Politik/Inland

Nationalrat: Von Kasperln und Stillstand

33 Minuten hatte Werner Faymann Zeit, um dem Plenum seine Vorhaben zu erklären: Die neue Regierung, erst gestern frisch angelobt, stellte sich heute offiziell dem Nationalrat. Zwei Sitzungen hat das Hohe Haus bereits absolviert, jetzt ist man zum dritten Mal zusammengekommen – mit neuer Regierungsmannschaft.

Nach Faymann war sein Vize am Wort. Michael Spindelegger hatte 20 Minuten Zeit, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Auch die Opposition kam zu Wort. Und äußerte ausschließlich Kritik. So betonte Strache, dass Kurz die diplomatischen Kompetenzen fehlen würden und er wohl den "Außenminister bei Humboldt" nachmachen würde. Das gesamte Regierungsprogramm würde Österreichs Ansehen im Ausland schaden und das Land zum "Kasperl" machen.

Auch Eva Glawischnig betonte, dass das Programm "festgeschriebener Stillstand" sei. Kathrin Nachbaur und Matthias Strolz haben ebenso kritische Worte für die Regierung formuliert.

Der KURIER berichtete und kommentierte live.

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So, das war der erste Arbeitstags der Regierung. Die Debatte läuft zwar noch weiter, die wichtigsten Wortmelder haben aber bereits gesprochen. Wir bedanken uns für die Aufmerksamkeit!

Nun äußert sich Peter Pilz von den Grünen. Er betont, dass zwei Regierungsmitglieder reichen würden: "ein Stillstandsbundeskanzler von der SPÖ und ein Stillstands-Staatssekretär von der ÖVP."

Urgestein Otto Pendl (SPÖ) erschüttert jetzt mit schwerer Stimme den Nationalrat. Die Polizei leiste hervorragende Arbeit. Österreich sei eines der sichersten Länder, sagt SP-Sicherheitssprecher Pendl. Auf Twitter dürfte er eine Fangemeinde haben:

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner spricht jetzt.

Sicherheit soll weiterhin einen wichtigen Stellenwert haben. Kriminalität habe sich verändert, darauf wolle man sich einstellen. Mikl-Leitner will sich künftig auch für Cyber-Angriffe rüsten.

Das Wort Cyber hat übrigens einen besonderen Stellenwert im neuen Regierungsprogramm. Es kommt ganze 24 Mal vor. Also auf jeder fünften Seite.

Derzeit spricht Peter Haubner von der ÖVP. Interessant sind die Informationen, die am Rande bekannt wurden: Die ÖVP hat nämlich ihre Bereichssprecher im Nationalrat fixiert. Bereits durchgesickert: Ex-Finanzministerin Fekter ist die neue Kultursprecherin in der ÖVP-Fraktion. Als ehemaliger Minister ist einzig Karlheinz Töchterle in seinem bisherigen Themengebiet als Sprecher für Wissenschaft und Forschung tätig.

Karl geht leer aus

Neo-Klubchef Lopatka ist in der Parlamentsfraktion nun für die Außen- und Europapolitik zuständig. Die Wiener Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank ist Bildungssprecherin und die Wiener ÖAAB-Chefin Gabriele Tamandl für das Budget zuständig. Finanzsprecher wurde Andreas Zakostelsky. Michaela Steinacker, langjährige Raiffeisen-Managerin, verantwortet den Justizbereich. Der früheren Justizministerin Beatrix Karl wurde laut Aussendung keine Sprecherrolle zugedacht.

Ex-Agrarminister Nikolaus Berlakovich ist Sprecher für Regionalpolitik und Volksgruppen, neuer Wehrsprecher ist Bernd Schönegger. Hannes Rauch, früherer Generalsekretär, ist für die Sport-Agenden zuständig und Werner Amon für den Bereich Inneres und Sicherheit. Franz-Joseph Huainigg ist Sprecher für Menschen mit Behinderung sowie für Entwicklungszusammenarbeit. Agrarsprecher bleibt Jakob Auer.

Für die Frauenagenden ist weiterhin ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm zuständig, für die Familien nun Georg Strasser. Asdin El-Habbassi wurde Jugendsprecher. Der neue ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel ist zwar nicht im Nationalrat vertreten, nun aber für den Bereich Medien verantwortlich.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer ist an der Reihe. Er lobt die niedrige Arbeitslosigkeit und streicht die Maßnahmen im Bereich der Pflege hervor: "Wir vergessen weder die Jungen noch die Alten."

