Politik/Inland

Kogler nimmt die vorletzte Hürde souverän

Er lässt sich „nicht einmal von einer Biobutter unterbuttern“, verabschiedet sich von „medizinischem Vokabular wie Schmerzen, Beruhigung und bitteren Pillen“ und überhaupt rät er allen, die meinen, die Grünen hätten schlecht mit der ÖVP verhandelt, die Lektüre des Regierungsübereinkommens.

Werner Kogler, berühmt für seine Wuchteln, war am Freitagabend nach einer Sitzung des grünen Erweiterten Bundesvorstands in Salzburg in Höchstform – umringt von den künftigen Regierungsmitgliedern der Grünen.

Aus gutem Grund: Das 29-köpfige Gremium, das aus Parteivorstand und Länderspitzen besteht, nahm den Pakt mit der ÖVP einstimmig an. Einstimmigkeit – das ist bei den Grünen eine Rarität.

Auf Einstimmigkeit wagt Kogler beim Bundeskongress, der die türkis-grüne Regierung final besiegeln soll, nicht zu hoffen. Denn obwohl das Klima- und das Transparenz-Paket, das die Grünen der ÖVP abgerungen haben, großteils gelobt wurde, wird der Bundessprecher für die Zugeständnisse, die seine Verhandler im Gegenzug machen mussten, noch Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Und Zugeständnisse – „schmerzhafte“, wie einige namhafte Grüne es formulieren – gibt es in dem Abkommen einige. Besonders das Kapitel zu Sicherheit und Migration trägt eine deutliche türkise, wenn nicht sogar türkis-blaue, Handschrift.

Es sieht etwa eine Sicherungshaft für Gefährder und ein Kopftuchverbot in der Schule für Mädchen bis 14 Jahre vor. Pikant ist auch: Im Falle einer Migrationskrise darf sich die ÖVP im „koalitionsfreien Raum“ eine andere Mehrheit suchen – zum Beispiel mit der FPÖ.

Widerstand

Während die 29 Mitglieder des Bundesvorstands hinter verschlossenen Türen berieten, regte sich außerhalb unter den Delegierten Widerstand. „Ich tendiere dazu, beim Bundeskongress am Samstag dagegen zu stimmen“, sagte der Tiroler Landtagsabgeordnete Michael Mingler am Freitag. Im sozialpolitischen und im Menschrechtsbereich seien „ziemlich viele Grauslichkeiten dabei“, erklärte er. „Da besteht die Gefahr, dass wir unsere Glaubwürdigkeit verlieren“. Ähnliche Stimmen wurden aus der Parteijugend laut. Auf Twitter kommentierten sie einzelne Punkte des Abkommens mit einem eindeutigen „WTF“ (what the fuck).

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Auch die Aktivisten der „Fridays for Future“-Bewegung, die am Freitag vor dem Bundeskanzleramt in Wien und auch in Salzburg demonstrierten, sind nicht ganz zufrieden mit dem Klimapaket – sie fordern mehr Tempo bei der Umsetzung.

Verantwortung

Manche trösten sich mit juristischen Spitzfindigkeiten: Menschenrechtsanwalt Georg Bürstmayr, der in den Nationalrat nachrückt, meinte gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten, er sei „relativ entspannt“ in Bezug auf die Sicherungshaft. Im Pakt stehe ja geschrieben, dass diese „verfassungskonform“ sein müsse. Die Verfassung sieht eine Präventivhaft, ohne dass eine Straftat begangen wurde, aber nicht vor. „Und wir haben nicht vereinbart, dass wir die Verfassung ändern“, sagte Bürstmayr.

Kogler ging Freitagabend nicht auf einzelne Schlagworte von Kritikern ein: „Ich spiele da nicht mit.“ Stattdessen schlug er den Delegierten noch einmal das Regierungsübereinkommen „als Hilfestellung“ für ihre Entscheidung vor. „Aus Verantwortung für Österreich“ lautet der Titel. „Es sollen sich alle der Verantwortung bewusst sein und auch der europäischen Bedeutung“, mahnte der Bundessprecher. Dass in Österreich bald Grüne statt Blaue mit den Konservativen regieren – und damit „Rechtsextreme“ ferngehalten werden, habe Vorbildcharakter.

Kogler, der die Partei nach ihrem Rauswurf aus dem Nationalrat übernommen hat, erinnert an einen Bundeskongress, der vor etwa zwei Jahren stattgefunden hat. „Damals waren wir nicht so frisch und fröhlich“, sagt er. „Aber es gab eine Zuversicht und Kampfeslust. Und so machen wir das auch weiterhin.“