Politik/Inland

Wiens Bürgermeister Ludwig: "Vor Spitälern haben Demonstrationen nichts verloren"

Club 3: Herr Bürgermeister, wie "können" Sie denn mit dem neuen Bundeskanzler?

Michael Ludwig: Man wird sehen, ob den Worten Taten folgen und nun ein besseres Klima zwischen Bundesregierung und Bundesländern herrscht. Ich habe ja immer die Hand ausgestreckt. Umso enttäuschter waren wir in Wien, dass das nicht in gleicher Weise zurückgekommen ist.

Als Innenminister hat Karl Nehammer seinerzeit vor dem Corona-"Tsunami" gewarnt, der aus Wien heranrolle. Vergeben und vergessen?

Die Politisierung war sicher eine besondere Schwachstelle im Bewältigen der Krise. Und da gibt es auch eine Verantwortung, die klar zuzuordnen ist.

Gibt es nicht auch eine Verantwortung der Opposition im Parlament – wobei die FPÖ da besonders schrill ist?

Der FPÖ-Kurs vertieft natürlich die Spaltung.

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Manche Töne der SP-Abgeordneten im Parlament waren aber auch durchaus aggressiv.

Ja, aber wir haben als staatstragende Partei dennoch auch unangenehme Entscheidungen mitgetragen.

Wie steht die SPÖ jetzt wirklich zu Neuwahlen? Die Linie ist alles andere als einheitlich.

Es ist ja schön, sich mit den unterschiedlichen Meinungen in der SPÖ zu beschäftigen. Aber noch lohnender wäre, sich die unterschiedlichen Standpunkte in der Bundesregierung anzuschauen. Man hat den Eindruck, dass es knirscht. Mir wäre aber lieber, die Bundesregierung käme jetzt in die Gänge und träfe in dieser sensiblen Phase der Pandemie die richtigen Entscheidungen.

Knapp vor dem Kanzler-Rücktritt von Sebastian Kurz gab es Gespräche über einen fliegenden Wechsel im Parlament zu Rot-Grün-Blau-Pink. Ist das jetzt wieder völlig vom Tisch?

Nein, es gab in der SPÖ zu keinem Zeitpunkt Überlegungen für einen fliegenden Wechsel. Es hat nur eine parlamentarische Mehrheit gegeben, die darauf hingewiesen hat, dass der damalige Bundeskanzler nicht mehr in der Lage sein wird, seine Funktion auszuüben. Es hat aber zu keinem Zeitpunkt eine Überlegung für eine Koalition gegeben.

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Es war zumindest eine Art Koalition gegen Kurz.

Sebastian Kurz wurde schon einmal mit einer Mehrheit im Parlament abgewählt. Mich hat ja immer gewundert, wie abfällig er sich über Italien äußerte, dabei ist er mitverantwortlich, dass unser System instabiler ist als jenes in Italien.

Ist das vergleichbar? Italien war über Jahre unregierbar.

Richtig. Darum spreche ich auch nie von einer Staatskrise, sondern von Regierungskrisen.

Sind Sie der Olaf Scholz von Österreich? Nicht Bundesparteichef, aber vielleicht ein erfolgreicher Spitzenkandidat?

Nein, mit Sicherheit nicht. Wir haben eine Bundesparteivorsitzende, die auch als Spitzenkandidatin in die nächste Wahl gehen wird.

Wien hat die Pandemie in den letzten Monaten mit der niedrigsten Sieben-Tage-Inzidenz aller Bundesländer gut gemeistert. Warum lassen Sie die Gastro trotzdem geschlossen?

Wir haben bessere Zahlen als andere Teile Österreichs, aber noch immer keine guten und sollten nicht leichtfertig eine fünfte Welle Ende Februar/Anfang März riskieren. Die Situation ist auch in den Spitälern ernst. Wir waren in Wien immer bereit, Patienten aus anderen Ländern zu übernehmen. Wenn auch die Wiener Spitäler voll sind, gibt es keine Ausweichmöglichkeit mehr. Dass Mitarbeiter von Spitälern bedroht oder behindert werden, ist unglaublich. Dagegen sollte man scharf vorgehen.

Und was genau tun?

Auch wenn das Demonstrationsrecht ein hohes Gut ist: Vor Spitälern haben Demonstrationen nichts verloren. Vor Kindergärten und Schulen auch nicht.

Die Impfpflicht hat zu Radikalisierung geführt.

Die Demonstrationen werden von politisch radikalen Gruppen unterwandert. Das muss man im Auge haben.

Sind die Strafen zu hoch?

Die SPÖ ist für soziale Staffelung. Prinzipiell sollte schon die Ankündigung der Pflicht die Impfungen ankurbeln. Denn es geht neben der individuellen Freiheit schon um Verantwortung für die Gemeinschaft. Jeder sollte seinen Beitrag leisten und sich impfen lassen.

Nicht alle in der SPÖ sind mit der Impfpflicht glücklich, etwa die Gewerkschaften.

Niemand ist glücklich mit der Impfpflicht. Aber weil anderes nichts genutzt hat, muss man das mittragen.

Wie geht es beim von Umweltministerin Gewessler gekippten Lobautunnel weiter?

Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten einsetzen, um das Projekt umzusetzen. Der Verkehr wird ja nicht verschwinden. Auch E-Autos werden Straßen brauchen, genauso wie der Lieferverkehr.

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