Politik/Inland

U-Ausschuss: "Jetzt geht mir schon langsam das Häferl über"

Tag 1 im ÖVP-U-Ausschuss - und die Befragungen beginnen mit Kanzler Karl Nehammer. 

Es ist ein U-Ausschuss, der diesen Begriff heute aber kaum verdient, weil weniger untersucht als über die Geschäftsordnung debattiert wird.

Fast zum Eklat kommt es rund um die Fragen von Jan Krainer. Der SPÖ-Abgeordnete will Nehammer zur Steuer-Causa Wolf befragen.

"Haben Sie als Bundeskanzler Aktionen gesetzt, damit die Vorwürfe im Finanzministerium aufgeklärt werden?“. Das ist die erste Frage, die zu heftigen Debatten führt. Denn der Untersuchungszeitraum des U-Ausschusses endet Ende Oktober - Nehammer wurde aber erst im Dezember Bundeskanzler. Muss er nun diese Frage beantworten - nach Endlos-Debatten wird entschieden - Ja.

Diese Situation ist ein Vorbote, wie sich die kommenden 90 Minuten gestalten werden.

Krainer legt dann eine PowerPoint-Präsentation vor, die Nehammer offenbar auf einer ÖVP-Klausur im Mai 2018 präsentiert hat. Darunter auch zehn Umfragen ab Dezember 2016 bis Mai 2018 rund um die Zufriedenheitswerte mit der ÖVP. Durchgeführt wurden alle Umfragen von der GFK Austria.

Krainer fragt: "Ist eine oder mehrere dieser ÖVP-Umfragen vom Innenministerium, vom Finanzministerium oder von der Agrarmarkt Austria?"

Die ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger und Christian Stocker werfen ein, dass diese Frage nicht zulässig sei, weil im einem parlamentarischen U-Ausschuss nur sogenannte "Vollziehungshandlungen des Bundes" untersucht werden, aber nicht Parteien. Krainer beharrt auf der Frage. Er will darauf hinaus, ob Steuergeld für Umfragen zu Parteizwecken verwendet wurde. 

Untersuchungsrichter Wolfgang Pöschl gibt aber den ÖVP-Manadataren Recht. "Herr Krainer Sie bewegen sich so weit am Rand, dass es schon außerhalb des Randes ist". Krainer wiederholt die Frage nochmals mit anderem Wortlaut, aber die Frage wird wieder abgelehnt. Dieses Schauspiel wiederholt sich gefühlt 30 Mal. Nehammer beobachtet das Schauspiel mit verschränkten Armen. Er verlangt von Krainer, dass er auch Dokumente für die genannten Umfragen vorlegt, dann kann er sie auch beantworten. Auch der Verfahrensrichter schließt sich dieser Meinung an. 

Krainer kommt nicht weiter - und wechselt die Frage: "Haben Sie Wahrnehmungen zu Rabatten für die ÖVP im Gegenzug für öffentliche Aufträge des Innenministeriums für die GfK Austria?"

Wieder entspinnt sich die gleiche Debatte. Wieder wird moniert, dass es keine Unterlagen dazu gibt und es sich um keine Vollziehung des Bundes handelt. Neos-Abgeordnete Krisper meldet sich zu Wort: "seit Stunden beobachte ich dieses unwürdige Schauspiel. Für Wahrnehmungen braucht es keine Unterlagen oder Urkunden - sonst wird es kafkaesk."

Ähnliches wie bei der Befragung durch Krainer passiert im weiteren Verlauf auch bei der Befragung durch Krisper, Hafenecker und Tomaselli. Nach beinahe jeder Frage gibt es eine Debatte zur Geschäftsordnung. 

