Politik/Inland

Kogler über Chats: "Schauerliche Sittenbilder"

Mehr als 300.000 Chatnachrichten wurden auf dem Handy des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, sichergestellt - genau gesagt: auf einem Backup, also einer Sicherungskopie. Etwas mehr als ein Drittel der Nachrichten ist ausgewertet und diese haben die politische Landschaft in Österreich erschüttert.

Jüngst wurden neue Chats bekannt, wonach Schmid als Generalsekretär im Finanzministerium einen Steuernachlass für MAN-Investor Siegfried Wolf eingefädelt haben soll. Rund 690.000 Euro sollen Wolf dabei nachgelassen worden sein. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Und so wie Schmid schon in anderen Chat-Verläufen markige Sager geliefert hat - "Ich liebe meinen Kanzler", "Kurz kann jetzt Geld scheissen", "Wer zahlt schafft an" - so auch diesmal: Im Zuge der Bemühungen, für Wolf eine Lösung für sein Steuerproblem zu finden, schrieb Schmid einem Kabinettsmitarbeiter: "Vergiss nicht -  du hackelst im ÖVP-Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!“

"Inakzeptable Sittenbilder"

Für Vizekanzler Werner Kogler offenbaren die jüngst bekannt gewordenen Chats erneut "schauerliche und völlig inakzeptable Sittenbilder".

Die Vorgänge im Finanzministerium müssten aufgearbeitet werden, betonte der Grüne, und er glaube auch, dass dies unter dem neuen Finanzminister Magnus Brunner gut gelingen könnte, so der Vizekanzler im APA-Interview.

Gläserne Parteikassen und mehr Transparenz

Damit die Glaubwürdigkeit in die Politik wieder steigt, will Kogler nun für transparentere Parteifinanzen aufs Tempo drücken: Die Regelung für gläserne Parteikassen sei "so gut wie fertig", in der ersten Jahreshälfte werde es "echte Ergebnisse" geben.

Im kommenden Jahr werde man auch einen großen Schritt weiterkommen, was mehr Transparenz betrifft. ÖVP und Grüne sind mit der Verschärfung der Transparenzregeln seit Monaten säumig. "Wir sind da ein bisschen abgebremst worden letztes Jahr durch die Pandemie." Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker hatte deshalb im Herbst sogar die ungewöhnliche Initiative gefasst, im RH selbst einen Gesetzentwurf dazu ausarbeiten zu lassen. Einiges darin steht auch im Regierungsprogramm, etwa Prüfrechte für den Rechnungshof in den Parteien und eine Wahlkampfkosten-Bilanz spätestens sechs Monate nach der Wahl.

Inhaltlich gehe es in eine ähnliche Richtung wie vom RH vorgeschlagen, erklärte Kogler. Ziel ist, dass "der Rechnungshof wirklich reinschauen darf". Die Regelung sei "so gut wie fertig", versicherte Kogler, "in der ersten Jahreshälfte dürfen wir da schon mit echten Ergebnissen rechnen". Verhandelt wird die Materie im Parlament, und Kogler geht davon aus, dass die SPÖ die notwendige Zweidrittelmehrheit ermöglichen wird. Sollte es eine gröbere Verzögerung geben, müssten dies jene Parteien rechtfertigen, die diese verursachen, meinte Kogler.

Informationsfreiheitsgesetz

Eine ziemliche Verzögerung gibt es auch beim "Informationsfreiheitsgesetz". Da sind sich Grüne und ÖVP zwar auf Bundesebene einig, es gebe aber schwerwiegende Einwände aus den Bundesländern und Gemeinden, die sich die Umsetzung nicht zutrauen. "Ich hoffe, das ist überwindbar - es schaut sehr schwer aus im Moment", räumte Kogler ein. "Notfalls muss man einen Kompromiss machen, aber wir werden das nicht allzu sehr verwässern lassen."

Dass die ÖVP heuer vorwiegend mit sich selbst beschäftigt war, dürfte es für die Grünen bei der Umsetzung ihrer Prestigeprojekte - ob ökosoziale Steuerreform, Klimaticket oder Plastikpfand - leichter gemacht haben. "Vielleicht kann man sagen, dass die ÖVP da oder dort weniger in der Lage war, Bedenken zu äußern." Kogler ist freilich überzeugt, dass man es auch sonst geschafft hätte, aber "so ist es möglicherweise schneller, deutlicher und intensiver gekommen".

Mit der Steuerreform erreiche man nicht nur ökologische Lenkungsziele, sondern über den Klimabonus für alle Haushalte auch eine soziale Absicherung - "das ist einmalig", frohlockte Kogler. So viele Klimaschutzmaßnahmen habe es noch nie gegeben, in den zwei Jahren Grüner Regierungsbeteiligung sei "mehr passiert als die 15, 30 Jahre vorher". Überfällig ist allerdings das Klimaschutzgesetz - dieses befindet sich laut Kogler aber in der finalen Abstimmungsphase zwischen den Regierungsparteien.

Sehr gutes Koalitionsklima

Die Stimmungslage innerhalb der Koalition hat für Kogler nicht oberste Priorität: "Das Regierungsprogramm heißt ja nicht 'Stimmungskanonen für Österreich', sondern 'Verantwortung für Österreich'." Das Koalitionsklima sei aber jedenfalls "sehr gut, trotz der schwierigen Situation". Wichtig sei es, zu "tragfähigen Entscheidungen" zu kommen, "und das ist der Fall". Für Karl Nehammer, den Nachfolger von Sebastian Kurz als Kanzler und ÖVP-Chef, findet Kogler nur lobende Worte. "Es kommt ein ganz anderer Ton aus dem Kanzleramt."

Unfreundliche Zwischenrufe aus den Reihen des Koalitionspartners wie jene des Tiroler Seilbahnsprechers und ÖVP-Abgeordneten Franz Hörl, der zuletzt Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) "Missmanagement" vorgeworfen hatte, bringen Kogler nicht aus der Ruhe. Die neuen strengeren Einreisebestimmungen für Touristen wegen Omikron seien "ja wohl nur vernünftig, richtig und gerecht", meinte Kogler. Hörl übersehe als "bisschen überinspirierter Vertreter der Seilbahnwirtschaft", dass er eventuell dem Tourismus mit seiner "legeren Haltung" schade. "Möglicherweise ist auch nicht von jeder Seilbahngondel aus der Horizont gleich weit."

Keine Neuwahl

Das Neuwahlgespenst sieht Kogler nicht herumgeistern: "Ein Gespenst ist eine irrationale Erscheinung." In der Realität sei es wichtig, weiter Verantwortung zu übernehmen. In dieser Situation - der Pandemie samt ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen - wären Neuwahlen unverantwortlich, glaubt Kogler. "Wir werden uns von Gespenstern nicht aufscheuchen lassen."

Gewählt wird 2022 jedenfalls der Bundespräsident, wobei Kogler erwartungsgemäß "große Hoffnung" hat, dass sein früherer Parteikollege Alexander Van der Bellen wieder antritt. Kogler selbst will sich im ersten Halbjahr 2022 bei einem Grünen Bundeskongress erneut als Bundessprecher bewerben. Ob dabei auch eine Doppelspitze eine Option wäre, ließ er offen.