Politik/Inland

Keine Absprache mit Grünen: Wie die ÖVP die Klarnamenpflicht im Internet umsetzen will

Sexuelle Belästigung, Wiederbetätigung, Fake-Bewertungen: Im Internet ist nicht immer klar, wer hinter solchen Aktionen steckt. Es ist also möglich, anonym Straftaten zu begehen, Einzelpersonen, Unternehmen oder politische Gegner abzuwerten. Das geschieht im kleinen, aber auch im großen Rahmen. In Deutschland deckte das Auswärtige Amt zuletzt etwa auf, dass 50.000 gefälschte, prorussische Nutzer auf der Plattform X Stimmung gegen die deutsche Regierung und die Ukraine machten.

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Wie kann man dagegen vorgehen? Die ÖVP fordert wiederholt eine Klarnamenpflicht im Internet. Der Punkt steht auch im Sicherheitskapitel des Österreichplans für 2030. Was genau sich die Volkspartei darunter vorstellt, versuchten Generalsekretär Christian Stocker und Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP) am Mittwoch zu konkretisieren.

"Was offline gilt, soll auch online gelten"

Die Digitalisierung bringe Gefahren mit sich, auf die "der moderne Rechtsstaat eine Antwort finden muss", sagt Stocker eingangs. Das betreffe einerseits Fake-Bewertungen, die unter dem Schutz der Anonymität abgegeben werden: "Es lässt sich häufig gar nicht ermitteln, wer diese Bewertung abgesetzt, ob er den Betrieb überhaupt aufgesucht hat und ob er ein Mensch oder ein Bot ist." Viele Personen würden auf Basis dieser Bewertungen aber Kauf- und Konsumentscheidungen treffen, so Stocker. Selbiges gelte für "Hass im Netz".

Deshalb bilanziert Stocker: "Was offline gilt, soll auch online gelten." Dieser Ansicht sei auch die Bevölkerung. Das Institut für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) hat im Auftrag der ÖVP dazu eine Umfrage gemacht. Demnach verwenden 70 Prozent der User im Internet ihren richtigen Namen und 22 Prozent ein Pseudonym. Und wo wünschen sich die Österreicher eine Klarnamenpflicht?

  • Eine deutliche Mehrheit von 65 Prozent ist für eine Klarnamenpflicht bei Bewertungen etwa von Dienstleistungen, Produkten oder Hotels. 
  • 56 Prozent sind auch für eine Klarnamenpflicht bei Kommentaren in Medien oder Foren.
  • Nur 44 Prozent sind für Klarnamen auf Social Media.
  • 14 Prozent sind grundsätzlich gegen Klarnamen.

Was die ÖVP jetzt umsetzen will

Tursky interpretiert die Umfrage so, dass auch die Bevölkerung eine Notwendigkeit sehe, "hier zu handeln". Es gehe nicht darum, dass niemand mehr Pseudonyme oder Nicknames verwenden dürfe. Aber es müsse nachvollziehbar sein, wer im Internet Straftaten begehe. Nun sieht der neue Digital Service Act (DSA) der EU-Kommission bereits strenge Regeln für 19 große digitale Plattformen vor. Sie müssen unter anderem Hassrede innerhalb von 24 Stunden löschen und Schnittstellen schaffen, um mit nationalen Behörden zusammenarbeiten zu können.

Der DSA sei das beste Vehikel, um national noch strenger vorzugehen, meint Tursky. Er präsentiert einen ersten Drei-Punkte-Plan für Österreich:

  • Auch kleinere Plattformen sollen verpflichtet werden, gegen Hassrede und Fake-Bewertungen vorzugehen. Diese sollen binnen weniger Tage gelöscht werden. Falls nicht, droht der Plattform schlimmstenfalls die Löschung in Österreich.

  • User sollen auf der Plattform zwar unter einem Nickname posten dürfen, die Identität müsse der Plattform selbst aber bekannt sein. "Damit bleibt freie und pseudonyme Meinungsäußerung gewährleistet. Sie endet aber dort, wo das Strafrecht beginnt", sagt Tursky.

  • Es brauch gleichzeitig barrierefreie Möglichkeiten für alle Nutzer, sich zu identifizieren – etwa per Video.

Grüne: "Der falsche Weg"

Mit den Grünen ist der Plan nicht abgesprochen. Sie haben per Aussendung reagiert: "Eine Klarnamenpflicht ist auch in der Vergangenheit schon an Höchstgerichten gescheitert. Sie ist der falsche Weg, um Hass- und Desinformationskampagnen auszuhebeln", sagt Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba. Die meisten Hassnachrichten würden ohnehin bereits mit Klarnamen abgesetzt werden. Deshalb meint Zorba: "Wir sollten uns auf Lösungen konzentrieren, die umsetzbar sind und keine Schnellschüsse fordern, die massive Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit hätten ohne das Problem zu lösen."

Grünen-Tourismussprecherin Barbara Neßler ist das Problem von Negativbewertungen in der Tourismuswirtschaft bekannt: "Auch das Gasthaus meiner Eltern war nach einer politischen Aktion davon betroffen. Wir dürfen der Branche aber keine Scheinlösungen vorgaukeln, die nicht umgesetzt werden können." Ein gangbarer Weg wäre es, bei Hotelbuchtungen nur noch Bewertungen von Personen zuzulassen, die dort auch genächtigt hätten.