Nehammer beruhigt: Akut keine Anschlaggefahr in Österreich
Die Regierungsspitze hat nach einer Sitzung des Krisenkabinetts wegen der jüngsten Zuspitzung im Nahen Osten zu erhöhter Wachsamkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt aufgerufen.
Anschlagsgefahr in Österreich gebe es akut keine, betonte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach der Sitzung im Verteidigungsministerium vor Journalisten. "Es gibt derzeit keine konkrete Bedrohungslage", sagte er. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) forderte zusätzliche Überwachungsmöglichkeiten.
"Datenschutz ist wichtig, aber Menschenschutz ist wichtiger", sagte Karner. Um die Menschen zu schützen, werde es "in Teilbereichen Änderungen brauchen", sagte der Innenminister, ohne Details zu nennen.
Zuvor hatte er als Beispiel den Attentäter von Brüssel angeführt, der sich im Darknet radikalisiert habe. Solche Einzeltäter, die der Exekutive derzeit am meisten Kopfzerbrechen bereiten, seien "schwer zu überwachen".
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sagte, dass es eine "massiv verstärkte Überwachung der Hamas" sowie "befreundeter Organisationen" in Österreich geben werde. Man werde sich etwa anschauen, "was an den Freitagen in den Moscheen gepredigt wird". Kogler bekannte sich zur Demonstrationsfreiheit. Es müsse in Österreich möglich sein, für die palästinensischen Menschen zu demonstrieren. Das Bejubeln der Hamas-Massaker sei aber "auf das Schärfste zurückzuweisen".
Nehammer rief diesbezüglich auch offen die Bevölkerung zu Mithilfe auf. Bürger sollten etwa die Behörden verständigen, "wenn man merkt, das sich Einzelpersonen beginnen zu radikalisieren". Man brauche nämlich sehr viel Netzwerk und "ein Hören in die Gesellschaft", um der Terrorgefahr entgegenzuwirken. Eine "Mahnung" müsse diesbezüglich sein, dass selbst Israel trotz intensivster nachrichtendienstlicher Tätigkeit von der jüngsten Hamas-Terrorattacke "massiv überrascht" worden sei.
Der Kanzler kündigte auch an, noch am Freitag den Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, treffen zu wollen. Dabei soll gemeinsam beraten werden, was getan werden könne, "um das Gift der Terrororganisation Hamas in der österreichischen Gesellschaft nicht aufgehen zu lassen", sagte er mit Blick auf die Desinformationskampagnen der Hamas.
Weiterhin "keinen Befund" gebe es in der Frage der Urheberschaft beim Angriff auf das Al-Ahli-Arab-Spital im Gazastreifen. Die genannten Opferzahlen hätten aber "in keiner Weise einer Prüfung standgehalten", sagte Nehammer. Zugleich betonte er, dass diese Opfer jedenfalls Opfer der Hamas seien, "denn ohne den Terror der Hamas würde es keine Militäraktion (Israels) im Gazastreifen geben. Die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen ist auch die Geisel der Hamas", betonte er.
Nachdem sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) nicht vor der Presse äußerte, blieb es Vizekanzler Kogler vorbehalten, eine Erhöhung der österreichischen humanitären Hilfe für die Palästinenser anzukündigen. "Österreich wird die humanitäre Hilfe nicht unterbrechen und an einigen Stellen fortsetzen und verstärken", betonte er. Kogler begrüßte in diesem Zusammenhang die auf Betreiben der USA und der EU Schaffung eines humanitären Korridors in den Gazastreifen.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bekräftigte, dass die österreichischen Blauhelme trotz der Zuspitzung weiterhin ihren Dienst im Libanon versehen werden. Eine allfällige Evakuierung werde vom Kommando entschieden und auch durchgeführt, doch sei das "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht absehbar, so Tanner, die darauf verwies, dass es in dem Camp der Österreicher auch entsprechende Schutzräume gebe.
Karner dankte der Verteidigungsministerin für den am Mittwoch beschlossenen weiteren Assistenzeinsatz von Bundesheersoldaten zum Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen in Österreich. Dieser solle dauern, "so lange es notwendig ist". Es gebe zwar aufgrund der internationalen Lage eine erhöhte Terrorgefahr, sie sei aber im Fall Österreichs nicht konkret. "Es liegen derzeit keine konkreten Anschlagspläne für Österreich vor", sagte der Innenminister.
Karner ließ durchblicken, dass die Exekutive nun auch bei anti-israelischen Demonstrationen stärker durchgreifen könnte. Ob eine Kundgebung untersagt werde, hätten die zuständigen Behörden zu beurteilen. "Entscheidend ist, dass die Polizei nicht nur beobachtet, sondern massiv einschreitet, wenn es zu Vorfällen kommt", so Karner, der konkret etwa das Verbrennen von Gegenständen nannte.
FPÖ-Chef Herbert Kickl bekräftigte im Zusammenhang mit der Tagung des Krisenkabinetts seine Forderung nach einem "sofortigen Asylstopp". Die "Sympathiekundgebungen für islamistische Terrorangriffe" in Österreich seien nämlich "das direkte Ergebnis der jahrelangen 'Tür-auf-Politik' für die illegale Masseneinwanderung unter dem Deckmantel Asyl", meinte der frühere Innenminister.
Die Einberufung des Krisenkabinetts war am Donnerstagnachmittag öffentlich bekanntgegeben worden. Nehammer sagte zu Beginn seines Statements, dieses sei ein "leider mittlerweile schon bewährtes Format" und verwies auf die Beratungen infolge des Ukraine-Kriegs. Nehammer, Kogler, Schallenberg, Karner und Tanner wurden bei der Sitzung von den Chefs der drei Nachrichtendienste unterwiesen.