Karner: "Ein Innenminister darf kein Weichspüler sein"
Von Martina Salomon
Sie waren einst Sprecher des Innenministeriums. Hat wohl nur kurz gebraucht, um sich ins Amt einzuarbeiten …
Gerhard Karner: Das ist 20 Jahre her. Seither hat sich sehr vieles getan. Ich war aber auch als Sicherheitssprecher im niederösterreichischen Landtag mit dieser Materie immer eng verbunden.
Sie waren auch von 2003 bis 2015 Landesgeschäftsführer der ÖVP-Niederösterreich – und in Ihrer Wortwahl nie sehr zimperlich. Haben Sie sich verändert?
In Wahlkämpfen muss man Kante zeigen. Da fielen auch mir gegenüber Kraftausdrücke, auch da darf man nicht zimperlich sein. Aber die Verantwortung eines Innenministers ist eine ganz besondere, wo man natürlich auf die Wortwahl besonders achtgeben muss.
Sind Sie dennoch immer noch ein Hardliner?
Ja, wenn Sie damit meinen, dass man konsequent und durchsetzungsfähig ist. Ein Innenminister darf kein Weichspüler sein, davon bin ich felsenfest überzeugt.
Polizisten haben in einem offenen Brief vor der Spaltung der Gesellschaft durch die Impfpflicht gewarnt und auch Sympathien für die Demonstranten gezeigt. Wie gehen Sie damit um?
Wir wissen, dass diesen Brief drei Personen unterschrieben haben. Wir haben aber insgesamt 32.000 Mitarbeiter im Innenressort. Und rund 85 Prozent der Polizistinnen und Polizisten sind bereits geimpft. Sie beweisen täglich Engagement in dieser sensiblen Situation – auch an Demo-Wochenenden.
Was passiert mit den Unterschreibern?
Es wurden bereits dienst- und disziplinarrechtliche Erhebungen eingeleitet.
Wie stehen Sie denn zur Impfpflicht?
Sie wird Anfang Februar kommen. Die Details werden gerade parlamentarisch beraten. Wir werden das schaffen.
Wie wird das kontrolliert?
Das ist in erster Linie eine Aufgabe der Gesundheitsbehörden, aber wir – also die Polizisten – haben jetzt auch gemeinsam mit dem Handel die Kontrollen verstärkt. Es gibt eine Aktion scharf gegenüber jenen, die nicht bereit sind, Regeln mitzutragen – und daher auch eine Aktion Fairness gegenüber jenem überwiegenden Teil der Bevölkerung, der diese Maßnahmen mitträgt, im Sinne der Sicherheit und im Sinne der eigenen Gesundheit.
Die jetzt impfskeptischen Freiheitlichen hatten im Polizeiapparat immer eine starke Anhängerschaft. Ist das noch immer so?
Ich habe noch keinen einzigen Beamten nach seinem Parteibuch gefragt. Mir geht es nur darum, ob jemand seine Arbeit ordentlich macht.
Stört es Sie, dass mit Herbert Kickl ausgerechnet ein Ex-Innenminister Stimmung gegen die Impfung macht?
Er müsste als ehemaliger Minister eigentlich wissen, welch schwierige Aufgabe die Polizei derzeit hat. Es gibt bei den Demonstrationen Hooligans, Gewaltbereite, rechte Randgruppen. Aber es gibt auch viele, die aus gewissen Ängsten und Sorgen mit dabei sind – Familien, Kinder: An die appelliere ich, sich von diesen Gruppen nicht missbrauchen zu lassen. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass der ehemalige Innenminister so emotionalisiert und damit auch die Arbeit der Polizisten schwieriger macht. Bei der Polizei sorgt das für großes Kopfschütteln.
Zum Asylrecht: Werden Sie die harte Linie der ÖVP beibehalten?
Es ist keine harte, sondern eine konsequente Linie. 2021 hatten wir bis November rund 35.000 Asylanträge, für das gesamte Jahr werden wir in die Nähe von 40.000 kommen: eine sehr, sehr hohe Zahl. Der größte Teil davon aus Syrien, der zweitgrößte aus Afghanistan. Österreich leistet sehr viel und ist europaweit das Land mit der zweithöchsten Zahl an Afghanen pro Einwohner. Wir müssen dafür sorgen, dass es nicht zu einer Überforderung der Bevölkerung kommt. Nächste Woche gibt es auf Initiative von Griechenland, Polen, Litauen und Österreich eine Außengrenzschutzkonferenz in Litauen. Einen Monat später werden wir eine Rückführungskonferenz in Wien abhalten. Damit sich Menschen, die gar keine Chance auf Asyl haben, nicht auf den weiten Weg nach Österreich machen.
Es gibt derzeit viel illegale Schlepperei wie man an den zufälligen Aufgriffen in Österreich sieht.
Da muss ich heftig widersprechen. Das ist kein Zufall, sondern Knochenarbeit, dass im letzten Jahr 400 dieser sehr professionell agierenden Schlepper gefasst wurden. Die Exekutive leistet sehr gute Arbeit, aber da muss noch mehr getan werden.
Österreich hat leider auch überdurchschnittlich viele Frauenmorde. Was tun?
Am 1. September ist ein Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten. Aber letztlich ist das nicht nur eine polizeiliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Man muss hinschauen, Frauen Mut machen, sich an Behörden zu wenden.
Im Verfassungsschutz geht es seit 20 Jahren drunter und drüber … Nein, das kann ich so nicht stehen lassen. Es ist nicht alles rund gelaufen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT. Daher wurde es neu aufgestellt. Am 1. Dezember hat die neue Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst ihre Arbeit aufgenommen. Wir sind damit, auch mit dem neuen Chef, gut aufgestellt.
Der neue Chef hat Werbung für die ÖVP gemacht. Ist das in Ordnung?
Lassen wir die Kirche im Dorf. Er hat seine Frau bei ihrer Gemeinderatskandidatur unterstützt. Messen wir ihn an seiner Arbeit. Ich halte ihn für exzellent.
Es gibt fast keine Frauen in Führungsfunktionen der Polizei. Was werden Sie dagegen tun?
Ja, wir brauchen mehr. Ich nutze das jetzt gleich als Gelegenheit, junge Damen zu bitten, sich für den Polizeidienst zu bewerben. Es ist ein schwieriger, aber ein wunderschöner Beruf. Wir planen Maßnahmen, um mehr Frauen zu motivieren, Führungsfunktionen anzustreben.
Sie kennen die zentralen Figuren rund um Sebastian Kurz sehr gut. Nicht wenige davon bezeichnen Sie sogar als ihren Lehrer. Sind Sie enttäuscht?
Enttäuschung ist keine politische Kategorie. Man hat grausige Dinge gelesen. Aber mein Blick geht jetzt nach vorne. Es gibt einen neuen Bundeskanzler, eine zum Teil neue Regierungsmannschaft, die anders arbeitet als die vorige. Konzentrieren wir uns jetzt auf unsere Arbeit.
Der ÖVP-Korruptionsausschuss, eingesetzt auch vom eigenen Koalitionspartner, stört Sie nicht?
Ich gehe davon aus, dass alle Parlamentarier damit vernünftig umgehen werden.