Politik/Inland

Mietpreisbremse: Wie der Streit zwischen ÖVP und Grünen eskalierte

Es sah danach aus, als würden sich ÖVP und Grüne in aller Ruhe auf eine Mietpreisbremse einigen. Im Plenum am 1. März hätte der Beschluss fallen sollen. Doch im Verlauf dieser Woche ist die Stimmung gekippt.

Worum es geht: Mit 1. April steigen die Richtwert- und Kategoriemieten von rund 500.000 Wohnungen wegen der hohen Inflation um 8,6 Prozent. Das könnten sich viele Mieter nicht mehr leisten, befanden etwa die SPÖ oder die Mietervereinigung. Anfang Februar deutete auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) an, dass es eine Erleichterung für Mieter geben soll. Und tatsächlich: ÖVP und Grüne begannen zu verhandeln.

Die Koalition stand bereits unter Zeitdruck. Um die Erhöhung im April abzufedern, muss Türkis-Grün spätestens kommende Woche im Nationalrat die gesetzliche Änderung beschließen. Diese Änderung muss sie zuvor im Bautenausschuss oder im Plenum ankündigen - was nicht geschah. Jetzt steht die Koalition vor einem großen Problem. Es gibt eine ÖVP- und eine Grünen-Version, warum es soweit kam.

Wo man sich einig war

Bei der Frage, wie die Erhöhung der Richtwertmieten gesenkt werden kann, sprachen sich beide dafür aus, die 8,6 Prozent zu glätten. Das grüne Modell: Die Mieten werden 2023 und 2024 um 3,8 Prozent erhöht. Ein verbleibendes Prozent kommt bei der Erhöhung 2025 hinzu. Die ÖVP plädierte hingegen dafür, die Erhöhung zweizuteilen. Heißt: 2023 und 2024 steigen die Mieten um 4,3 Prozent.

Hier wäre eine Einigung wohl möglich gewesen. Auch bei einem anderen Punkt waren die Verhandler einem Kompromiss sehr nahe: Für Vermieter, die thermische Sanierungen und einen Heizkesseltausch durchführen, sollte es steuerliche Begünstigungen geben. Ein finanzieller Anreiz für die Immobilienbranche, der auch einen ökologischen Lenkungseffekt beinhaltet: Der Vorschlag hätte die Agenden beider Parteien bedient.

Die beiden Streitpunkte

Woran ist die Mietpreisbremse dann vorerst gescheitert?

Die Grünen forderten laut ÖVP, dass sämtliche Mietformen bei der Preisbremse berücksichtigt werden, also auch Wohnungen im nicht regulierten Bereich (der KURIER berichtete am Donnerstag). Der private Wohnungsmarkt sei kaum zu regulieren, wies die ÖVP diesen Vorschlag zurück. Eine Preisbremse komme nur für Richtwert- und Kategoriemieten, sowie gemeinnützige Wohnungen infrage.

Auf diese Erzählung reagierten wiederum die Grünen Donnerstagabend verärgert - der KURIER und die Presse berichteten zuerst. Die Verhandlungen seien deshalb vorerst gescheitert, weil die ÖVP eine "neue Forderung" auf den Tisch gelegt habe. Sie wolle einen Freibetrag von 500.000 Euro bei der Grunderwerbssteuer (GrESt) auf das erste Eigenheim.

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Die Grünen argumentieren, davon würden auch Leute profitieren, die sich eine Luxusvilla anschaffen. Auch sei die Gegenfinanzierung nicht geklärt. Die ÖVP widerspricht: Vor allem einer jungen Familie, die gerade einmal 200.000 Euro Eigenmittel für ein neues Haus zusammenkratzen könne, würde die Regelung nützen.

