Politik/Inland

Alte Koalition, neu verpackt

Weniger streiten, sich gemeinsam besser verkaufen – so lauten die Absichtserklärungen für eine Neuauflage von Rot-Schwarz. Zu Maria Fekter dürfte sich das noch nicht durchgesprochen haben. Die Finanzministerin verkündete Montagabend vor Journalisten, es solle ein gesetzliches Budget-Provisorium beschlossen werden. Andernfalls drohe Österreich 2014, das Geld auszugehen. Mit der SPÖ sei man sich diesbezüglich mehr oder weniger einig. Davon kann keine Rede sein. SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder ist verärgert über den „typischen Alleingang, wie wir ihn schon oft erlebt haben“. Er fühle sich „überrumpelt“: Fekters Warnung vor amerikanischen Verhältnissen (dort droht wegen des Parlamentsstreits eine Zahlungsunfähigkeit) sei „maßlos übertrieben“, sagte Schieder zum KURIER. Nachsatz: „Das ist kein guter Stil.“

Hoffentlich ändert sich dieser bald. Denn obwohl auf SPÖ- und ÖVP-Seite viele keine Freude mit einer Fortsetzung der Großen Koalition haben, gilt sie – mangels echter Alternativen – als die wahrscheinlichste Variante für eine neue Regierung.

Auftakt

Der Startschuss für eine neu verpackte Zusammenarbeit von Rot und Schwarz ist quasi am Mittwoch gefallen, als Kanzler Werner Faymann von Bundespräsident Heinz Fischer den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hat. "Es ist ein Faktum, dass die stimmenstärkste und zweitstärkste Partei eine stabile Mehrheit an Mandaten haben", bekräftigte das Staatsoberhaupt im Anschluss seinen Wunsch nach einer großen Koalition.

Der SPÖ-Chef hat ja bereits angekündigt, mit der ÖVP verhandeln zu wollen. Er muss sich freilich noch gedulden. ÖVP-Obmann Michael Spindelegger muss sich zunächst den parteiinternen Sanktus holen. „Am Montagnachmittag haben wir unseren Parteivorstand. Dann werden wir weitersehen“, sagte Spindeleggers Sprecher gestern. Insider erwarten einen „zurückhaltenden Beschluss für ergebnisoffene Verhandlungen“.

Verhandlungsbeginn

In der SPÖ geht man davon aus, dass ab Mitte nächster Woche mit der ÖVP um eine neue Regierung gefeilscht wird. Im Hintergrund laufen diverse Vorbereitungen. Kanzler und Vize stehen in Kontakt. In der SPÖ bereiten einzelne Minister Verhandlungsmaterien auf. Der rote Koordinator dafür soll Faymanns Vertrauensmann und Staatssekretär Josef Ostermayer sein. Klar sei, dass Rot-Schwarz-Neu „etwas zusammenbringen müsse“ – beispielsweise im Bereich der Bildung, heißt es in der SPÖ. Doch wie Kompromisse ausschauen könnten, steht noch nicht fest.

Koalitionsvorhaben

Geht es nach der ÖVP, sollen im Koalitionspakt große Projekte detailliert fixiert werden – inklusive Zeitplan und einzelner Arbeitsschritte. Als Beispiele dafür werden eine Steuerreform und die Ankurbelung der Wirtschaft genannt. Dass Streitthemen, wie etwa die Bildung, in einen koalitionsfreien Raum verlagert werden, ist unrealistisch.

Opposition einbinden

Parallel zu den Verhandlungen wollen sich Rot und Schwarz im Parlament Mehrheiten für Zwei-Drittel-Materien sichern. So soll etwa die direkte Demokratie mit Zustimmung der Opposition ausgebaut werden. SPÖ und ÖVP führen bereits Gespräche mit den Chefs der übrigen Fraktionen. Das hehre Ziel dahinter: weniger Streit im Parlament.

Weisenrat

Dass in einer neuen Regierung parteifreie Experten sitzen werden, gilt als eher unwahrscheinlich. Die ÖVP will aber eine Art „Weisenrat“ einrichten. In dem Gremium sollen u. a. Wirtschaftsforscher und Sozialpartner sitzen, die beispielsweise Vorschläge für eine Verwaltungsreform ausarbeiten sollen. Einen ähnlichen Versuch gab es bereits nach der Wahl 2008. Die meisten Ideen wurden aber nie umgesetzt.

Zeitplan

Insider gehen davon aus, dass die Gespräche länger dauern könnten, als sich das Heinz Fischer wünscht. Das Staatsoberhaupt hätte gern, dass die Regierung Anfang Dezember steht. Für Unsicherheit sorgt in SPÖ und ÖVP derzeit der Plan aus der roten Basis, das Koalitionsabkommen einer Urabstimmung zu unterziehen. Die gewohnt kritische „Sektion 8“ in Wien sammelt schon Unterschriften. Diese Aktion könnte den Weg zu einer Regierung noch verlängern – „und vielleicht sogar eine Obmanndiskussion in der SPÖ auslösen“, orakeln Schwarze.

SPÖ-Kenner halten es aber für illusorisch, dass die roten Rebellen die nötigen 36.000 Unterschriften zusammenbringen.

Für Bundespräsident Heinz Fischer ist es ein glücklicher Zufall, dass er gerade heute, an seinem 75. Geburtstag, Werner Faymann mit der Regierungsbildung beauftragen kann. Dass er sich eine große, oder sagen wir „relativ große“ Koalition wünscht, ist kein Geheimnis. Der Wunsch wird in Erfüllung gehen, weil es die Alternative Schwarz-Blau-Stronach wegen des Milliardärs, der im Streit um Millionen sein Spielzeug demoliert, nicht mehr gibt. Und Wortmeldungen aus der SPÖ, die zwischen Minderheitsregierung und Opposition oszillieren, bringen auch nichts.

Was also hindert Faymann und Spindelegger daran, ab sofort die wichtigsten Reformprojekte auszuhandeln? Verfassungsgerichts-Präsident Holzinger hat ganz richtig festgestellt, dass neue Kommissionen unnötig sind. Die vielen Fehlentwicklungen in der Bürokratie, bei der Behinderung von Unternehmen, in der Bildung und im Gesundheitswesen sind bekannt. Also her mit sinnvollen, nicht ideologieverseuchten Lösungen.

Gleichzeitig könnten alle im Parlament vertretenen Parteien einmal ein Gespräch über den Stil in der Politik beginnen. Wenn der Wiener FPÖ-Chef im Wahlkampf ausgerechnet vor dem Stephansdom herumbrüllt und „Knüppel aus dem Sack“ für alle Gegner der FPÖ fordert, ist das ein Tiefpunkt einer Hetzrhetorik, an die wir uns nicht gewöhnen dürfen.

Jetzt ist politische Führung gefragt und kein weiteres Wegducken vor der „Boulevarddemokratie“, wie der Politologe Plasser formuliert. Das muss vor allem die SPÖ verstehen, die diese mit Steuergeld gefördert hat, aber auch jene ÖVP-Politiker sollen nachdenken, denen große Schmeichelfotos lieber sind als kritische Analysen.