Es spricht jetzt die zuvor gelobte Maria Fekter, neue Kultursprecherin der ÖVP. Sie wird mit Bravo-Rufen empfangen. "Sind Sie bereit aktiv etwas für dieses Land zu tun", fragt Fekter die Abgeordneten. Das Spekulationsverbot sei an der Verfassungsmehrheit im Hohen Haus gescheitert. Das Plenum protestiert lautstark: "Blödsinn. Es gibt keine Maßnahmen. Das ist das schlechteste Regierungsprogramm aller Zeiten."

Das Regierungsabkommen habe sehr klare Maßnahmen formuliert, so Fekter.

Nun ist Werner Kogler, der stellvertretende Grünen-Klubobmann, am Wort. Die Regierungsbank ist unterdessen wieder vollzählig. Kogler streut Maria Fekter Rosen und kritisiert die Regierung: "Wurschtelt nicht mehr herum."

"Die Forschung bekommt einen neuen Minister und zwar Reinhold Mitterlehner", sagt Spindelegger. Im Plenum wird gebuht, Protestschilder werden hochgehalten.

Heute Nachmittag wollen Studierende für das Wissenschaftsministerium demonstrieren. Die meisten Unis haben den Studenten dafür vorlesungsfrei gegeben.

Nun spricht Vizekanzler Michael Spindelegger. Er will nach der Rede von Matthias Strolz "zurück in die Realität".

Sein neues Kabinett solle nicht jetzt schon kritisiert werden. Nun folgen lobende Worte für die neuen Minister und Staatssekretäre. Das Nulldefizit formuliert Spindelegger als großes Ziel der nächsten Jahre.

Neo-Außenminister Sebastian Kurz dürfte die Sitzung offenbar wenig spannend finden. Hat er am Anfang noch in einem Magazin geblättert, soll er jetzt schon seinen Sitzplatz von der Regierungsbank verlassen haben.

Nun sprechen die NEOS. Klubchef Matthias Strolz hat wenig Positives für die Regierung übrig und bring sein eigenes Regierungsprogramm vor. "Wir sind Kinder des Mutes", sagt Strolz.

Auch die NEOS wollen einen Antrag auf Beibehaltung des Wissenschaftsministerium einbringen, wie sie bereits angekündigt haben.

Der Lehrberuf sei der wichtigste Beruf für die Republik, konstatiert Strolz. Die NEOS wollen ab morgen diesbezüglich eine Kampagne starten.

Team Stronach-Klubchefin Kathrin Nachbaur ist am Wort. "Das Regierungsprogramm hat wenig Herz", konstatiert sie. Es herrsche ein "Steuergeist". Einige Vorschläge findet sie "unverständlich". "Was haben die Sekthersteller angestellt?", fragt sie.

"Das Sparbuch verliert, das Parteibuch gewinnt", sagt Nachbaur. Außerdem stellt sie fest, dass es zu wenige Frauen in der Regierung gibt: "Ein interessantes Zeichen." Tatsächlich sind vor allem im Vergleich mit Deutschland (wo sogar die Verteidigung in weiblicher Hand ist) auffallend wenige Frauen in der österreichischen Regierung vertreten.

Reinhold Lopatka ist ans Pult getreten. Glawischnig würde sich "Minister aus dem Reagenzglas" wünschen, sagt der ÖVP-Klubchef. Sie sei die "Oberlehrerin der Nation". "Armutszeugnisse zu vergeben, bevor die Regierung angefangen hat zu arbeiten," hält er für verfrüht.

Glawischnig möchte Sophie Karmasin gerne unterstützen, wenn das Familienministerium kein "PR-Ressort" wird.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig ist am Wort. Sie betont anfänglich, dass es durchaus positive Aspekte des Paktes zu nennen gibt. Dann stellt sie allerdings fest: "Alles steht unter Finanzierungsvorbehalt". Und manifestiert: "Das ist festgeschriebener Stillstand."

Obwohl Österreich international gut dastehe, gibt es viele Problembereiche, wie die Bildung. "Klein-Klein-Lösungen" greifen hier zu kurz, sagt Glawischnig.

