung widmen - laut Ärzten bestehen keine organischen Schäden. Und dann, mit etwas Abstand, die Arbeit an einem politischen Roman beginnen.
Die Nachfolge soll offenbar noch am Dienstag verkündet werden. Anschober sagte diesbezüglich nur, dass er bereits das Einvernehmen mit Parteichef Werner Kogler habe.
Als möglicher Nachfolgekandidat wurden der frühere Generalsekretär im Gesundheitsministerium, Stefan Wallner, genannt. Wallner war Generalsekretär der Caritas und gilt als politisch extrem erfahren.