Politik/Inland

Jetzt fix: ÖVP, SPÖ und Neos verhandeln über Dreierkoalition

ÖVP, SPÖ und Neos nehmen Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Regierung auf. Das hat Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer am Montag bei einer Pressekonferenz angekündigt.

Er sprach von einem "Bündnis der Vernunft und der politischen Mitte". Der Ausgang der "tiefen Regierungsverhandlungen" sei offen. Zuvor war Nehammer mit SPÖ-Chef Andreas Babler und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger zur finalen Sondierungsrunde im Palais Epstein zusammengekommen.

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Nehammer betonte, er habe sowohl bei SPÖ als auch bei den NEOS "den Willen zur Zusammenarbeit" wahrgenommen. Babler unterstrich: "Wir alle drei müssen nicht zusammenarbeiten, wir möchten zusammenarbeiten. Wir wollen eine Koalition mit der Bevölkerung." Ganz ähnlich klang Meinl-Reisinger: "Den gemeinsamen Willen wollen wir heute zum Ausdruck bringen."

Noch nicht am Ziel

Gleichzeitig machte die NEOS-Chefin klar, dass mit Verhandlungsbeginn "noch nicht alles in trockenen Tüchern" sei. Damit schloss sie sich Nehammer an, der gemeint hatte: "Wir sind noch nicht am Ziel einer Koalition oder eines Regierungsprogramms". Babler wiederum zeigte sich "vorsichtig optimistisch", dass zu dritt ein "Bündnis der konstruktiven Kräfte" gelinge. Weg kommen müsse man dabei von einer Politik der Spaltung und der Minimal-Kompromisse.

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Die drei Hauptverhandler führten auch für sie zentrale Themen an, Meinl-Reisinger etwa Bildung, Integration und Wirtschaftsaufschwung. Babler nannte unter anderem den Kampf gegen die Teuerung, die Gesundheit und die Reduzierung des hohen Defizits. Doch betonte der SPÖ-Vorsitzende, dass in diese krisenhafte wirtschaftliche Lage hineinzusparen nicht der Weisheit letzter Schluss sein könne. Nehammer wiederum befand, dass das Land Aufbruch, Veränderung und Zuversicht brauche. Es seien auch Leistungsgerechtigkeit für alle, die hart arbeiten und eine Migrationspolitik, die die Menschen nicht überfordere, vonnöten.

Untergruppen und Themen

All diesen Themen wird man sich nun in Untergruppen widmen: "Hunderte Menschen sind an dem Prozess beteiligt", kündigte Nehammer an. Die Verhandlungsgruppen - dem Vernehmen nach sind es sieben - sollen sich nun konstituieren. Am Donnerstag soll der inhaltliche Prozess losgehen, wie der ÖVP-Chef ankündigte. Wie lange die Koalitionsverhandlungen dauern werden, lässt sich noch nicht abschätzen. "Wir bemühen uns, so schnell wie möglich zu verhandeln und gleichzeitig so lange wie nötig", meinte Nehammer.

Inhaltliches wollten die Parteichefs ebenso wenig sagen wie eine konkrete Zahl zum Konsolidierungsbedarf nennen. Die bereits eingesetzte Budgetgruppe werde jedenfalls permanent tagen und bei allen Vorhaben miteingebunden, betonte Babler.

Die Verhandlungsteams hatten sich über das Wochenende bereits Grünes Licht von ihren Parteien geholt. Bei den NEOS war ein Beschluss des erweiterten Parteivorstands nötig. Dieser tagte am Sonntag und es gab laut Meinl-Reisinger einstimmig grünes Licht. Es ist das erste Mal seit 1945, dass Koalitionsverhandlungen im Dreierformat geführt werden. ÖVP und SPÖ hätten zu zweit zwar eine Mehrheit im Nationalrat, allerdings mit nur mit einem Mandat Überhang eine äußerst knappe.

Steuern

Die ÖVP will die Lohnnebenkosten kürzen und die Abgabenquote insgesamt von derzeit rund 43 auf 40 Prozent senken. Den Eingangssteuersatz bei den Einkommen will sie von 20 auf 15 Prozent reduzieren, die 40-Prozent-Steuerstufe abschaffen. Die jüngst auf 23 Prozent gekürzte Körperschaftssteuer (KöSt) für die Unternehmen möchte die Volkspartei noch weiter absenken. Gegenfinanzieren will die ÖVP das etwa durch Einschnitte bei Sozialleistungen, weniger Subventionen, aber auch durch Wachstumsimpulse aus Steuersenkungen.

Die SPÖ geht hier in die entgegengesetzte Richtung. Sie plädiert etwa für eine KöSt-Erhöhung auf wieder 25 Prozent. Weitere SPÖ-Wünsche zulasten von Arbeitgebern und Eigentümern waren für die ÖVP bisher ein No-Go, etwa eine Vermögens- und eine Erbschaftssteuer. SPÖ-Chef Andreas Babler will auch eine Arbeitszeitreduktion, ÖVP-Obmann Karl Nehammer ganz im Gegenteil dazu einen Vollzeitbonus.