Und: Es handle sich keineswegs um eine neue Forderung. "Die Vorschläge zur GrESt wurden bereits vor Monaten an den Koalitionspartner übermittelt", heißt es aus dem Finanzministerium (BMF) zum KURIER. Und: "Wir haben gleich zu Beginn der Verhandlungen klargestellt, das die GrESt Teil des Pakets sein muss", sagt ÖVP-Verhandler Andreas Ottenschläger.

Die Gemeinden reagieren verunsichert auf die Forderung. Ihnen würden durch den GrESt-Freibetrag jährlich rund 100 bis 150 Millionen Euro an Steuereinnahmen fehlen. "Der Entfall wird den Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleiches ersetzt", stellt das BMF klar.

Zurück zum Anfang

Vorerst nur die Richtwertmieten zu bremsen, ist - selbst bei steuerlichen Erleichterungen für Vermieter - für die ÖVP keine attraktive Option. Warum? Weil davon vor allem die Kernwählerschaft der Wiener SPÖ profitieren würde, während ländliche Gebiete kaum entlastet wären.

"Drei Viertel der Wohnungen mit Richtwertmieten sind in Wien. Damit wäre es für die SPÖ ein Leichtes, die Erhöhung dieser Mieten zu verhindern. Dafür braucht es keinen bundesweiten Mietpreisdeckel", sagt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Eine bloße Senkung der Richtwertmieten als Zuckerl, das hauptsächlich Bewohnern der SPÖ-geführten Hauptstadt zugute kommt, war für die ÖVP von Beginn an kein Thema.

Einigung wird schwierig

Vom Tisch ist die Mietpreisbremse für Richtwertmieten noch nicht. Ein Modell könnte nach wie vor kommende Woche beschlossen werden. Dafür müsste kommende Woche im Parlament aber kurzfristig eine Sondersitzung einberufen werden.

Was problematisch ist: Über die GrESt wurde laut Ottenschläger im Detail noch gar nicht gesprochen. Und die ÖVP will eigentlich nur einem Gesamtpaket - mit GrESt - zustimmen.

Was Opposition und Experten sagen

"Dass ÖVP und Grüne eine bereits kolportiere Einigung über eine Mietpreisbremse platzen lassen und damit zulassen, dass hunderttausende Mieter*innen fast zehn Prozent mehr Miete zahlen müssen, ist eine 'sozialpolitische Katastrophe'", so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in einer ersten Reaktion. Die Folgen: Betrug die Richtwertmiete zum Beispiel einer 80-Quadratmeter-Wohnung in Bregenz im April 2022 784,9 Euro, wird sie ab Mai 2023 - nach zwei Erhöhungen - 903,6 Euro betragen. "Das sind Mehrkosten für die Mieter*innen von 1.423,9 Euro im Jahr - also fast zwei Monatsmieten", rechnete Leichtfried vor.

"Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die ÖVP wollte Mieter niemals vor der Inflation schützen", sagte FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrangl und bezeichnete die Bundesregierung als "Wohnkostentreiber Nummer eins". Die SPÖ beantragt im Nationalrat, die Mietpreiserhöhung bis 2026 auszusetzen und danach die Mieten entlang des Leitzinses der Europäischen Zentralbank anzuheben. Eine entsprechende Fristsetzung wurde aber nur von den Freiheitlichen unterstützt.

Von Expertenseite käme Rückenwind für eine Lösung: "Die Aufteilung der Erhöhung der Richtwertmieten auf 3 Jahre wäre eine sinnvolle Lösung in einer höchst schwierigen Situation", schreibt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag auf Twitter. Die Förderung der thermischen Sanierung ist aus seiner Sicht ein taugliches Gegengeschäft. "Grundsteuer und Grunderwerbssteuer gehören reformiert. Aber im Rahmen des Finanzausgleichs und als Teil eines Pakets", so Felbermayr.

Ökonom Jan Kluge vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria präferiert andere Lösungsvorschläge: "Nun sollte man individuell und zielgerichtet helfen, wie es zum Beispiel die Wohnbeihilfe, der Heizkostenzuschuss oder auch der Wohnschirm tun."