SIe formuliert wichtige Ziele für das Land: Bildungsreform, Klimaschutz. Das Umweltkapitel ist für sie das "schlechteste, das wir in Österreich jemals gehabt haben". Das Wissenschaftsressort muss eigenständig bleiben, so Glawischnig. Sie will den Nationalrat über die Abschaffung abstimmen lassen.

Andreas Schieder ist nun ans Pult getreten. Er kritisiert, dass Strache die Seitenanzahl des Regierungsprogramms als Qualitätsmaßstab heranzieht. Dass es kein eigenes Ministerium für die Wissenschaft geben wird, sieht er nicht als Problem. Nur die Zuständigkeit zu kritisieren sei zu wenig.

Schieder geht jetzt auf die positiven Aspekte des Programms ein. Stichtwort: Familienbeihilfe, gratis Kindergartenjahr, Papamonat, gratis Zahnspange.

Gerald Grosz vom BZÖ überzeugt Schieder auch nicht sonderlich:

Strache fordert Neuwahlen. Die Bürger sollen nochmal entscheiden. Die Große Koalition erinnere an einen "Hollywoodstreifen" mit unzähligen Fortsetzungen. "Die Rechnung kommt bestimmt", betont der FPÖ-Chef.

Jetzt ist Heinz-Christian Strache am Wort. Er bezeichnet das Regierungsprogramm als "ambitionslos". Strache fragt sich, was in den vergangenen Monaten überhaupt verhandelt wurde.

Sophie Karmasin bezeichnet er als "Schmalspur-Ministerin". Der neue Justizminister Brandstetter hätte durchaus interessante Klienten gehabt. Sebastian Kurz als Außenminister ohne diplomatische Erfahrung mutet ihm seltsam an. Österreich mache sich im In- und Ausland zum "Kasperl". Er formuliert eine "Unfähigkeitsvermutung" der neuen Regierung. Die Europawahl 2014 werde ein "Denkzettel" für die neue Regierung.

"Klare Vorgaben" wären im neuen Regierungsprogramm nicht auffindbar. Eine grundlegende Verwaltungsreform vermisst Strache ebenfalls.

Auf zur Umwelt: Hier sei man besonders gefordert - bei der Effizienssteigerung, beim Ausbau der erneuerbaren Energie. "Es war richtig, nicht auf Kernenergie zu setzen", meint Faymann, um dann zu Wissenschaft und Forschung überzugehen. "Wir stark ein Land in seiner Innovationskraft ist, hängt stark davon ab." Wider erwarten kommt kein Unmut seitesns der Opposition, die sich ja klar gegen die Zusammenlegung von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium aussprechen.

Zwischendrin dankt Faymann noch den ausscheidenden Regierungsmitgliedern; verhaltener Applaus aus dem Plenum folgt. Dann setzt er zum Schlusswort an - mit dem erneuten Hinweis darauf, wie großartig Österreich sei.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, ein weiterer Punkt auf Faymanns Agenda. "Wir brauchen den Respekt als Grundwert unserer Ggemeinschaft. Das werden wir doch aus unserer Geschichte gelernt haben."

Die Neos twittern übrigens brav aus dem Plenarsaal:

All-In-Verträge, die "den Ausdruck nicht wert sind - das würde bedeuten, dass jede Leistung drin ist", prangert Faymann an - diese müsste unterbunden werden. Das angedachte Bonus-Malus-System bei den Pensionen sei ein weitere Schritt zur Budgetkonsolidierung; die Anhebung des faktischen Pensionsalters - auch ein oft zitierter Satz - ein weitere.

Eine gewisse Offenheit gegenüber anderen Systemen sei unbedingt erforderlich, meint Faymann. "Wer engstirnig ist, wird in der Wirtschaft nichts erreichen, in der Wissenschaft nicht, im Sport auch nicht", sagt Faymann - ganz offensichtlich in Richtung der FPÖ.

Sebastian Kurz scheint dies übrigens nicht besonders zu interessieren: Die meisten Regierungsmitglieder lauschen den Worten des Kanzlers, der neue Außenminister blättert in einem Magazin.

Nun wieder das Thema Bildung - jetzt spricht Faymann von seinem Wunsch nach der Ganztagsschule: Österreich brauche dieses Schulmdeoll - das sei einer der wesentliche Unterschiede zu jenen Ländern, die in der PISA-Studie weiter vorn lägen. "Das Prinzip der Freiwilligkeit" sei grundlegend - Applaus dafür.

