Terror-Kontakte: Auflösung der Identitären rechtlich schwierig
Nach dem Bekanntwerden einer Spende des Neuseeland-Attentäters an die rechtsextremen Identitären prüft die Bundesregierung nun die Auflösung der Organisation. Das kündigte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat an. Es gebe "keine Toleranz für gefährliche Ideologien, ganz gleich, aus welcher Ecke sie kommen".
Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der sich einst milde über die Identitären geäußert hatte, kündigte schonungslose Aufklärung an.
Am Montag hatte es eine Hausdurchsuchung bei Martin Sellner, dem Sprecher der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), gegeben.
Prozess im Vorjahr
Zur angedrohten Auflösung sagt Sellner gegenüber dem KURIER: "Ich halte das für eine symbolische Geste. Wegen einer Spende, die an mich persönlich ging, eine Auflösung anzudenken, halte ich für übertrieben."
Er sehe die Causa gelassen. Es habe bereits ein mehrjähriges Verfahren gegen 17 Aktivisten der IBÖ wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" gegeben. 2018 kam es zu einer Anklage der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten wurden aber in einem Verfahren im Grazer Landesgericht freigesprochen.
Organisiert werden die Identitären in Österreich von rund 300 Aktivisten. Sellner spricht hingegen von mehreren Tausend Sympathisanten.
Obmann Sellner erhielt Geld
Die Auflösung der Identitären Bewegung dürfte rechtlich schwierig werden. Vorab: Die Organisation selbst hat keinen Vereinsstatus, erklärt der IBÖ-Chef: "Wir sind eine Bewegung, ähnlich wie die 'Fridays For Future' (die Schülerbewegung, die aktuell gegen den Klimawandel demonstriert, Anmerkung der Redaktion)."
Im Vereinsregister ist ein "Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität" eingetragen, der im Impressum der IBÖ angegeben ist. Dieser Verein dient der Spendensammlung und hat seinen Sitz in Graz. Obmann ist Martin Sellner.
Ein Verein kann aufgelöst werden, wenn ihr Zweck gegen ein Strafgesetz verstößt, erklärt Verfassungs- und Verwaltungsjurist Bernd-Christian Funk. "Stellt sich heraus, dass der Spendenverein Gelder einer terroristischen Vereinigung entgegengenommen hat, wäre das wohl ein Grund für die Auflösung."
Nur: Nicht der Spendenverein, sondern Sellner persönlich hat das Geld erhalten. Ob es reicht, dass er als Obmann des Vereins fungiert, wird sich herausstellen. So erklärt auch Funk: "Man kann die Bewegung indirekt erwischen, indem man mit den Mitteln des Strafrechts gegen Einzelpersonen vorgeht."
Ermittlungen wegen Terror-Unterstützung
Gegen Sellner wird ja wegen der Unterstützung terroristischer Vereinigungen ermittelt. "Die einschlägigen Paragrafen sind sehr breit gefasst und darauf ausgerichtet, jede denkbare Form der Unterstützung unter Strafe zu stellen - dazu zählt nicht nur die materielle, sondern auch ideelle Unterstützung", erklärt der Verfassungsjurist.
Aber auch da könnte es haken: Voraussetzung für eine Verurteilung ist nämlich, dass der Beschuldigte gewusst hat, wen er da unterstützt bzw. dass er damit terroristische Aktivitäten fördert. Das Attentat in Neuseeland fand aber mehr als ein Jahr nach dem Geldtransfer statt.
Denkbar ist zudem, die Symbole der Identitären zu verbieten. Der bestehende Katalog an verbotenen Symbolen richtet sich laut Funk nach den Rechtsakten der EU - damit in Österreich auch das Identitären-Zeichen aufgenommen wird, bräuchte es eine Gesetzesänderung.
Das Symbol der Organisation ist der griechische Buchstabe Lambda, der auf die Abwehrschlacht der Spartaner zurückgehen soll. Verwendet wurde das Symbol beispielsweise im Hollywood-Blockbuster "300".
Razzia wegen Spende an Sellner
Am Montagabend hatte Sellner selbst in einem Youtube-Video von einer Hausdurchsuchung in seiner Wiener Wohnung berichtet. Dies wurde dem KURIER am Dienstag bestätigt. Die Razzia war vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) durchgeführt und von der Staatsanwaltschaft Graz angeordnet worden. Auch Datenträger und Handys wurden von Sellner beschlagnahmt.
Das Innenministerium beziffert die Spende mit rund 1.500 Euro. Diese war den Behörden bereits länger bekannt und bei den bisherigen Ermittlungen wegen des Verdachts von Finanzvergehen von Sellner aufgefallen, weil sie höher war als andere Spenden. "Nun hat sie ein Gesicht bekommen", sagte Hansjörg Bacher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Denn: Der email-Absender passte zum Namen des Australiers, der in der neuseeländischen Stadt Christchurch 50 Menschen getötet hatte.
FPÖ distanziert sich
Man könne eine finanzielle Unterstützung und somit Verbindung des neuseeländischen Attentäters mit den österreichischen Identitären bestätigen, sagte Kurz. Egal welche Art von Extremismus, "sowas darf keinen Platz in unserem Land und in unserer Gesellschaft haben", und so etwas dürfe "niemals toleriert werden". Man werde mit der "vollen Härte des Gesetzes" gegen derartiges Gedankengut vorgehen. Es brauche Aufklärung, ob es hier "Machenschaften im Hintergrund" gegeben habe.
Strache, der die Identitären vor einigen Jahren als "Bürgerbewegung" und "Kontrast" zu Linken bezeichnet hatte, meinte am Mittwoch, das sei seine damalige Einschätzung gewesen, "aber der Maßstab muss immer der Rechtsstaat sein".
Kontakte zu den Identitären würden in seiner Partei nicht toleriert, betonte der Vizekanzler. "Wir haben eine klare Beschlusslage, dass jeder, der sich bei den Identitären engagiert, nicht Teil der Freiheitlichen Partei sein kann."
Regierung: "Wenn es die Gesetze hergeben"
Kurz betonte, über eine Vereinsauflösung könne nicht die Politik entscheiden, sondern die Behörden. Eine Auflösung werde es geben, "wenn es die Gesetze hergeben". Es seien im BVT Veränderungen vorgesehen, darunter eine Berichtspflicht an Kanzler und Vizekanzler - diese soll zügig kommen. Auch eine angedachte Anti-Extremismusstelle in Österreich soll nun schnell vorangetrieben werden.
Für die Prüfung der Vereinsauflösung der Identitären ist das Innenministerium zuständig. Schon einmal hat die amtierende Regierung übrigens öffentlichkeitswirksam die Prüfung einer Vereinsauflösung bekanntgegeben: Damals ging es um die niederösterreichische Burschenschaft "Germania", das Verfahren wurde aber eingestellt, unter anderem wegen Verjährung.