Als zweite Auskunftsperson war  ÖVP-Spender und C-Quadrat-CEO Alexander Schütz heute geladen. Er zeigte sich wenig auskunftsfreudig. Der Unternehmer, der 2017 40.000 und 2018 45.000 Euro an die ÖVP gespendet hat, ersuchte, künftig nicht mehr als "ÖVP-Großspender" bezeichnet zu werden, er habe auch an Macron und die CDU sowie für karitative Zwecke gespendet. "Ich definiere mich nicht über meine ÖVP-Spende", sagte Schütz. 

Schütz stellte gleich zu Beginn klar, dass er Fragen zu von ihm gegebenen Veranstaltungen nicht beantworten werde. "Menschen, die bei mir zu Gast sind, haben ein Recht darauf, dass ich auf ihre Privatsphäre achte", so Schütz. Er wisse auch nicht mehr im Detail, wer wann zu welchen Anlässen eingeladen war und was dabei besprochen wurde. Es seien rein private Abendessen gewesen.

Der ÖVP-Mandatar Andreas Hanger sprang Schütz zur Seite und betonte ebenfalls das Recht auf Privatsphäre. "Privat soll privat bleiben", so Hanger. Der Verfahrensrichter sah dies anders, auch in einem privaten Haus können für den Untersuchungsgegenstand relevante Dinge besprochen worden sein.

Schütz hätte schon vor dem Ibiza-U-Ausschuss erscheinen sollen, entging der Befragung aber, indem er nach Zustellung der Ladung eine Auslandsreise buchte. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hatte deshalb eine Beugestrafe in der Höhe von 3.500 Euro verhängt.

Heftige Debatten

Schon die Befragung des Kanzlers begann, gab es eine Geschäftsordnungsdebatte. Die Tonanlage im Raum war so eingestellt, dass nur der Vorsitzende, also Wolfgang Sobotka (ÖVP), die Mikrofone der einzelnen Sprecher ein und wieder ausschalten konnte. Dazu gab es jetzt eine Geschäftsordnungsdebatte. Die Tonanlage wurde daraufhin wieder so eingestellt, dass alle U-Ausschuss-Mitglieder das wieder selbst machen können. 

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Vor der Befragung gab es Eingangsstatements der Fraktionsführer.

Für Nina Tomaselli von den Grünen habe sich gezeigt, dass ein "kleiner Machtzirkel" um Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht habe: "Diese jungen Männer haben manipuliert", etwa über "frisierte Umfragen", Postenschacher im großen Stil oder indem sie "Superreichen eine Spezialbehandlungen" zukommen ließen. Aus den Akten habe sich etwa auch gezeigt, dass neben Unternehmer Sigfried Wolf auch Immobilieninvestor Rene Benko "einen besonderen Draht ins Finanzministerium hatte".

Komplett anders sah das die ÖVP. Wie deren Fraktionsführer Andreas Hanger betonte, sehe man der heutigen Befragung von Nehammer "gelassen entgegen". Schließlich habe dieser im Ibiza-U-Ausschuss eine untergeordnete Rolle gespielt und komme in den "Akten nicht vor", wenn dann nur "ganz marginal". Und Hanger machte gleich die Strategie der ÖVP klar: Nehammer könne nur in seiner Rolle als Innenminister und nicht in seiner Rolle als Generalsekretär der ÖVP befragt werden. Denn Parteien können niemals Gegenstand der Untersuchung eines parlamentarischen U-Ausschusses sein.

Das von SPÖ, FPÖ und NEOS eingesetzte parlamentarische Gremium hat "das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021" zum Untersuchungsgegenstand. Zum Teil gibt es dabei thematische Überschneidungen zum im Herbst abgeschlossenen Ibiza-U-Ausschuss. Andererseits sind aber auch neue Vorwürfe wie die Inseratenaffäre rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) inkludiert. Die FPÖ will vor allem den niederösterreichischen ÖAAB unter die Lupe nehmen.  Für den blauen Fraktionsführer Hafenecker liegt dort die "Wurzel allen Übels". Der ÖAAB sei der Dreh und Angelpunkt aller Personalinterventionen gewesen.

Der KURIER berichtet live. 

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