Die Bekämpfung der drohenden Armut ist Faymann ein weiteres Anliegen. Mit "einem Paukenschlag" sei keine Fairness herzustellen - eine Reihe an Maßnahmen sei nötig. Die Einschränkung der Gruppenbesteuerung, den Solidaritätszuschlag, den Sicherungsbeitrag bei Privilegienpensionen etwa. Die Erhöhung der Familienbeihilfe, ein oft diskutierte Maßnahme, werde kommendes Jahr vollzogen.

"Wir können uns leider nicht all das leisten, was wir uns wünschen", meint Faymann - die Maßnahmen seien ein erster Schritt. Applaus folgt, vor allem von Seiten der SP. Wenigstens habe man nicht die Mehrwertsteuer erhöht, so wie viele andere Staaten: "Die meisten anderen Länder haben die Mehrwertsteuer erhöht." Jede Erhöhung werde als Belastung wahrgenommen. "aber die Mehrwetrsteuer-Erhöhung ist besonders unfair."

Faymann erwähnt die Bildung: "Wichtig sind drei Schritte: Erstens Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung." Prompt folgt Gelächter: "Verhöhnen Sie sich selbst", so den Kanzlers Antwort an die FPÖ, die am lautesten aufgemuckt hat. "Ich bin froh, dass Sie am dritten Platz sind", wird er laut. "Wer nur aufhetzen will, hat das Erfolgsmodell Österreichs noch nicht verstanden."

Strache und Kickl lachen. Die Zuschauerränge sind übrigens voll; auch Schulklassen sind hier, um der Sitzung zu folgen.

Jetzt darf Werner Faymann reden. Nach der offiziellen Begrüßung startet er mit seiner 40-Minuten-Ansprache: "Österreich ist ein erfolgreiches Land", setzt der Kanzler mit einer Wiederholung von Bekanntem an. Zuletzt ist bekanntlich der Satz "Österreich muss nicht neu erfunden werden" des öfteren gefallen - bleibt abzuwarten, ob auch heute.

"Es ist nicht die Zeit jener, die ein Wachtum von drei, vier Prozent hatten", spielt Faymann auf vergangene Legislaturperioden an - Schwarz-Blau etwa hatte mit deutlich bessere Wirtschaftsdaten zu tun. Deshalb sei es nötig, das Budget zu konsolidieren; die Krise sie noch nicht vorüber. "Ohne diese Maßnahmen können wir unseren Status nicht halten."

Die Glocke hat geläutet, Barbara Prammer begüßt die Anwesenden - speziell Bundespräsident Heinz Fischer, der im Zuschauerraum sitzt. Sie verliest nun die Verzichtslisten; also die Namen der Regierungsmitglieder, die auf ihre Sitze im Nationalrat verzichten - für sie rutschen nun andere Mandatare nach, die jetzt angelobt werden.

Bei der SPÖ sind das Karin Greiner, Michael Ehmann, Klaus Uwe Feichtinger, Jan Krainer, Elisabeth Hakel und Hubert Kuzdas. Die Folge daraus: Christoph Matznetter, bisher Budgetsprecher der Genossen, sitzt nicht mehr im Parlament. Verschoben hat sich bei der SP übrigens auch eine Sprecherrolle: Laura Rudas übernimmt von Elmar Mayer die Bildungsagenden.

Bei der VP rückt Manfred Hofinger nach, Erwin Rasinger Franz-Joseph Huainigg bleiben durch die Regierungsumbildung. Dadurch dass sowohl die ehemalige Justizministerin Beatrix Karl als auch Ex-Finanzministerin Maria Fekter, der einstige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und der vormalige Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich die laufende Gesetzgebungsperiode als Abgeordnete bestreiten, gibt es im ÖVP-Klub relativ wenige Nachrücker.

Der Plenarsaal ist noch einigermaßen leer, wie man auf dem Live-Stream des Parlaments sehen kann - die Abgeordneten trudeln erst nach und nach ein.

Willkommen beim Live-Blog zur Regierungspräsentation! Heute tritt der Nationalrat in veränderter Form zusammen - einige Gesichter kennt man, einige sind neu. Wer auf der Regierungsbank noch keine Erfahrungswerte gesammelt hat, kann man in unserer Galerie nachlesen.