Die NEOS finden sich hier näher bei der ÖVP: Auch sie befürworten eine Senkung der Lohnsteuer und der Lohnnebenkosten - letztere sind ihnen dabei aber wichtiger als eine Reduktion der KöSt. Neue Steuern lehnen sie ab. Allerdings plädieren sie zur Gegenfinanzierung unter anderem für eine Abschaffung der Pendlerpauschale, einen Deckel für Pensionszuschüsse und für die Erhöhung des Spardrucks auf die Länder, verbunden mit einer Steuerautononomie für diese.

Soziales

Beim Sozialen steht für die ÖVP die "temporäre Hilfe zur Selbsthilfe" im Vordergrund, Sozialhilfe soll es für Zuwanderer erst nach fünf Jahren geben, das Arbeitslosengeld soll degressiv sinken. Die SPÖ will hingegen die Nettoersatzrate für Arbeitslose auf 70 Prozent steigern. Ein starker Sozialstaat - inklusive einer neuen Kindergrundsicherung - gehört zum inhaltlichen Kern der Sozialdemokraten. Bei der Sozialhilfe drängt man auf eine bundesweit einheitliche und über das AMS abgewickelte Lösung - hier treffen sich die Sozialdemokraten mit den NEOS. In Sachen Arbeitslosengeld liegen die Pinken dagegen eher auf ÖVP-Linie, sie befürworten ebenfalls ein degressives Modell.

Pensionen

In Sachen Pensionen haben die NEOS die weitestgehenden Vorstellungen. Mit Verweis etwa auf Schweden schwebt ihnen ein Modell vor, bei dem Menschen je nach Antrittsalter mit Zu- oder Abschlägen flexibel in Pension gehen können und die Pensionshöhe von den Einzahlungen aufs Pensionskonto sowie der Rest-Lebenserwartung abhängt. Die ÖVP wiederum will einen späteren Pensionsantritt durch Abschaffung von Kranken- und Pensionsversicherung beim Arbeiten nach dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter attraktiver machen und private Vorsorge durch steuerfreie Auszahlung ausbauen. Die SPÖ hält das derzeitige System für krisensicher und plädiert zur Erhöhung des Antrittsalters für altersgerechte Arbeitsplätze und mehr betriebliche Gesundheitsförderung bzw. einen Rechtsanspruch auf geblockte Altersteilzeit. ÖVP und NEOS plädieren außerdem für ein automatisches Pensionssplitting, die SPÖ ist dagegen.

Asyl und Sicherheit

Zumindest unterschiedliche Akzente gibt es im Asyl- und Migrationsbereich. Die Volkspartei setzt hier auf Härte und wünscht sich Asylzentren sowie Strafvollzug in Drittstaaten, eine Aussetzung oder zumindest Kontingentierung des Familiennachzugs und weitere Verschärfungen beim Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft. Die SPÖ will zumindest Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und mehr Abkommen, um Abschiebungen abgewiesener Asylwerber zu erleichtern. Auch die NEOS plädieren für Verfahren an der Außengrenze und Rückführungen all jener, die keinen Asylgrund haben. Wie die SPÖ wollen die Pinken aber Hürden zur Vergabe von Staatsbürgerschaften abbauen. Zuletzt deutete auch die ÖVP hier ein Nachgeben an. SPÖ und NEOS eint der Wunsch nach einer Wohnsitzauflage für Asylberechtigte.

Diskrepanzen gibt es in Sachen Neutralität: ÖVP und SPÖ beharren auf deren Beibehaltung, die NEOS bewerben dagegen eine "gemeinsame europäische Verteidigung" und verzichten auf ein Bekenntnis zur Neutralität.

Bildung

In Bildungsfragen stehen sich traditionell SPÖ und NEOS näher. Beide plädieren für eine gemeinsame Schule bis zum Ende der Schulpflicht, wobei die Pinken diese mit einer mittleren Reife abschließen lassen wollen. Auch für einen Sozial- oder Chancenindex, der für Schulen mit besonderen Herausforderungen mehr Ressourcen vorsieht, und mehr verschränkte Ganztagsschulen können sich Rot und Pink erwärmen. Die ÖVP fokussiert dagegen auf das Thema Leistung: In Mittelschulen sollen etwa wieder flächendeckend Leistungsgruppen eingeführt werden. Auch eine "Bildungspflicht"-Prüfung am Ende der Schulpflicht schwebt ihr vor - was sich unter Umständen mit der mittleren Reife der NEOS aber unten einen Hut bringen lässt. An Deutschförderklassen hält die ÖVP fest und will sogar eine neue Form einführen - die SPÖ lehnt diese ab, die NEOS wollen den Schulen bei der Umsetzung mehr Autonomie geben.

Klimaschutz

Beim Klimaschutz bremst die ÖVP und bemüht dafür den "Hausverstand". Keine Verbote, sondern neue Technologien ("grüne Verbrenner") sollen beim Erreichen der Pariser Ziele helfen. Für die SPÖ ist CO2-Neutralität bis 2040 dagegen "alternativlos", die NEOS plädieren für einen Ausstieg aus fossilen Energien. Sowohl NEOS als auch SPÖ wollen das von der ÖVP in der letzten Legislaturperiode abgewürgte Klimaschutzgesetz.