Politik/Inland

Buwog-Prozess: Scharfe Kritik von Grasser-Anwalt an Anklageschrift

Der Verhandlungsverlauf im Überblick:

  • Der Antrag eines Verteidigers, seinen Mandanten (den Zehntangeklagten) von der Anwesenheit zu entbinden, wurde abgelehnt
  • Grassers zweiter Anwalt Norbert Wess hat mit seinem Plädoyer begonnen
  • Die Verteidigung hat am heutigen Verhandlungstag versucht, den Vorwürfen der Anklageschrift zu entgegenen
  • Auch zum Schluss wurde angemerkt, Grasser bekenne sich nicht schuldig

"Geld, Gier, Geheimnisse", seien hinter dem Tatplan von Grasser und seinen Freunden Walter Meischberger, Peter Hochegger und Ernst Karl Plech gestanden, hat Oberstaatsanwalt Alexander Marchart gestern im Eröffnungsplädoyer gesagt. "Unsere Zeugen sind Indizien". Grasser "hat kassiert", alle vier "wollten kassieren", betonte er am Mittwoch im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Grasser selber sei dabei im Hintergrund geblieben, habe aber die Fäden gezogen. Er hätte sich durch diverse Schmiergeldzahlungen 21 Jahresgehälter auf Steuerzahlerkosten selbst bezahlt.

Die Anklage werde "schmelzen wie ein Schneeball in der Sonne", hat Grasser-Anwalt Manfred Ainedter auf das Eröffnungsplädoyer der Staatsanwaltschaft erwidert. Heute muss er der Ansage Taten folgen lassen, besser gesagt, eine Powerpoint-Präsentation. Die Verteidigung wird heute den Großteil des Tages damit zubringen, die Anklageschrift in Zweifel zu ziehen.

Für den KURIER berichten auch heute aus dem Gerichtssaal Ida Metzger und Christian Böhmer, ihre Beiträge sind mit ihren Nachnamen in Klammer markiert.

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Was heute bisher geschah:

Zu Beginn stellte der Verteidiger Amir Ahmed den Antrag, seinem Mandanten die Abwesenheit vom laufenden Gerichtsverfahren zu erlauben. Sein Job sei durch die Beanspruchung in Gefahr. Der Antrag wurde vom Schöffensenat nach kurzer Beratung abgewiesen. Dem Senat seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung bewusst, erläuterte Richterin Marion Hohenecker den Beschluss. Im Beweisverfahren werde mit der Abtrennung von Verfahrensteilen darauf Rücksicht genommen, kündigte sie an.

Grasser-Anwalt Norbert Wess hat mit seinem Plädoyer begonnen, mit dem er die Anklage der Staatsanwaltschaft entkräften will. Mit Verweis auf die Entscheidung des Oberlandesgericht Wien vom April 2017, das die Anklage als Instanz geprüft hatte, ortete er einzelne falsche Zitate und Quellenangaben in der 825 Seiten umfassenden Anklageschrift.
Zur Eröffnung seines ganztägigen Plädoyers unterstellte er den gestrigen Ausführungen der Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine "politische Show", wie er sie in seinen 15 Berufsjahren noch nicht erlebt habe. Er warf der Anklage vor, mit den Schlagwörtern "Geld, Gier, Geheimnisse" zu agieren und meinte dann, die Verteidigung präsentiere "Zeugen, Daten, Fakten".
Überraschenderweise nutzte Wess sein Plädoyer heute auch dazu, um auf all die Verfahren hinzuweisen, die gegen Grasser geführt, aber eingestellt worden waren. Dies reicht vom Börsengang der Österreichischen Post, über Vorwürfe im Zusammenhang mit Novomatic und Telekom bis zum Verkauf des Dorotheums. Breiten Raum widmete Wess der Beschäftigung von Lehman Brothers als Investmentbanker bei der Buwog-Privatisierung - was allerdings gar nicht angeklagt und daher kein Teil des Verfahrens ist.
"Unser Mandant ist nicht schuldig, er wird sich nicht schuldig bekennen", hieß es am Ende des Plädoyers der Verteidigung - und das ist auch seine Quintessenz. Einen ganzen Verhandlugnstag hatten Grassers Anwälte gebraucht, um die Verwürfe der Staatswanaltschaft nach Möglichkeit zu entkräften. So würde etwa das mysteriöse Lichtensteinische Konto, auf dem Schmiergeldzahlungen gelandet waren, Meischberger - nicht Grasser- gehören. Auch in der Affäre um den Linzer Terminal Tower hätte ihr Mandant nicht weiter rechtswidrig gehandelt, meinten die Anwälte. "Es macht alles in Wahrheit überhaupt keinen Sinn", sagte Wess zu den in der Anklageschrift aufgelisteten Vorwüfen.
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