Jetzt amtlich: Gewessler stoppt Tunnelbau durch die Lobau
Von Bernhard Gaul
Am 1. Dezember um 9.00 Uhr gibt Klimaschutz- und Mobilitätsministerin Leonore Gewessler das lang erwartete Ergebnis der Evaluierung der Lobau-Autobahn bekannt. "Wir entscheiden heute, ob wir eine Welt voller Zerstörung oder eine Welt voller Chancen übergeben", beginnt Gewessler ihre Statement. Sie spüre "Verantwortung" und habe nicht vor in 30 Jahren zu sagen: "Mir hat der Mut gefehlt".
"Die Lobauautobahn wird nicht gebaut", sagt die Klimaministerin um 9h19. "Sämtliche Planungen werden eingestellt."
Angesprochen auf die Kritik von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, sagt die Ministerin: "Ich will die Argumente nicht vom Tisch wischen. Wir werden uns hoffentlich gemeinsam hinsetzen und an Alternativen arbeiten". Der Tunnel werde als Bauvorhaben nicht weiter verfolgt, die "Stadtstraße"/"Spange" werde weiter diskutiert werden.
Die Ergebnisse waren erwartbar und sind ab sofort auf der Homepage des Klimaministeriums zum Download:
- Die S1 Außenring Schnellstraße, konkret die "Lobau-Autobahn mit ihrem Tunnel durch ein Naturschutzgebiet wird nicht weiterverfolgt“.
- Für den Nordabschnitt der S1 werden "Alternativen geprüft, um den geänderten Anforderungen im Zusammenhang mit der S8 Folge zu tragen.
- Wenn die Stadt Wien den Bau der Stadtstraße weiter vorantreibt, wird auch die ASFINAG die für den Wohnungsbau notwendigen Abschnitte der Spange errichten.
- Zusatz: Auch das ASFINAG-Projekt S34, die Traisental Schnellstraße, wird "nicht in geplanten Form“ umgesetzt. Auch hier sollen bessere Alternativen mit dem Land Niederösterreich erarbeitet werden.
Worum geht es?
Laut ASFINAG war die S 1 Außenring Schnellstraße zwischen Schwechat und Süßenbrunn – mit dem Tunnel Lobau – der „Lückenschluss im Regionenring um Wien“. Idee war "eine spürbare Entlastung der stark frequentierten Strecken A 23 Südosttangente und A 4 Ost Autobahn zwischen Wien und dem Knoten Schwechat sowie des 22. Bezirkes.“ Dieser Teil der S 1 sollte also den Verkehr auf die Schnellstraße verlagern. Der Verkehr würde damit um Wien herum geführt werden "statt mittendurch“, wie die ASFINAG auf ihrer Homepage erklärt.
Warum wird der Tunnel durch die Lobau nicht gebaut?
Ministerin Gewessler hatte vor fast einem Jahr eine Evaluierung aller ASFINAG-Bauprojekte angekündigt – jene, die noch im Planungsstadium waren. Geprüft werden sollten die Projekte auf "Zukunftsfähigkeit“, konkret ging es um Klimaschutz und den "Schutz unserer wertvollsten Böden“, aber auch, ob diese Bauten da bei helfen "unsere Ziele aus dem Mobiltätsmasterplan und dem Regierungsprogramm“, das ja als Ziel die Klimaneutralität 2040 hat, zu erreichen.
Wesentliche Argumente der Evaluierung gegen den Tunnel sind:
- "Der Ausbau des Straßennetzes führt auch immer zu mehr Verkehr“. Mehr Verkehr führt zu mehr Emissionen, mehr Lärm – und mehr Stau.
- "Die Zerstörung von Naturräumen ist nicht mehr rückgängig zu machen“.
- In den vergangenen Jahrzehnten wurden „viele hundert Quadratkilometer an wertvollen Böden versiegelt. Das zerstört viele landwirtschaftliche Flächen auf denen kein Obst oder Gemüse mehr heimisch geerntet werden kann.“ Die Bodenversiegelung sei zudem ein Problem für Starkwetterereignisse, da dieser Boden kein Wasser aufnehmen kann.
- Der Tunnel würde durch ein „äußerst sensibles Naturschutzgebiet“ führen. Der Bau wäre ein "massiver Eingriff in die unberührte Artenvielfalt, zerstörte Natur würde "unwiederbringlich verloren gehen“.
- Zudem sei Tunnelbau eine extrem CO2-intensive Form des Bauens.
Was heißt das jetzt?
Die Wiener SPÖ drängte auf den Bau des Tunnels zur Entlastung der Südost-Tangente A23 und der Ostautobahn A4 und der Donaustadt vom Durchzugsverkehr.
Jetzt ist das Projekt gestoppt. Gewessler hat allerdings für den nördlichen Teil Entlastung in Aussicht gestellt, da würden jetzt Alternativen geprüft. Und auch bei der Seestadt kommt Gewessler den Wienern entgegen, die ASFINAG würde die für den Wohnungsbau notwendigen Abschnitte der Spange errichten.
Und wie soll nun der Verkehr entlastet werden?
Gewessler muss jetzt zeigen, wie eine Entlastung der stark frequentierten Strecken A 23 Südosttangente und A 4 Ost Autobahn zwischen Wien und dem Knoten Schwechat sowie des 22. Bezirkes passieren kann. Argumentiert wird das mit einem "mulitmodalen" Ansatz: Da mehr Straßen mehr Autos und Lkw anziehen, soll das Problem nicht mit mehr und anderen Straßen, sondern durch viele verschiedene Alternativen gelöst werden, also eine bessere Öffi-Anbindung einerseits und Lkw auf die Schiene andererseits. Es geht schließlich um Projekte, die Jahrzehnte zur Umsetzung dauern.